schallt durch die Stiile ihr Ruf Allgemeine Bewaffnung
von Belgien Die Vorhange an den Fenstern werden
zurückgezogen, man reisst Türen und Fenster auf, iiberall
lauscht man hinaus. Autos rasen heulend durch die Strassen,
von den umliegenden Dörfern bimmbummen die Sturm-
glocken. lm Schein der Gaslaternen sieht man Polizisten mit
grossen Drucksachen-Packen von Haus zu Haus eilen, sie
reissen an den Klingeln und schieben ein Papier unter die
Tür.
Der Morgen des 1. August findet sie noch unterwegs.
Wir vernehmen, dass man alle Jahresklassen schon bis ein-
schliesslich 1901 zu den Waffen ruft. Man fordert Autos und
Pferde für die Mobilisation. Es ist Sonnabend und Wochen-
markt, hier ist alles in Aufruhr. Man spannt den Bauern, die
mit ihren Wagen zum Markte kommen, die Pferde ab. Quer
iiber den Viehmarkt hat man ein Seil gezogen. Vor der
Schauburg (Theater) sammelt man die Pferde, ein Vieharzt
Motiv aus einer Stadt in Flandern.
F. Breest (im Felde).
untersucht und schatzt die Tiere ab.
Am Rathaus flattert die Nationalfahne. Vor dem Bahn-
hof ein erregter See von Menschen. Von iiberall her kommen
die Eingezogenen, sie haben ein Büchlein (Militarpass)
zwischen den Knöpfen ihres alten, zu eng gewordenen
Uniformrockes. Sie sind schweigsam und still und erwecken
Teilnahme bei der Menge. Man begreift, was es sagen will
Soldat sein. Einige gehen allein ein Packchen in der Hand,
die Pfeife zwischen den Zahnen. Die meisten aber sind
begleitet von Frauen und Kindern 'oder ihrer Braut, die
eine Reisetache tragen. Wehmut liegt urn ihren Mund.
Nun fahren nur noch Soldatenzüge, alles wird benötigt
Personen-, Luxus- und Giiterwagen, die man mit Sitzbrettern
versehen hat.
Die Pferde Musterung dauert den ganzen Tag iiber, der
Viehmarkt steht voll. Spat am Abend zieht ein langer Zug
von Pferden auf der Landstrasse nach Dendermonde zu.
Sonntag den 2. August. Man lebt in banger Erwartung.
Am Nachmittag hallt das Horn der Zeitungsverkaufer durch
die Strassen. Man liest die alarmierende Nachricht Die
Deutschen sind in Luxemburg eingefallen Belgien wird
also auch bedroht. Allerwiirts die grösste Spannung. Die
Biirgerwehr wird zu ihrem Dienst aufgerufen, sie muss von
nun ab den Bahnhof und die Eisenbahnbriicken in der ganzen
Umgegend Tag und Nacht bewachen. Auf dem Bahnhofs-
platz wimmelt es von Menschen, die begierig auf Neuigkei-
ten warten.
3. A u g u s t. Der Industrie droht eine unheilvolle Krise.
Die Fabriken stehen still, verdrossen und still Ziehen die
Arbeiter durch die Strassen. Einige unentbehrliche Nah-
rungsnrittel steigen unerhört im Preise, das erweckt viel
Unzufriedenheit. Man bestiirmt die Colonialwa-
enhandlungen, urn sich mit Proviant zu versehen.
Die Beangstigung in der Bevölkerung steigt. Wie
ein Donnerschlag trifft sie die neue Nachricht
Deutschland verlangt freien Durchgang durch
unser Land
Reisende aus Brüssel erzahlen, wie erbittert
die Einwohner der Hauptstadt auf die Preussen
seien. Ein deutsches Kaufhaus, das die deutsche
Flagge ausgesteckt habe, sei durch die Menge
gestiirmt worden. Auch bei uns gewinnt all-
mahlich ein warmes Vaterlandsgefühl Raum.
Es ist also wahr Belgien, dass seit 1830 so
ruhig lebte, wird mit hineingerissen werden in
den fürchterlichsten Krieg, von dem die Ge-
schichte erzahlen wird.
4. August. Die Nationalbank wird votn
frühen Morgen an durch eine Menschenmenge
belagert, die ihr Papiergeld gegen klingende
Miinze einwechseln will. Im ganzen Lande geht
das Geriicht herum, dass nun die 20 Frank-
Scheine keinen Wert mehr haben. Nun will je-
dermann die Scheine loswerden und so gewaltig
ist der Andrang vor der Bank, dass vier Mann
von der Biirgerwache mit aufgepfanztem Seiten-
gewehr die Ordnung aufrecht erhalten müssen.
Vielen dieser briefjes-mannen(Papiergeld-
Leute) sieht man den Schreck an, der ihnen ob
der falschen Kunde in die Glieder gefahren ist.
Gewissenlose Ausbeuter haben auch schon die
entstandene Panik sich zu Nutze gemacht und
dergleichen Scheine unter dem Preis aufgekauft.
Das Gericht macht mit ihnen kurzen Prozess.
Alan erzahlt sich, dass man von Liittich her
Kanonendonner gehort habe. Der Feind soli
schon vor den Forts liegen.
Gegen Abend erscheinen die hauptstadtischen Tage-
blatter, die Austrager werden am Bahnhof durch einen
Strom von Menschen überfailen. Die Zeitungen bringen eine
Schilderung iiber die grosse historische Kammersitzung, die
diesen Morgen in Briissel stattgefunden hat und bei der
auch der König und die Königin anwesend waren. Noch nie-
mals sah man in der Hauptstadt eine solche Begeisterung.
Die mannhafte Rede Alberts wird iiberall mit Stolz gelesen.
Grosse Bewegung herrscht iiberall. Es steht nun fest, dass
das belgische Grundgebiet durch die Uebermacht schon ver-
letzt worden ist und dass Belgien gegen ein Riesenland
kampfen muss, urn seine Freiheit zu verteidigen.
5. August. Allmahlich greift eine prachtige Aufwal-
lung von Vaterlandsliebe Platz. Am Bahnhof wird jedem
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