Nr. 4 1. Septemb. 1915 Ein altes Musketierlied. Ein Jahr beim Landsturm Bataillon Hersfeld. Schriftleitung Gefr. W. Neuhaus, 1. Kompagnie Landsturm Bataillon Hersteld z. Zt. Aalst (Belgien). Die Zeitung erscheint am 1. 11. und 21. jeden Monats. Bezugsbedingungen auf der letzten Seite. AALST (Belgien). Steh ich im Feld, mein ist die Welt Bin ich nicht Offizier, Bin ich doch Musketier Steh in dem Glied wie er, Weiss nicht wo's besser war. Juchhe, ins Feld Mein ist die Welt Steh ich im Feld', mein ist die Welt Hab' ich kein Geld im Sack, Hab ich doch Rauchtabak Fehlt mir der Tabak auch, Nussiaub gibt guten Rauch. Mein ist die Welt Steh ich im Feld, mein ist die Welt Kommen mir zwei und drei, Haut mich mein Sabel frei Schiesst mich der vierte tot, Trost mich der liebe Gott. Juchhe, ins Feld Wie die meisten Landsturmbataillone, die hier in Flan- dern stehen, so konnte auch das Bataillon Hersfeld in diesen Augusttagen seinen Geburtstag begehen. Da sei es denn gestattet, dieses Jahr, das wir in des Kaisers Rock durchlebt haben, einmal an unserem geistigen Auge wieder vorüber gehen zu lassen. Gewiss, es hat uns Schweres auferlegt, davon war in diesen Blattern schon die Rede, aber das wollen wir uns nicht verhelden es hat uns auch manche erhebende Stunde, manche Freuden und unvergessliche, schone Eindrücke gebracht, und die seien hier herausge- hoben. Schon damals am 18. August 1914, als wir auf unseres Kaisers Ruf zum erstenmale auf dem Hof der Kriegs- schule in Hersfeld uns versammelten, füllte ein freudiger Stolz die Herzen, dass auch wir der Heimat mit den Waffen in der Hand in heiliger Zeit dienen sollten. Dann kamen die Tage des Wartens, erftillt von dem Ernst der soldatischen Uebungen und dem Jubel über die Erfolge unserer Heere in West und Ost. Wer von den Kameraden der I. Compagnie wird nicht jene Augenblicke gem in der Erinnerung fest- halten, wenn ein neuer Sieg vom Draht gemeldet war und unser guter, alter Hauptmann Auel mit der Depesche in der Hand auf den Gymnasialhof trat und im Eifer gar sein gewohntes, freundliches Guten Morgen vergass und noch im Herankommen begann Kameraden Ein neuer grosser Sieg unserer Tapferen da draussen und wir jubelnd einstimmten in das Hurrah ihnen zum Dank und Ruhme. Und dann kaïn endlich der Tag des Abschieds von allem, was uns teuer war. Ein Tag der Wehmut aber auch wieder ein Tag der Freude. Wir sollten nicht daheim Verwendung finden, sondern hinaus in Feindesland und hier etwas ernsthafter* dem Vaterland niltzen. Wir sollten ein fremdes Volk, ein uns noch unbekanntes Land schauen, sollten jenen gewaltigen Geschehnissen da draussen naher stehen und vielleicht handelnd eingreifen diirfen. Etwas wie Abenteurerlust im guten Sinne natürlich, wie sie in jedem Volke steekt, das noch jugendkraftig seine Augen über den Weltball schweifen lasst, und Gottseidank auch unserem Volke noch eigen ist füllte unser Herz. In Brüssel lande- ten wir vorlaufig. Das waren unvergessliche Augenblicke, als wir unter dem Kiang unserer Trommeln und Pfeifen in die belgische Hauptstadt einzogen, unseren Kindern werden wir davon noch erzahlen als eine köstliche Erinnerung. Das Bataillon rückte weiter nach Westen vor, nach Sotte- gem, und von hier aus zogen die Kompagnien auseinander nach Nord, West und Süd an ihre Arbeitdie Sicherung der ihnen anvertrauten Bahnlinien und riickwartigen Ver- bindungen der kampfenden 4. Armee. Der Winter kam und mit ihm alle die Unbilden des Wetters, die den schweren Wachdienst noch erschwerten. Aber auch in diese Zeit hinein helle Lichtblicke, die herrlichen Siege in Masuren und in der Champagne, die viele Liebe aus der Heimat von unseren Angehörigen und bisher ganz fremden Volksge nossen und manches frohe Zusammensein im kameradschaft- lichen Kreise. Sehnlichst erwartet nahte der Frühling und schmückte ganz Flandern mit verschwenderischer Pracht. Wir waren gerade in den fruchtbarsten Teilen des Landes, im Waaslande und im Land von Aalst und konnten uns nicht satt sehen an der Schönheit seines Lenzes, an dem Reichtum des Sommers. Viele von uns durften die Herrlichkeit der flandrischen und brabantischen Stadte schauen Brussel, Gent, Antwerpen, Briigge u. a. und wer den unverlierbare Eindrücke in ihrer Seele bergen. Unser Blick erweiterte sich. Wir beobachteten Land und Leute, sahen manches Nachahmenswerte, aber auch viel Ruckstandiges, Törichtes und Hassliches, und, indem wir verglichen, wuchs die Liebe zur teuren Heimat und die Wertschatzung deutscher Art und Sitte. Eine grosse Zahl von uns durfte auch ihr Heim, Frau und Kinder Peter Hebel (i5og

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