Ein Sozialdemokrat beim Kaiser.
Es rauscht wie von Schleppen aus kerzenhellen
Weltfernen Schlössern Aus Marmorstallen
Kommt es wie Wiehern und Scharren von Hufen,
Walder rauschen, und Jagdhörner rufen,
Stimmen aus Thüringens Burgen und Buchen
Wen geht die fliehende Seele suchen
Der Hand des Prinzen entfallt der Stift
Und ein Blatt voll krauser, blutiger Schrift.
Was ist's, das ein Fürst im Tode begehrt
Was halt er der letzten Liebe wehrt
Der Adjutant streicht den Zettel glatt
Und liest auf dem Blatt
Ich will, dass mich keiner von hinnen tragt
Und den Fürsten zu fürstiichen Ahnen legt.
Nichts von Fürstengruft und Sarkophag
Hier sei meine Nacht Hier war mein Tag.
Hier lieg' ich mit tausend braven Soldaten,
Gönnt mir den Schlaf unter Kameraden
In das grosse, deutsche Soldatengrab
Senkt still mich zu den andern hinab
Hier bleib' ich Kam'rad unter Kameraden,
Ihr Herzog und Bruder von Gottes Gnaden
Sonst nichts weiter Nein, nichts als das.
Nichts von Liebe und nichts von Hass.
Was war's, das ein Fürst im Sterben begehrt
Wen halt er der letzten Liebe wert
Die Manner im Kreise rühren sich nicht.
Gottes Schatten fliegt über ein Heldengesicht
So starb Prinz Friedrich vom Stamme Wettin.
Jedes Soldatenherz ein Altar für ihn
Walter Flex.
Der badische Sozialdemokrat Anton
F e n d r i c h schildert in dem nachfolgenden Artikel, der
dem Büchlein des Verfassers Im Auto an der Front
(Franckh'sche Verlagshandlung in Stuttgart) entnommen ist,
eine Zusammenkunft mit dem Reichskanzler und mit dem
Kaiser.
Als ich in Flandern war, kam eines Tages ein Tele-
gramm an, das mich zurn Kanzier ins Grosse
Hauptquartier berief. Der erste Beamte des Reiches
hatte bei aller politischen Gegensatzlichkeit Gefallen an
einer Schrift von mir gefunden und mich schon in Berlin zu
einer Unterredung geladen. Nun wollte er von meinen
Eindrücken an der Front hören. Der Schnellzug brachte mich
in sieben Stunden ins Hauptquartier. In einem nicht zu
grossen Zimmer, geschmückt mit der unruhigen Fülle des
französischen Geschmacks, stand der Kanzier des Reichs,
gross und aufrecht und gab mir seine weiche starke Hand.
Es liegt ein demokratischer, fast altrömischer Zug in der
Tatsache, dass es jetzt nicht das überragende Genie eines
Einzelnen ist, die es schafft, sondern die strenge Tüchtigkeit
und die unerschütterliche Redlichkeit vieler. Und unter
diesen vielen ist der Kanzier der erste. Was ich mit dem
Kanzier geredet Ueber nichts, als über die Möglichkeiten,
wie nach dem Kriege bei aller Anerkennung der Notwendig-
keit und Selbstandigkeit der Parteien des Volkes Krafte doch
so gefasst werden können, dass aus der immer grosseren
Entfernung des zersetzenden Misstrauens die wachsende
Nahe schaffender und aufbauender Achtung wird. Ueber das,
was von ober her in Gesetzgebung und Handhabung des
Gesetzes geschehen muss, urn das Vertrauen in die Regierung
herzustellen, aber auch über den Wahnsinn, der darin
besteht, wenn die Besatzung eines gestrandeten Schiffes,
auf eine einsame Insel verschlagen, unter sich in Streit und
Zwiespalt und Feindschaft gerat.
Der Kanzier muss dem Kaiser von unserer Unterredung
erzahlt haben, denn am anderen Morgen, kurz vor 11 Uhr,
als ich eben meine sieben Sachen gepackt und noch die
alte Hauswirtin getröstet hatte, die seit Kriegsbeginn von
ihren zwei Söhnen, zwei jungen französischen Offizieren,
kein Wort mehr gehort hatte, kam eilig Legationsrat R. mit
der Nachricht, der Kaiser warte auf mich. Ich
solle nur gerade kommen, wie ich sei. Durch einen kleinen
Park wurde ich geführt, unterwegs von einem aus dem
Gebüsch tretenden Posten angehalten, aber auf einen Wink
des Adjutanten wieder weitergehen gelassen. Hinten auf
i einem freien Platz unter hohen Baumen sassen auf einer
Bank der Kaiser und der Kanzier. Als der Kaiser mich allein
aus dem Gebüsch treten sah, stand er auf und ging mir
entgegen. Frischer und herzlicher haben mir
auch die nachsten Freunde die Hand
nicht geschüttelt, als er bei dieser ersten
B e g e g n u n g. Bei aller achtungsvollen Distanz war vom
ersten Augenblick an ein ganz und gar freies Verhaltnis
von Mensch zu Mensch hergestellt, das kein langes Suchen
und Tasten nach dem Innern nötig machte. Der Kaiser
sprach gleich von meiner Kriegsschrift, die er mit Interesse
gelesen habe, und fragte mich dann, da er wohl den
Vorgang mit dem Posten bemerkt hatte, wer nach meinem
Dafürhalten ihn wohl hier in Feindesland als Schutzwache
persönlich umgebe. Ich wusste es natürlich nicht, und der
Kaiser hatte seine Freude daran, mir mitzuteilen, dass d i e
Besatzungstruppen der Stadt zurn gros
sen Teil aus Sozialdemokraten bestan
den. Ganz hervorragende Kerle seien es.
Wahrend dieser einleitenden Worte hatte ich Ge-
legenheit, den Mann und Fürsten, der im Mittelpunkt des
Weltkrieges steht, einmal frei und ruhig auf mich wirken
zu lassen. Ich schaute in ein paar hellblaue, blitzblanke
Augen, aus denen viel geschnrolzener Stahl herausleuchtete
sah in ein merkwürdig frisches, energisches Gesicht mit
keiner einzigen Falte ausser einem ganzen System von
Krahenfüssen urn die Augenwinkel und entdeckte aus dem
sorgenvollen Bilde, das man in den letzten Monaten überall
in den Schaufenstern sah, nichts als die ganz weiss ge-
wordenen Schlafen. Aber in dem straffen, elastischen Körper
mit den hohen gelben Reiterstiefeln und der einfachen
Litewka, die kein einziger Orden zierte, steckte viel dran-
gendes Leben, das sich auf irgendeine Art Luft machen
musste. Der Kaiser besitzt das Mitteilungsbedürfnis einer
Individuality, die starke lebendige Eindrücke von allen
Seiten erhalt und sie sofort verarbeitet. Ich habe nie im
Leben zwei Stunden lang einer solchen Fülle von Gedanken
und Anregung auf allen Gebieten standhalten müssen.
Aber dennoch wurde nichts gesprochen, was nicht in irgend-
einem Zusammenhang mit dem Krieg stand. D e r starkste
Eindruck, den ich vom Kaiser erhielt, war
der der völligen Auf r i chtigke i t seines
Friedenswillems bis zurn letzten Augenblick, der
zweitstarkste aber der seiner grossen Ent-
tauschung über seine VerwandteninEng-
land und Russian d, dieim Augenblick der höchsten
Gefahr versagt haben.
Kein Mensch wird annehmen, dass die Ansichten des
Kaisers mit denen des Mannes der Linken in allen Punkten
übereinstimmten. Aber einen ganz hellen Einklang gab es
in zwei Fallen. Das einemal, wo das Gesprach auf die