AALST 21. JULI 1915
Wir Alten vom Landsturm.
Brüsseler Eindriicke.
N° 1
PREIS 10 PFG.
SCHRIFTLEITUNG
DRUCK
WILH. NEUHAUS
Landsturm Bataillon Hersfeld.
Van de Putte-Goossens
AALST.
Es wird beabsichtigt, diese Zeitung am 1. 11. 21. jeden Monats erscheinen zu lassen. Preis jeder Nummer 10 Pfg.
Bestellungen an die Schriftleitung z. Zt. in Aalst.
Wohl stehen wir nicht im vordersten Glied,
Wir Alten vom Landsturm,
Wo der Tod den Kriegern ins Auge sieht
Und im höllentosenden Schiachtenorkan
Durch die Reihen bricht breite, blutige Bahn
Da sind wir nicht.
Wir stehen dahinten an Toren und Steg,
Wir Alten vom Landsturm,
Wo die Ztige rasseln am Schienenweg
lm Regen und Sturm, im Grauen der Nacht
Da halten wir gute, getreue Wacht
Mit blanker Wehr.
Wohl sind auch wir von Gefahren umringt^
Wir Alten vom Landsturm,
Doch schlimmer ist, was die Sorge uns singt
Von Haus und Hof, von Weib und Kind,
Ob sie wohlversorgt und geborgen sind
In schwerer Zeit.
Doch schallt einst der Ruf Nun aber voran,
Ihr Alten vom Landsturm
Die Waffen zur Hand, an den Feind, wohlan,
Das Vaterland braucht Euer Leben und Blut
Hurra, mein Kaiser auch das ist gut,
Wir stehn wie ein Mann.
Wie die Jungen da vorn tun wir unsre Pflicht,
Wir Alten vom Landsturm
Zurück und ein Zaudern das kennen wir nicht,
Wir wissen, dass Schild und Schirm wir sind
Für Haus und Hof und Weib und Kind
Da kampft es sich gut
N.
Noch oft wird der Landsturmmann, der wahrend des
Krieges zur Besatzung Belgiens gehorte, spater einmal an
diese Zeit zurück denken. Dann wird vor seinem Geiste
zurücktreten, was jetzt drückend auf ihm liegt: des milita-
rischen Dienstes ungewohnte Bürde, die Heimatsehnsucht,
die Sorge um seine Lieben und, nicht zum wenigsten, urn
sein schwer bedrohtes Vaterland. Er wird verweilen bei
dem Guten, was, wenn er es zu finden wusste, auch diese
Zeit fürihn brachte und dazu gehort für uns sicher, dass
wir die Schönheit des gottgesegneten westlichen Belgiens
und seiner alten Stadte schauen durften. Besonders unver-
gesslisch wird uns aber Brüssel in der Frühlingspracht seiner
Parks, Alleen und Blumenanlagen, mit seinen Denkmalern
und Bauten vor der Seele stehen.
Allerdings mit dem Behagen und der Ruho, mit d^r 'm
Frieden der Reisende alle die Eindrücke auf sich wirken
lassen kann, ist es nichts. Es zittert zuviel Unruhe in uns
selbst, und nur mit halbem Herzen achten wir auf die Dinge
unserer Umgebung,denn wir lauschen hinaus in die gewaltige
Gegenwart, wo das in tausend Schmerzen kreisende Europa
ein neues Deutschland gebaren wird. Und auch von aussen
her werden wir in Brüssel auf Schrift und Tritt daran
gemahnt, dass Mars die Stunde regiert.
Wir stehen vor den gewaltigen Gebaudemassen der belg.
Ministerien. Man hat sie mit Beschlag gelegt für die Linien-
und Etappenkommandantur und das General-Gouvernement.
Doppelposten stehen vor den Eingangen. Autos und Motor-
fahrer rattern heran und knattern fort, Soldaten gehen aus
und ein, dazwischen die jungen Pfadfinder in ihren Khaki-
uniformen. Sie haben hier50-60 Jungen—ihre Quartiere und
machen sich als Ordonnanzen und Boten nützlich. Hier ist
das Herz der deutschen Verwaltung Belgiens. In dem scho
nen Volkspark, der vor dem Ministerium zwischen ihm und
dem Königspalast liegt, hat man ein Soldatenheim einge-
richtet, hier steht die Baracke für durch Brüssel reisende
kleinere Truppenabteilungen und, ganz neu erbaut, eine
Autohalle. Marschmusik Die Wache zieht auf. Eine ganze
kriegsstarke Kompagnie. Das Herz muss einem im Leibe
lachen, wenn man die sehnigen, wettergebraunten Gestalten
sieht ihr Regiment wurde aus der Front zurückgezogen,
um sich hier zu erholen. VergatterungDie Griffe klappen
famos Wie kommt es einem doch erst hier zum Bewusstsein,
wie schön, militarisch kurz und eindrucksvoll unsere Forma-
litüt der Wacheablösung ist. Bleiben wir in der Oberstadt.
Einen kurzen Besuch wenigstens wollen wir dem Musée
des Beaux-Arts abstatten. Im Skulpturensaal halt uns Meu
nier, der in Brüssel geboren wurde, gefesselt. Er stieg hinab
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