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Eine Sitzung des Feldkriegsgerichts in Aalst.
DIE TUCHHALLEN VON YPERN.
Wiederholt ist die Bevölkerung Belgiens unter Andro-
hung hoher Strafen von den deutschen Behörden aufgefor-
dert worden, etwa noch in den Hausern befindliche Waffen
und Munition abzuliefern. Zuletzt, am 4. De/py^hpr v J., ist
7ür Uebertretungen gar die Todesstrafe festgesetzt worden.
Wagenladungen von Waffen, oft ganz uralte Modelle, sind
damalsaufden Kommandanturen eingeliefert worden, aber
immer und immer wieder tritt es zu Tage, dass noch viele
solcher gefahrlichen Dinge in den Hausern sind, abgesehen
von denen, die vielleicht in den Garten und Feldern vergra-
ben oder sonstwo verborgen wurden. Die Besitzer haben es
sich selbst zuzuschreiben, wenn die deutschen Richter mit
hohen Strafen auch dann vorgehen mtissen, wenn wie in
den meisten Fallen nur Fahrlassigkeit und nicht etwa
böse Absicht vorliegt.
So hatte denn das Feldkriegsgericht in Aalst wieder
einmal sich mit vier solcher Fa lie zu beschaftigen. Es war
interessant zu hören, wie sich die Leute, die bis auf einen
einen durchaus gutmiitigen Eindruck machten, herauszure-
den versuchten dass sie von dem Vorhandensein der
Waffen gewusst flatten, gaben alle anstandslos zu. Bei einem
war ein Revolver gefunden worden. Er war entzwei, hatte
verstaubt und in altes Papier gewickelt auf einem Brett über
der Tiir gelegen. Das ist doch keine Waffe mehr, altes Eisen
und nichts weiter, meinte der Angeklagte, und der belgische
Anwalt steilte sogar das machtige Deutsche Reich und dies
armselige, nicht gebrauchsfahige Revolverchen gegeniiber.
Aber daneben hatte die fehlende Feder gelegen, die man
leicht wieder einschrauben konnte, und vor dem Spiegel
waren Patronen gefunden. Die Frau des Schuldigen, die ihre
bittersten Tranen weinte, hatte sicher bei jeder wöchent-
lichen Reinigung die bösen Dinger in der Hand gehabt und
nicht daran gedacht, dass sie die Ursache zu einer langen
Trennung von ihrem Mann wiirden, denn auf2Jahre Gefang-
nis wurde die Strafe bemessen. Ein anderer hatte eine alte
Flinte in der Ecke stehen gehabt. Munition war nicht gefun
den, folglich hatte er auch keine im Hause, aber schliesslich
wollte er doch damit die Spatzen aus seinen Kirschbaumen
verscheuchen. Wahrscheinlich also wohl mit dem Kolben.
Auch er hat in Coin zweieinhalb Jahre Zeit darüber nach-
zudenken,dass die Deutschen keine Maueranschlage machen,
die nicht befolgt zu werden brauchen, auch wenn es sich
urn einen wirklich so harmlosen Schiessprügel, wie den
seinigen, handelt, lm Hause eines Dritten sind nur Patronen
gefunden worden, sie lagen auf dem Boden zwischen Bret-
tern. Der Mann gibt an, dass sie von der belgischen Zivil-
.wache, die zur Zeit der Kartoffelernte in iedem Dorfe (es
muss in Belgien fürchterlich gestohlen werden!) die Felder
in der Nacht hewacht. herrühren müssten. Auf 6 Wochen
Gefangnis lautete das milde Urteil, da sich die Angaben als
richtig erwiesen. Aber Munition darf eben in keinem Hause
sein, der Hausbesitzer ist dafiir verantwortlich. Der
ernsteste Fall betraf wohl einen Mann von etwa 40 Jahren.
Er hatte in seinem Hause ein altes, geladenes Gewehr
gehabt. In einer Fingeren, wohlüberlegten Rede setzte der
belgische Rechtsanwalt dem Gerichtshof, fünf Landsturm-
offizieren, auseinander, dass der Vater des Angeklagten trotz
seiner 80 Jahre ein wilder, gewalthitiger Mensch, der bis
zum letzten Augenblick seines Lebens er war erst vor
wenigen Wochen gestorben unumschrankter Herr im
Hause gewesen sei. Einen Reus (Riese,von allen gefiirch-
teter Mensch) nannte er ihn. Der habe nicht geduldet, dass
der Sohn auch nur das Gewehr aus der Ecke nehme,
geschweige denn aus dem Hause entferne. Das war ganz
geschickt verteidigt und doch auch wieder ungeschickt, denn
auf den ersten Blick wurde man daran gemahnt, dass der
Sohn den wilden Sinn des Vaters geerbt habe. Er hatte ja
auch nach dessen Tode das Gewehr gleich abliefern können.
Ihm wurden zwei Jahre Zuchthaus zudiktiert.
Unser Dolmetscher und Landsturmkamerad wischt sich
den Schweiss von der Stirne, er hat ein redliches Stück
Arbeit gehabt, trotzdem die vkimischen Verteidigungsreden
der Anwalte, da sie langsam und artikuliert sprachen, über-
raschend gut verstandlich waren. Die Angeklagten werden
von den Landsturmleuten, die sie vorgeführt hatten, wieder
in ihr Arrestlokaljn die Kaserne gefiihrt. Draussen auf der
Strasse stehen ihre Freunde und Bekannten in respektsvoller
Entfernung, denen sie mit den Fingern heimlich die Zahl der
Jahre, die sie absitzen müssen, zuwinken werden. Allerdings
kennen sie das Urteil des Gerichtshofes, das ihnen erst am
Nachmittag eröffnet werden kann, da es noch der Genèh-
migung des Kommandanten unterliegt, noch nicht. Was sie