zu dem schwerringenden Volk und hat seiner Arbeit aus- drucksvolle Denkmaler gesetzt. Und dann die Marmortreppe hinauf zu Rubens, dem Meister der flamischen Maler, der am liebsten bei Heiligen und Engeln verweilte und ihnen mit der ganzen frommen Andacht seiner Seele und der Meister- schaft seiner Kunst diente. Sieh, diese wunderbar süssen Engelsköpfchen, die auf den lichten Wolken schweben, du magst den Bliek kaum abwenden. Sah nicht so dein Madel- chen daheim aus, wenn es mit seinem Lockenkopf in den weissen Kissen schlafend lag Von draussen hallen scharf- abgerissene Schritte herauf, staub-und schweissbedeckt kehrt ein Bataillon voin Felddienst zurück. Einen urn den anderen Tag wird Wache geschobenund dazwischen gibts wirklich keinen Schlendrian. - Vor uns ragt unge- heuer, gewaltig wie ein Bau der Assyrer und Babylonier der Justizpalast auf, wie Punkte erscheinen die deutschen Wach- posten unter den klotzigen Quadern der Portale. Wunderbar ist der Bliek von der Terasse auf die Dacherwellen der Unterstadt, die in den Horizont hineinlaufen. Aber mit uns schauen auch die Rohre deutscher Haubitzen schweigend hinunter, und wehe dir, Briissel, wenn sie jemals ihren Mund öffnen müssten, auch der Zaubermantel deiner Schönheit, mit der du jetzt deutsche Herzen dir zu huldigen zwingst, wiirde dir dann nicht heifen können. Zur Unterstadt. Ueberal! auf den Platzen, vor den öffentl. Gebauden deutsche Posten, oft mit einem Ringkragen, wie ihn die Gendarmen tragen, auf der Brust mit der Inschrift „Polizei" oder Auskunft Vorder Post, in der auch schon wieder belgische Beamte arbeiten, ein starkes Gedrange. Hier sind die neuesten deutschen Kriegsdepeschen zu lesen: Man glaubt sie natürlich nicht. Aber am nachsten Tage ist man doch wieder hier und lasst sich stossen und drangen. Nur urn Liigennachrichten zu lesen Auch auf dem Grand' Place (Marktplatz) vor dem Wunderbau des gotischen Rathauses, dessen Turm mit dem vergoldeten Erzengel Michael, dem Schutzheiligen der Stadt, an der Spitze zum Himmel emporjubelt, blitzen deutsche Bajonette. Zu diesem Platz aber gehen wir noch einmal, wenn in der Abend- dammerung die letzten Sonnenstrahlen in dem Gold der Zunfthauser und des Königshauses spielen und die glühenden Farben der Blumen, die hier die Handler, in grossen Beeten zusammengestellt, anbieten, noch tiefer leuchten. Wem da das Herz kalt bleibt auch bei dem Anblick dieses unver- gleichlich herrlichen Platzes, dem fehlt das Tor der Seele, durch das die Freude an der Schönheit hineinzieht. Vom Erhabenen zum Lacherlichen. Ganz nahe bei dem Rathaus steht in einer Seitenstrasse das vielberiihmte Manneken- Pis Es hiesse in Rom gewesen sein und den Papst nicht gesehen haben wenn wir ihm nicht den schuldigen Besuch machen wollten. Zwar zu griissen brauchen wir ihn nicht, wie die Truppen Ludwigs XV. von Frankreich. Sie hatten sich ungebiihrlich gegen ihn benommen, da ernannte ihn derKönigzum Ritter des Michaelisordens und verlieh ihm Federhut und Degen, so dass ihm die Soldaten militarische Ehrenbezeugungen erweisen mussten. Ueberhaupt hat er an Festtagen die Uniformen der jeweiligen Herren von Briissel getragen die Kokarde der brabantischen Revolution, die Jakobinermütze der franz. Freiheitsmanner, die Kammer- herren-Uniform unter Napoleon 1, die Kokarde der Hollander und seit 1830 die Bluse der belg. Freiheitskampfer mit weis sen Handschuhen. Nun werden die Brüsseler ihn, wenn sie dieser Tradition treu bleiben wollen, feldgrau einkleid-öH müssen und wohl oder„ iibel auch die verhasste preussische Pickelhaube (de Pin op ftèn Kop-wie sie sagen) aufs Haupt setzen müssen. Soli ich noch erzahlen von der Pracht der Kirchen, inbesondere von der Herrlichkeit St. Gudules Ich würde kein Ende finden. Durch die Strassen flutet schon wieder der Verkehr in vollem Strome, die Auslagen der Fenster lassen keinen Man gel erkennen, die Metzgereien, Conditoreien und Zucker- backereien voll der auserwahltesten Leckereien. Geld muss man allerdings haben, um das essen zu können. Immer farbenfroher werden die Toiletten der Damen. Man scheint die frühere Losung der Patrioten Wenn sich ein Mad- chen in dieser traurigen Zeit in prunkender Kleidung auf den Strassen sehen lasst, so nehmen wir an, dass es den deutschen Soldaten gefallen will ausser Kraft setzen zu wollen. Der Krieg dauert auch gar zu lange, welches weibliche Wesen würde so lange in Sack und Asche gehen können, zumal man die schonen Kleider im Schranke hangen hat, die von Tag zu Tag unmoderruer werden. So scheint allmahlich von den Frauen eine andere Formel gefunden worden sein Zeigt den Barbaren einmal, wie weit sie in der Kultur zurück sind. Sie sollen vor belgischer Frauenan- mut und Gracie die Mauler aufsperren So spricht man vor anderen. Insgeheim aber huldigt man diesen deutschen Barbaren, die so gesund und stark dahingehen. Aber fürchtet nichts für euren Liebsten, ihr deutschen Madel, wie könnten diese schillernden Seifenblasen, die auf der Oberflache des Lebens lustig dahinschwimmen, den gefangen halten, der in die Tiefe eures Gemüts und die schlichte Reinheit eures Herzens geschaut hat Doch nun hinaus aus dem Trubel der Stadt ins Freie. Es spricht für die Wissbegier unserer Soldaten, dass sie die 2 Stunden Fahrt (hin und zurück) nach Tervueren nicht scheuen, (ein Aufenhalt in Brüssel ist ihnen doch meistens knapp zugemessen) um das Kongomuseum zu sehen. In überaus prachtiger, mustergültiger Anordnung zeigt es die Tier-und Pflanzenwelt, die Bewohner und Erzeugnisse dieser Kolonie, die sicher zu den zukunftreichsten der Welt gehort. Einem Königsschloss gleicht das Gebaude inmitten eines prachtigen Parkes und schon die Fahrt dahin durch die Anlagen und Gehölze ist ein köstlicher Genuss. Nach Laeken. Die Wache des Landsturmbataillons Bonn, die diesen Park besetzt halt, wohnt wie in einem Paradiese. Weite Rasenfla- chen, Teiche und Waldchen, dazwischen leuchten die bren- nenden Farben der Rhododendron-Hange, die nun schon bald abgelöst werden von der milderen Glut der Rosen. In den grossen Treibhausern die exotische Pracht der Palmen. Ja, Leopold II hat zu leben gewusst, und wenn nicht auf der einen Treibhauskuppel ein goldnes Kreuz stünde, man würde nicht daran denken, dass dieses Glashaus ihm als Kirche ge- dient hat. Das Bois de la Cambre liegt genau auf der entgegengesetzten Seite (südlich) der Stadt. Aber die Elec- trische fahrt schnell und billig. Hier haben wir Wald,zwar keinen urwüchsigen, freien Wald wie auf unseren Hessen- bergen,sondern einengeschniegelten und gestriegelten Stadt- wald, aber schliesslich doch Wald. Man lernt, im Krieg seine Ansprüche hinunterzuschrauben in jeder Beziehung. Wenn du aj?e#üfcnkst, du könntest an dem grossen See dort bei dem ^uschen der alten Baume ein wenig deinen heimwarts- wandernden Gedanken nachgehen, so bist du im Irrtum.Grell klingt der Klang von Trommeln und Pfeifen herüber, am Rande des Gehölzes üben deutsche Spielleute immer und immer dieselbe Weise. Wie stand doch an den Tafeln bei dem Eingang zu diesem Park? Genau weiss ich die Worte nicht mfrhr, aber der Sinn war dieser Die Baume geben uns Schatten und die Blumen Freude, schon deswegen sollten wir sie schonen Wie lange ist es her, dass wir auch so dachten. Aber nun Was Blumen und Baume! Diese Trom meln werden rasseln und diese Pfeifen werden schrillen in

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Landsturm | 1915 | | pagina 2