Brügge.
der Gouvernementstruppen, denen wir bis dahin angehört
hatten.
Die 3. u. 4. Kompagnie mit dem Stab blieben in ihren
bisherigen Stellungen und im bisherigen Verband die
1. u. 2. Komp. traten zu den Etappentruppen der Armee-
abteilung Strantz über. Wahrend aber die 2. Komp. in Metz
ihren Standort erhielt und nur ein Wachdetachement nach
Conflans entsandte, übernahm die 1. Konip. den Bahnschutz
auf der Strecke Conflans-Dommary mit dem Standort in
Abbéville (Strecke nach Longuyon).
(Schluss folgt.)
Mit der ganzen mystischen Schwermut seiner Seele
hat uns George Rodenbach, einer der hervorragendsten
Vertreter der neubelgischen Literatur, in seinem Hauptroman
das tote Brügge geschildert. Die müde, geheimnisvolle
Stadt, von der sich das Meer zurückgezogen hat wie ein
zu grosses Glück. Erstarrt sind nun die Adem ihrer Kanale,
bestattet liegt sie im Grabe ihrer steinernen Grachten,
bedeckt von der kalten Asche der Zeit und dem Staub der
Sanduhr der Jahre wie mit einer stillen Decke. Er hat sie
gezeichnet in den diisteren Farben der Spiitherbsttage,
wenn feine Staubregen die Strassen wie in einen Tranen-
flor hullen und ein Hauch des Todesaus den geschlossenen
Hiiusern, deren Scheiben wie gebrochene Augen starren,
weht.Wie anders erscheint uns, deren Herz nicht von den
düsteren Nebeln des Schwermuts sondern mit dem hellen
Licht der Lebensfreude erfüllt ist, diese Stadt, und gar
jetzt zur Sommerzeit. Breit liegt die goldene Sonne über
den Giebeln und flutet durch die Strassen. Ueber den Ka
nalen jagen sich hundert schnelle Schwalben, beugen sich
tief blühende Straucher. Aus allen Winkeln quillt lebens-
frohes Grün hervor, schmückt die alten Grachten wie ein
Stniusschen ein altes, gutes Mütterchen, überspannt die
Gasschen, dass man in ihnen wie in Laubengangen wandelt,
und umschlingt von den breiten Festungswallen her die
ganze Stadt.
Und in diesem Jahre 1915 haben die Deutschen gehol-
fen die traumende Stadt zum Leben zu erwecken. Das wogt
von Militar in den Strassen hin und her, vom Morgen bis
zum Abend. Unsere blauen Jungen sind es hauptsachlich, die
hier ihr Hauptquartier aufgeschlagen haben, denn in Brügge
befindet sich das Generalkommando des Marinekorps.
Hier im Gouvernementsgebaude am Marktplatz, wo es
Quartier genonnnen hat, laufen alle die hundert Faden von
den Stellungen seiner Bataillone an der Meeresküste zusam-
men. Hier sind seine Lazarette, Magazine und Werkstat-
ten. Auch die Wachen der Stadt sind von Marinern
besetzt, wie ein Spielzeug tragen die muskulösen Gestalten
der Posten ihr Gewehr über der Schulter, und ihr Prasentie-
ren klappt wie beim gewiegtesten Infanteristen. Das hat
nun allerdings der Posten, der oben auf der Höhe des
Belfriedes steht, nicht nötig, hat ja auch etwas Ernsthafteres
zu tun, als Ehrenbezeugungen zu machen. Ausguck soil er
halten nach feindlichen Fliegern, die sehr oft der alten
Stadt einen Besuch abstatten. Nicht nur in den Hauptver-
kehrstrassen, wo die Autos mit dem grossen M an der Stirne
an uns vorbeischnauben, auch in den stilleren Seitenstras-
sen herrscht militarisches Leben. Aus manchen Hausern
erschallt Gesang, Soldatenlieden An einem der malerischen
Brückchen reinigen einige Kulis ihre Broeken Ein
freundliches Bildchen konnte ich erhaschen. Ein Matrose
sitzt auf der Ufermauer eines Kanals und spielt auf seiner
Mundharmonika. Urn ihm herum ein paar Kinder, die ihm
zuhören. Jetzt hat er geendet, die Kinder sind ganz begei-
stert und nun betteln sie Als 't u belieft, als 't u belieft...
Gloria, Viktoria Und schon hebt er an das alte, so viei
gesungene Soldatenlied mit seinem neuen Schluss Ich
hatt' einen Kameraden... und die Vöglein im Walde... in der
Heimat, in der Heimat... Es hat den Belgiern wie kein
anderes gefallen, man kann es überall von den Kinder singen
horen, und auch die kleinen Brügger singen nun mit, so gut
esgeht. Hinter einem Fenster, aber nickt eine flandrische
Schone unserem Spielmann freundlich zu. Ob nicht ihr
allein dies Standchen galt Auch Landsturm liegt
in der Stadt zur Bewachung der Bahnen, und die Kasernen
sind mit Rekruten belegt. Gerade stromen aus dem Tore des
einen Depot wie man so schön deutsch sagt, die jun
gen Mannschaften heraus auf den gegenüberliegenden Stadt-
wall. Liegend, knieend, stehend machen sie korporalschafts-
weise Zielübungen über den alten, breiten Stadtgraben
hinüber, wo im jenseitigen Gemüsegarten eine Pappscheibe
mit dem bekannten schwarzen Kopf farbiger Englander
haben ihn die Soldaten getauft steht. Alles wie damals
bei uns vor zwanzig Jahren, nur dass jetzt mit ihnen der
heiligste Ernst über das Visier hin sieht.
Hinter den Pappelreihen vor der Stadt her zieht wohl
eine Abteilung zum Felddienst aus, nur aus weiter Ferne
horen wir noch ihren Marschgesang Wie ein stolzer
Adler schwingt sich auf das Lied Du deutsches Lied
Aus allen Stadten Flanderns steigst du nun jubelnd empor
und grüsst diese alt-deutschen Lande. Nein, Brügge ist
jetzt keine tote Stadt. Durch ihre Strassen dröhnt der
Hammerschlag der gewaltigen Zeit, die mit der Germanen-
faust ein neues Europa schmiedet.
Ich will mich nicht vermessen, Brügges Schönheit
schildern zu wollen. Man tritt hinein in die Gassen und
zögert. Wohin soil man sich wenden Wir wünschen uns
einen Führer. Aber schon hat uns der Zauber Brügges ge-
fasst und zieht uns vorwarts. Immer weiter gehen wir, von
einer Strasse in die andere, von einem Kanal zum anderen
gelockt, und finden kein Ende vor Freude und Staunen bis
wir die ganze Stadt durchwandert haben. Wie wunderbar,
unbeschreiblich schön ist sie doch überall. Zwar, wer nicht
zu sehen weiss, sieht nur kleine, schlicht getünchte, unmo-
derne Hauser mit ihren Treppengiebeln und das trage,
dunkle Wasser der Reyen (Binnenkanale), die von alten,
geschwungenen Steinbrücken überspannt sind. Er argert
sich vielleicht gar über das holprige Pflaster der Grachten
und betrachtet die malerischen, mittelalterlichen Tore als
unpraktische Verkehrshindernisse. Lassen wir ihn. In unse-
rer Seele hat sich das alles zusammengefügt zu köstlichen,
unvergesslichen Bildern. Wer möchte nun noch nach der
Fülle der grossen Bilder durch den Kleinkram der Museen
gehen. Aber zwei stille Orte ziehen uns noch an, die Grab-
kapelle in Notre-Dame, wo Karl der Kühne und seine hold-
selige Tochter Maria von Burgund ruhen wie stattlich
liegen sie in ihren Goldbronzekleidern auf dem Sockel vom
schwarzen Marmorund der Beginenhof. Ein köstliches
Friedensbild in dieser Kriegeszeit Ein weiter grüner Anger
beschattet von vielhundertjahrigen Linden und Ulmen, ein
paar Kühe weiden auf ihm. Ringsherum die bescheidenen
schlichten Hauschen der stillen Frauen, die hier lebensab-
gewandt ihre Tage in Gott beschliessen wollen. Mittendrin
ein Kirchlein. Aber der Krieg macht auch vor dieser Statte
nicht halt, der Donner der Kanonen dringt über ihre hohen
Mauern, und heute wieder konnten die Schwestern mit
zitterndem Herzen einem kriegerischen Schauspiel zu
sehen, das sich gerade über ihrem geweihten Bezirk abzu-
spielen schien. Ein feindlicher Flieger war erschienen und
wiegte sich spahend hoch in der Luft. Aber schon schleu-