Belgische Hoffnungen.
nung, durch die wahrend die Feidtruppen in den Heeren
der gegen Napoleon verbiindeten Völker kampften das
Land vor etwaigen feindlichen Einfallen geschützt werden
sollte. Ein Aufruf des Herzogs von Mecklenburg-Schwerin
Friedrich Franz ordnete am 8. April 1813 die Bildung des
Landsturmes an. Ihm sollten alle Manner vom 18.-60. Lebens-
jahre soweit sie in körperlicher Hinsicht dienstfahig waren,
angehören. Zwei Klassen wurden gebildet. Die 1. Klasse
umfasste die Leute vom 18.-35. Lebensjahre, sie sollte
hauptsachlich den Transport von Gefangenen und die Nac'n-
führung von Proviant zu den Feidtruppen besorgen, also
Etappendienste versehen. Der 2. Klasse gehörten alle Land-
sturmleute vom 35.-60. Lebensjahre an. Sie sollte nur dann
Verwendung finden, wenn ein Ort selbst oder die nachste
Umgebung vom Feinde bedroht würde. Die Mannschaften
wahlten selbst für je 10-20 Mann einen Unteroffizier, diese
für je 100-150 Mann einen Hauptmann und diese wieder
Kreishauptleute, deren Bestatigung sich der Herzog vorbe-
halten hatte, der auch die höheren Fiilirer ernannte.
Die Bewaffnung war, wie es durch die Verhaltnisse
gegeben war, eine recht versciiiedenartige. Neben Land-
sturmmannern, die Feuergewehre führten, erschienen auch
solche, die mit Piken und anderen Handwaffen ausgerüstet
waren. Da der Landsturm kein regelmassiges Militar war, so
trug er auch keine Uniform, sondern je nach dem Grad des
Betreffenden nur Abzeichen. lm Dienst hatte der Landsturm-
mann am linken Arm ein drei Zoll langes und zwei Zoll
breites gelbes Kreuz anzulegen, bei den Unteroffizieren war
dieses Abzeichen um einen halben Zoll langer und breiter,
bei den Kompagnieführern bestand es aus goldenen Tressen.
Die Kreishauptleute trugen eine rot und gelbe, die Bezirks-
obersten eine rotgelbblau gestreifte Binde am linken Arm,
wahrend die Adjutanten durch eine rotgelbe am rechten
A r m kenntlich waren. Ebenso trug der Generaladjutant
eine rotgelbblaue Binde am rechten Arm. Der General-
anfiihrer hatte eine dreifarbige Binde als Scharpe anzulegen.
Das Alarmzeichen sollte durch die Sturmglocke gegeben und
durch reitende Boten weiter vermittelt werden. Ohne Befehl
des Landesherrn, der Regierung, des Generalführers, der
Bezirksobersten oder der Kreishauptleute durfte das Alarm
zeichen jedoch nicht gegeben werden. Auf das Alarmzeichen
hatte die 1. Klasse des Landsturms eines Orts sich nach dem
Sammelplatz der Kompagnie zu verfügen und sich für den
Ausmarsch auf drei Tage mit Lebensmitteln zu versehen.
Auch den Schutz der Landsturmleute gegen Uebergriffe
seitens des Feindes für den Fall der Gefangenschaft hatte
die mecklenburgische Verordnung vorgesehen. Wenn der
Feind einen gefangenen Landsturmmann harter behandeln
würde, als einen regelrechten Soldaten, so sollte an franzö-
sischen Kriegsgefangenen Wiedervergeltung geübt werden.
An Orten, wo ein Aufgebot des Landsturms stattfand, wurde
diese Verfügung in deutscher und französischer Sprache
gedruckt und öffentlich angeschlagen.
Wie die Verordnung des Herzogs betonte, sollte der
Landsturm eigentlich nur eine bürgerliche Einrichtung bilden
und nicht in Soldatenwesen ausarten andererseits wurde
aber auch in der Verfügung hervorgehoben, dass jeder mit
ganzem Ernst den Zweck der Einrichtung ins Auge zu fassen
habe, wenn sie das leisten sollte, was von ihr für den Schutz
des Landes verlangt werden konnte.
Zu diesem Zweck hatten sich die Landsturmleute kom-
pagnieweise zu versammein, diejenigen der 1. Klasse wenig-
stens allsonntaglich nach beendetem Gottesdienst, um unter
der Leitung ihrer Hauptleute in Gliedern und Waffe geordnet
zusammenzustehen und Bewegungen zu machen, gc-
rauschlos und schweigend zu marschieren und andere
Uebungen auszuführen, dabei sollten von den Führern die
Signale durch Pfeifen gegeben werden.
Der mecklenburgische Landsturm 1. Klasse ist 1813 nur
ein einziges Mal, und zwar, wie Werner Behm angibt, im
August unter die Waffen gerufen worden. Zu grosseren
kriegerischen Vorgangen kam es nicht, bei denen er Ver
wendung gefunden 'natte.
Wie in Mecklenburg-Schwerin, so war auch in
Mecklenburg-Strelitz 1813 ein Landsturm errichtet worden
den Anstoss dazu hatte eine allgemeine Alarmierung der
Bevölkerung wahrend der Nac'nte vom 10./11. und 11./12.
gegeben. Das Volk befand sich in dem Glauben, dass die
Franzosen, die damals noch Stettin besetzt hielten, in
Mecklenburg einfallen würden. Die Spannung unter der
Bevölkerung war eine hochgradige, und als aus einer unbe-
deutenden Veranlassung die Sturmglocken ihr Gelaut er-
schallen liessen, da scharte sich alles zusammen, was eine
Waffe tragen konnte. Sogar Geistliche waren mit ausgezogen
und hatten sich an die Spitze ihrer Gemeindeglieder gestellt.
In Wirklichkeit aber hatte kein Feind das Land betreten.
Dieser ganze Alarm, der sich von Pommern bis Schwerin,
von Küstrin bis Frankfurt erstreckte, war nur blinder Larm
gewesen. (W. Behm, Die Mecklenburger 1813 bis 1815.)
Darauf wurde auch in Mecklenburg-Strelitz ein Land
sturm ahnlich wie im Nachbarstaate gebildet, dessen Ober-
befehl der Herzog selbst übernahm.
Auch dieser Volkswehr war es nicht vergönnt, sich mit
dem Feinde zu messen, aber sie hatte insofern ihr Gutes, als
sie den unaufhörlich drangenden Gemütern, die von
vaterlandischer Begeisterung erfüllt waren, ein bestimmtes
Feld geregelter Tatigkeit anwies.
Auch beim Ausbruch des 2. Krieges gegen Napoleon im
April 1815 wurde die Einrichtung erneuert. Im deutsch-
französischen Kriege 1870/71 aber wurde der Landsturm
nicht einberufen.F.rst der Weltkrieg von 1914 rief ihn wieder,
und nun im ganzen deutschen Reiche, auf den Plan.
O. Karrig,
Gekürzt aus Niedersachsen
Als wir im Oktober 1914 in Belgien einrückten, waren
wir erstaunt darüber, wie sehr in allen Schichten der Bevöl
kerung der Gedanke sich festgenistet hatte, dass unseres
Bleibens nicht lange sein würde. Englander und Franzosen
würden noch vor dem Winter das Land von uns saubern.
Mit wahrem Feuereifer haben wir uns damals daran gemacht,
die Leute eines Besseren zu belehren, aber alle unsere Argu-
mente prallten ab an dem Lacheln und Achselzucken, hinter
dem man deutlich las O Ihr von Eurer Heeresleitung
Irregeführten, Ihr wisst ja gar nicht, wie böse es in Wirk
lichkeit um Euer Land steht Wir haben es erlebt, dass
gutmütige Belgier für uns das Bier, welches wir in der
Wirschaft getrunken hatten, bezahlen wollten, denn es sei
vielleicht das letzte, was wir in Belgien tranken. Nun sollte
man meinen, dass die eindringliche Sprache der Tatsachen
dass die Verbündeten keine Fortschritte machten, der
deutsche Schutzwall in Belgien und Frankreich vor den
besetzten Gebieten immer fester wurde und immer neue
Erfolge im Osten von deutschen Waffen errungen wurden
eine Enttauschung im Lande hervorgerufen hatte. Fehlge-
schossen Bei einigen Wenigen mag gewiss allmahlich die
Erkenntnis der tatsachtichen Lage aufgedammert sein, die
grosse Masse aber blieb dabei Deutschland wird doch am
Ende zu Boden geschmettert werden. Denn war die eine
Hoffnungsblüte am Zweig der belgischen Volksseele ver-