Plaudereien aus Belgien.
Lied aber wird seinen Namen forttragen durch alle Zeiten,
solange man noch von diesem grossen Völkerringen singen
und sagen wird.
Und würde mich nun jemand fragen, welchem von den
vielen Landsturmliedern ich den Preis zuerkennen würde,
so würde ich ihn den schlichten Strophen Ludwig Thomas
geben.
Landsturmmanns Abschied.
3. Ein Gang durch die Strassen einer Mittelstadt.
i Den Schairfenstern sieht man's eigentlich nicht an, dass
Krieg im Lande ist, sie sind wohlgefüllt und selbst die schön-
sten Leckerbissen fehlen nicht. Aber alles ist furchtbar. teuer
geworden und wird immer teurer, nur das Brot macht dank
der grosser gewordenen Mehleinfuhr eine Ausnahme und
kostet jetzt nur noch 32 Pfg für 1 kg. Auch gibt es wieder
das lange und schmerzlich entbehrte Weissbrot. Die Kauf-
kraft des Publikums jedoch ist gelahmt und selbst jetzt, kurz
vor dem St. Martinstage, dem Bescheerungstag für die
Aalster Kinder, sind die Laden schwach besucht.
Ja, es ist Krieg Woher soli auch das Geld kommen,
wenn Handel und Industrie brach liegen, wenn von Zehn-
tausenden nur ein paar Hundert Arbeit finden können. Siehst
du vor dem Belfried und ebenso an anderen Stellen der
Stadt die geduldig wartende Menge Manner, Frauen und
Kinder mit irgendeinem Gefass in der Hand Sie holen für
sich und ihre Familie die tagliche Suppen- und Brotration,
ohne die sie verhungern würden. Wieviele bleiche abge-
harmte Gesichter sind unter ihnen. Nun steht der Winter vor
der Türe und da fehlts wieder an Kohlen und warmender
Kleidung.
Es ist Krieg. An allen Ecken sind die grossen verschie-
den-farbigen Bekanntmachungen des Gouvernements, der
Etappe und Kommandantur angeheftet. Die Literatur an der
Mauer, die meistens in drei Sprachen (deutsch, vlamisch und
französisch) abgefasst, den Willen und die Gebote der
deutschen Obrigkeit verkündet. Kriegsdepeschen sind bei
uns schon langst nicht mehr angeschlagen, es hat ja auch
wirklich keinen Zweck. Man drangt sich vor einem frischen
Zettel. Was gibt's denn Wieder Verurteilungen zum Tode
und langjahriger Zuchthausstrafe wegen Spionage und An-
schlage gegen die Sicherheit des deutschen Heeres. Und
wieder sind leider Frauen dabei. Aber das strenge Kriegsge-
setz kann und darf keine Rücksichtsnahme kennen.
Wer es hören will, kann es nun mal wieder hören
die Deutschen sind doch Barbaren. Eine Frau, die
zum Tode verurteilt war, ist schwer krank gewesen, so
krank, dass sie nicht stehen konnte, sondern kraftlos
auf der Erde lag. Wie einen Hund ich ware schon
nicht mehr unter den Lebenden, wenn die zornflammen-
den Augen der Frau (natürlich war es eine Frau, die mir
daserzahlte) Degenklingen gewesen waren wie einen
Hund hat man sie erschossen. Nun meinst du, ich ware ent-
rüstet aufgefahren Fallt mir gar nicht ein, man weiss doch
allmahlich, in welcher torheitsschwangeren Luft man in
Belgien lebt. Madame, als 't u belieft nog een pintje
(Glas) denn das habe ich vergessen zu erwahnen, ich war
inzwischen in ein Estaminet eingetreten.
Man braucht danach nicht lange zu suchen, jedes dritte
Haus ist sicher eins. Sie führen oft die tollsten Namen In
den ouden Os (Zum alten Ochsen), In den Schaapstal
(Zum Schafstall) Het einde der Wereld (Das Ende der
Welt), In den manken Haan (Zum lahmen Hahn) u. s. f.
An das Bier hat man sich nun so langsam in der Ausü-
bung seiner langmonatigen Okkupationstatigkeit gewöhnt
und findet das sogenannte Bockbier, für 15 Centimen das
Glas, sogar ganz schmackhaft. Auf Comfort darfst du natür
lich in diesen Kneipen keinen Anspruch machen, ein paar
Tische und ein paar Stühle oder Banke, das ist alles. Aber
sauber ist es schon, und für die Raucher bezw. Spucker steht
ein Napf unter jedem Tisch, und um jedem Tisch ist auf dem
Boden ein Streifen von Sand gezogen wenn mal einer vor-
beitreffen sollte. Einen besonderen Eingang kennen die we-
nigsten Hauser, alles, was hinaus- oder hineinmuss geht
durch den Laden oder die Wirtsstube. Denn die Hauser sind
schmal und stossen unmittelbar aneinander. Jeder möchte
sein Haus für sich haben, aber auch nicht zu teuer wohnen,
und so baut er denn möglichst eng und hoch. Die kleinen
Höfe dahinter sind von 4-5 m hohen Mauern umzogen, so
dass niemand hineinsehen kann. Diese wenig hygiënische
Bauweise ist auch gefördert worden durch eine Steuer, die
nach der Zahl der Fenster bemessen wird. Selbstverstand-
lich sind nun auch, wo der Raum aufs knappste berechnet
ist, die Treppen lebensgefahrlich steil. Das findet man aber
auch in herrschaftlichen Hausern, von denen ich hier natür
lich sonst nicht spreche.
Wir gehen an den Hausern entlang. Für allzuviel Licht
im Zimmer scheint die belgische Hausfrau nicht zu schwar-
men. Die Fenster sind mit Gardinen dicht verhangt oder die
Rollvorhange tief heruntergelassen. Diese Vorhange haben
namlich meist, auch in Arbeiterkreisen, schone Spitzen und
Bordüren, die der Vorübergehende am besten sehen kann,
wenn sie etwa in Augenhöhe für ihn hangen. Und das ist
doch viel wichtiger, als dass Licht in die Stube kommt. Auf
das Fensterbrett stellt man dann auch stets zur Schau, was
man an Kunstwerken im Hause hat. Immer und immer
wieder kehren ein Porzellan-Schwan in fast natürlicher
Grosse, die halbmeterhohe Nippfigur eines rauchenden
Knaben comme le papa oder vier auf einer Bank sit-
zende lustige Musikanten wieder und verwehren dem biss-
chen Sonne ganz den Eingang.
Drüben am Wiesenrand
Hoeken zwei Dohlen
Fall ich am Donaustrand
Sterb ich in Polen
Was liej;t daran
Eh sic meine Seele holen,
Kampt' ich als Reitersmann.
Drüben am Ackerrain
Schreien zwei Raben
Werd ich der erste sein,
Den sie begraben
Was ist dabei
Viel hunderttausend traben
In Oesterreichs Reiterei.
Drüben im Abendrot
Fliegen zwei Krahen
Warm kommt der Schnitter Tod,
Um uns zu mahen
Es ist nicht schad 1
Seh ich nur unsre Fahnen wehen
Auf Belgerad
Gib mir den lezten Kuss
Was wir einander waren,
Wir haben's recht erfahren,
Weil ich nun scheiden muss.
Doch, Mutter, wenn ich geh',
Solist du nicht drum verzagen,
Solist es wie andre tragen,
Dein Weinen tut mir weh.
So denke du daran
Müsst ich mein armes Leben
Der lieben Heimat geben,
Ist's auch lür dich getan.
S.