Relterfest beim Landstorm Bataillon I Essen
i. Zt. in Audenarde.
Deutschen kommen niclit. Gegen 10 Uhr ziehen die Gendar
men auf der Landstrasse nach Gent zu. Noch lange hört man
durch die Nachtstille das Klappern der Pferdehufe. Die
Nacht verlauft ruhig.
2 1. A u g u s t. Wieder zeigen sich deutsche Flieger
über der Stadt. Wo sind die deutschen Truppen Ein Burger
von Aalst, der von Brussel zu Fuss kommt, der Zugver-
kehr nach dorthin ist schon unterbrochen erzahlt, dass
der nachtliche Durchzug der Preussen durch die Hauptstadt
stundenlang gedauert hat. Man schatzt ihre Zahl auf mehr
als eine halbe Million; es scheint, dass sie in der Richtung
auf Ninove und Geeraardsbergen marschieren. Man weiss
auch zu erzahlen, dass die Ulanen so heissen die beriich-
tigten deutschen Vorposten, die in der Bevölkerung in Wa
lenland und Kempen soviel Schrecken erweckten einen
Ueberfall auf den Bahnhof in M2£I£e'' wo sie die Kasse
plünderten und die Telegraphendrahte durchschnitten, aus-
geführt hatten. Hierdurch gewarnt, werden ohne Verzug auf
unserem Bahnhof alle Büros geschlossen und die Züge nach
Dendermonde und Gent hin abgeschoben.
Gegen 9 Uhr betreten dann die ersten Deutschen unsere
§tadt. Es sind sechs Ulanen, die von Mijlbeke her über die
St. Annabrücke angeritten kommen. Hunderte von Neugie-
rigen stehn an derStrasse, einer der Stadt-Schöffen geleitet
sie. Die sechs Reiter werfen argwöhnische Blicke über die
Volksmenge und wahrend sie mit der einen Hand die Zügel
festhalten, haben sie die andere an dem Hahn ihrer Revolver.
Als sie aber vernehmen, dass alle Bürger in der Stadt ent-
waffnet sind und die friedliche Haltung der Bevölkerung
bemerken, scheinen sie zufrieden gestellt zu sein, doch ihr
Revolver kommt nicht aus der Faust.
Am Rathaus (Landhaus) angekommen, wo die stadtische
Obrigkeit sie erwartet, gehen zwei hinein, die vier anderen
halten Wache vor dem Eingang, immer mit der Waffe in der
Hand. Einer der Eingetretenen, der einen gewissen Grad
bekleiden muss, spricht fliessend französisch. Er lasst sich
den Inhalt der Stadtkasse ungefahr 600 Fr. aushandi-
gen und sieht die Rechnungsbücher nach. Als ihm die Ver-
sicherung gegeben worden ist, dass der Durchzug der deut
schen Truppen ganz ungehindert geschehen kann, verburgt
er die Sicherheit der Einwohner. Andernfallsund seine
Sprache wurde drohend. Dann reiten die Sechs, von dem
Schöffen geleitet, fort. Immer noch halten sie ihren Revolver
auf das Volk gerichtet. Allgemein wurde bemerkt, dass sie
prachtige Tiere haben und aussergewöhnllch schneidig im
Sattel sitzen.
Am Nachmittag und in der Dammerung reiten dann
verschiedene deutsche Trupps durch die Stadt nach Ninove
zu. Manner, Frauen und Kinder umdrangen sie und scheinen
sich nicht im mindesten zu fürchten.
Man hört auch von den Heldentaten die die Ulanen
in der Umgegend verrichteten. In Denderleeuw sprengten
sie das Weischenstellerhaus, zwischen Heckelgem und
Assche zerstörten sie die Kleinbahnlinie mit Dynamit. In
Lede schoss ein Deutscher auf drei Radfahrer, die trotz
seines Befehls weiter fuhren, einer von ihnen wurde getötet,
die beiden anderen verwundet. Auch auf einigen anderen
Piatzen hielt man Radfahrer an, schnitt die Reifen durch
oder nahm die Rader mit. Sie scheinen alle diese Leute als
Spione anzusehen.
Die Abendblatter bringen die Bestatigung, dass der
grosse PapstBiusJL_geMorben ist. Er starb Mittwoch Nacht,
mitten in dem grausigen Krieg, der ganz Europa durchwütel
und der allgemein als die Ursache seines Todes angesehen
wird. s
Der Erfolg hat's gezeigt, dass der Stabsarzt
Dr. Heinsberg sich ausserordentliche Mühe gegeben hatte,
urn mit dem Pferdematerial des Landsturm-Bataillons
sowohl, als auch mit den Reitern das fertig zu bringen, was
er der staunenden Menge von einigen hundert Personen vor-
führte. Leider stand der Beginn des Festes vollkommen im
Zeichen des Regens. Wahrend morgens prachtvolles Wetter
war, zog sich der Himmel bis 5 Uhr schwarz zusammen und
ergosssichin seiner ganzen Fülle über unsere schön mit
Blumen geschmückte Reitbahn. Aber wir hatten alles fertig,
die Pferde gesattelt, die Herren mit Bandern in einzelnen
Landesfarben geschmückt, und so begannen wir gegen
6 Uhr, als sich der Himmel doch bei unserem hartnackigen
Warten entschloss, uns die Abhaltung des Festes zu ermög-
lichen. Also Trompetensignal, dann Musik und herange-
ritten kommen Zehn Reiter in guter Haltung und mit ver-
gnügten Gesichtern zum Aufmarsch, der im Schritt geritten
wurde. Einer der Reiter hielt einen kurzen Prolog, dessen
Inhalt auf gut Wetter gestimmt war, als sich eine Wolke
entlud und uns den ersten Segen gab. Dies konnte uns
nicht verdriessen, denn nach kurzer Pause ritten 10 Burschen
auf den Pferden der ersten Nummer zum Burschenreigen,
der schlank und gut geritten wurde. Nun kam der Stabsarzt
in einer ausgezeichneten Dressurnummer Reitfahrschule
Das war er selbst, reitend auf seinem Fuchs und vor sich an
langem Zügel einen Apfelschimmel führend. In schonen Fi
guren und Zirkeln gingen die beiden Pferde, als ob sie nie
etwas anderes getan hatten. Dann ritt er noch allein mit
seinem Pferd, als Unterabteil dieser Nummer,die hohe Schule.
Er erntete reichen und verdienten Beifall, es war ein schwe-
res Stück Arbeit, was er damit beendigte. Wieder Trompe
tensignal und es erschienen 4 Offiziere zum Herrenreigen,
der ebenfalls, glatt und schön geritten, reichen Beifall fand.
Ulkig waren die dann folgenden Reiterspiele, von den Bur
schen vorgeführt, und zwar so Nach dem Einmarsch in die
Bahn in eine Linie aufgestellt, mussten alle absatteln, den
Sattel auf die Bande der Bahn legen, dann mit dem Pferd
an das andere Ende der Bahn laufen, sich aus einem Fass
Wasser ein Geldstück holen, wieder zurück zum Sattel
gehen, aufsatteln, aufsitzen, dann im Trabe urn die ganze
Bahn zum Preisrichter reiten. Dabei spielten sich allerhand
Scenen ab, z. B. wenn in der Eile beim Aufsatteln der Bauch-
gurt nicht fest angezogen war, rutschte der ganze Sattel
schon beim Aufsitzen, oder der Mann rutschte beim Reiten
mit dem Sattel in den Sand. Ein anderes Spiel war: jeder
erhielt ein Glas Wasser und musste mit demselben, dreimal
urn die Bahn reitend, jedesmal über eine Hürde springen
wer zum Schluss das meiste Wasser im Glas hatte, war
Sieger. Auch hier wurden die Lachmuskeln haufig in Tatig-
keit gesetzt, und die Zuschauer geizten nicht mit Hande-
klatschen. Recht schön war Dr. Heinsbergs folgende Num
mer Tandemfahren in einem mit Liebe und Sorgfalt von
2 Offizieren geschmückten Dogkart. Auch hier sah man, mit
welchem Fleiss Dr. Heinsberg die Fahrten eingeübt hatte,
für welche er uneingeschranktes Lob erntete. Die nachste
Nummer bestand aus einem Schleifenraub in welchem
ein Wehrmann (im burgerlichen Beruf Trainer) das Pferd
eines Essener Besitzers, d. h. vor dem Kriege, ritt mit einer
an der Schulter befestigten Schleife, die nun von einem der
beiden Offiziere abzureissen versucht werden musste. Ein
nicht leichtes Stück Arbeit für die beiden Herren einem auf
seinem Pferde wie angewachsen sitzenden Berufsreiter ge-
genüber. Endlich gelang es, den Fliehenden zu stellen und