Nr 2 11. August 1915 Ein Jahr Krieg. Schriftleitung Gefr. W. Neuhaus, 1. Kompagnie Landsturm Bataillon Hersteld z. Zt. Aalst. Die Zeitung erscheint am 1. 11. und ^1. jeden Monats. Bezugsbedingungen auf der letzten Seite. Ein Jahr schon KriegHart und iastend liegt die schwere Zeit auch auf uns Mannern vom Landsturm. Die Heimat mussten wir verlassen, die uns mit tausend Banden festhielt, und in ein fremdes, uns feindlich gegeniiberstehen- des Land ziehen. Mussten unseren Beruf, der uns lieb geworden war, in dem wir uns vielleicht eine Stellung erar- beitet hatten, aufgeben, urn wieder in des Kaisers Rock das Einfügen und das Gehorchen zu lernen. Diesen, den ehrliche, schwere Arbeit durch ein Viertel-Jahrhundert hindurch die Krafte zermürbt hat, drückt die körperliche Anstrengung des militarischen Dienstes auf jenem, der gewohnt war, geistig rastlos tatig zu sein, liegt qualend die ermiidende Eintönig- keit der Tage. Wir mussten heraus aus dem gemtitlichen Behagen des eigenen Heimes und schon ein wenig ver- wöhnt alle die tausend Unbequemlichkeiten des Solda- tenlebens und der Kaserne auf uns nehmen. Wir liessen unser liebes Weib zurück und fühlèn jetzt erst so recht in der Tiefe des Herzens, wie innig wir ihm verbunden sind. Unsere Kinder wachsen heran, vaterlos. Sie wurden geboren und starben, sie traten in die Schule ein und verliessen sie, sie erwahlten sich ihren Lebensberuf und wir waren nicht bei ihnen. AberEs schweige mir jeder von seinem Leid und noch so tiefer NotSind wir nicht alle zum Opfer bereit Sehet auf unsere Volksgenossen (Jaheim, wie sie in teurer Zeit hart ringen und schaffen mussen, wie unsere Frauen sich mühen und plagen, wie sie den Kindern den Vater und den Ernahrer ersetzen wollen. Und dann schauet hin nach Westen und schauet nach Osten, wo unsere Brüder unter unendlichen Mühen und furchtbarsten Schrecken Gesund- heit und Leben die Monate hindurch todesmutig einsetzen. Lasst ihre Leiden vor Eurer Seele stehen, und wer wagt es dann noch von uns, zu klagen über die Not der Tage Auf ganz Deutschland liegt die Eisenhand des Krieges. Aber vergessen wir auch nicht über ihrer Not, das Gewaltige, das Herrlich-Erhabene dieser Zeit. Grosse Stun- den klingen und rauschen durch unsere Seelen Wir stehen an einem Höhepunkte der Geschichte der Menschheit. In i nie-^eschautem Helden-Kampfe haut sich das deutsche Schwert Bahn durch die dichtgedrangten Massen seiner Neider und Feinde ringsum, und umtost von dem Donnerder Schlachten, umflattert von den sicgreichen, kampfzerfetzten Fahnen und Standarten der Regimenter seines Volksaufge- botes schreitet der deutsche Kaiser die Stufen zum ersten Thron der Welt empor. Wir stehen diesen Tagen zu nahe, urn ihre volle, weltgeschichtliche Bedeutung erfassen zu können, aber einstmals wird die Stunde kommen, wo in jubelnder Freude unser Herz aufjauchzen wird, dass auch wir diese Zeit durchlebten, dass auch wir am grossen Werke helfen durften. Gewaltiges ist schon geschehen Unerschüttert steht unsere Mauer im Westen, von Sieg zu Sieg schreiten die Tapferen im Osten, über eine und eine halbe Million gefan- gene Feinde befinden sich in Deutschland und Oesterreich- Ungarn, 180 000 km. (d. i. der Grosse Deutschlands) feindlicher Boden ist von uns besetzt, aber die Sonne des Friedens leuchtet über unseren heimatlichen Fluren doch noch sind wir nicht am Ende. Wohl wissen wir es schon jetzt gewiss Deutschland unser Kinder- und Vaterland, es wird bestehen es wird nicht gelingen,dies Land in Stücke zu zerreissen, wie unsere Feinde es planten, die schon vorei- lig die Beute unter sich teilten. Aber das geniigt nicht, mehr muss erreicht werden Sollen alle die gewaltigen Opfer an Gut und Blut gebracht worden sein nur urn deswillen, dass alles nach dem Krieg so bleibt, wie es vordem war Das hiesse feige die Entscheidung urn ein paar Jahrzehnte hinaus- schieben und unseren Kinder aufbiirden, die dann vielleicht unter ungünstigeren Bedingungen die Frage zu entscheiden hatten, ob Deutschland ein Recht auf Dasein und Leben habe. Nein jetzt, wo ohne unsere Schuld der lange verhaltene, nicht zu bandigende Hass unserer Gegner die Schwerter aus der Scheide riss, muss reine Bahn gemacht werden. Ihr Manner vom Landsturm, die Ihr ohne Klagen Jahrzehnte hindurch Euch qualt und abarbeitet, nur urn Eueren Kiridern ein eigenes Heim und ein paar tausend Mark mehr hinter- lassen zu können, es gilt ihnen etwas unendlich Höheres und Wertvolleres zu erringen ein freies, starkes Vaterland, einen dauernden Frieden und dem deutschen Geiste und der deutschen Arbeit freie Bahn in der ganzen Welt! Deshalb heisst es jetzt für uns nicht auf halben Wege stehen zu bleiben, sondern in fester Entschlossenheit durchzuhalten bis zum glorreichen Ende, Und ob es sieben Jahre wahrt und Gut und Blut uns frisst, der Friede sei des Blutes wert, das uns geflossen istUnd mit diesem trotzigen Worte treten wir in das zweite Kriegsjahr N. Nun sc'nwei^e mir jeder von seinem Leid Und noch so defer Not Sind wir nicht alle zum Opfer bercit Und zu dem Tod Eines steht gross in den Himmel gebrannt Alles darf untergehn Nur Deutschland, unser Kinder-und Vaterland, Deutschland muss ewig bestehn Will Vesper.

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