Kriegsbilder.
Gents Kunst= und Baudenkmaler.
wolle uns auch ferner in Gnaden beistehen und das mit
seinen Fiirsten und freien Stadten in Einmütigkeit und
Opfermut unerschfitterlich zusammenstehende deutsche Volk
gelautert und gefestigt durch die trüben Tage der schweren
Heimsuchung hindurchfiihren zum bellen Sonnenlicht des
Friedens und zu neuem kraftvollen Wirken auf der ihm von
der göttlichen Vorsehung gewiesenen Bahn Das ist es,
wofür unsere Helden gestorben sind. In diesem Geiste wollen
wirihr Vermachtnis in Ehren halten. Dann wird das Geden
ken an sie zugleich ein Segen für die Lebenden sein.
Das ist der Sinn von diesem grossen Sterben
Die Toten wollen würdige Erben,
Dass sie vergebens nicht gestorben sind.
Militarpfarrer Przibilla, Aalst.
KRIEOSSPRUCH.
Je mehr der Stahl geglutet,
]e besser ist das Schwert.
|e mehr ein Herz geblutet,
Je grosser ist sein Wert.
Peter Rosegger.
Also sollt ihr opfern
Ich rede in Düsseldorf. Die Menschen bezahlen ihr Ein-
trittsgeld zum Zweck der Kriegsfiirsorge. Da kommt auch
eine Arbeiterin und erlegt ihre 20 Pfennig wie jede andere,
und schon greift der Kassierer zu den anderen Groschen, die
eingezahlt werden. Da legt sie stillschweigend einen zu-
sammengefalteten Briefumschlag auf den Teller und geht
lautlos weg, in den Saal.
Die etwas unsaubere Hiille hebe ich mir unter meinen
Kostbarkeiten auf. Es standen in unbeholfenen Schriftzügen
darauf: „Für unsere Krieger eine Arbeiterin." Drinnen lagen
ein Fünzigmarkschein, zwei Zwanzigmarkscheine und fünf
Zweimarkstücke, macht zusammen: Einhundert Mark.
Lies es noch einmal, lieber FreundMeine Hand zittert, so
schwer wiegt das leichte Papier, Einhundert Mark was
mag die Frau davon erwartet und getraumt haben? Sie gab
es sicher nicht vom Ueberfluss,sondern sie tat sich weh und
gab, was sie hatte.
Aber nicht einmal die Höhe der Summe ist das Grösste.
Welche Feinheit liegt in der Art des Opfers! Sie kommt, gibt
und geht weg. Niemand kennt sie. Keine Hausnummer ver
rat ihre Wohnung, keine Aufschrift ihre Herkunft. Das ist
Würde. Man wird andiichtig, wenn man ein solches Blatt
Papier in die Hand nimmt und schamt sich seiner Klein-
glaubigkeit und seines Misstrauen.
Wieviel sind iin Saai, die sich mit dieser Ungenannten
vergleichen können? Vielleicht ist es dort die Frau, die du
garnicht beachtet hattest. Vielleicht ist sie schon wieder fort-
gegangen. Die linke Hand hat nicht gewusst, was die rechte
tat. Ich freue mich dieses seelischen Anstandes aus tiefstem
Herzensgrund. Ein Volk, das solche Frauen zahlt, geht nicht
unter! Traub.
lm Vorübergehen.
Der Tiergarten steht in bunter Herbstpracht. Unter den
Spaziergangern schreiten schwer und still Verwundete, den
sonnevollen Nachmittag im Freien zu geniessen. Auf dem
Wege, den ich entlang gehe, wird mir ein Krankenstuhl ent-
gegengefahren. In die Kissen lehnt sich ein junger, bleicher
Offizier. Seine Brust schmücken zwei Eiserne Kreuze. Die
blassen, schmalen Hande haben sich ineinander gefaltet, und
man sieht dem Schwerverwundeten an, wie er mit tiefen
Ziigen dankbar die milde Luft des Parkes einatmet. Vor-
sichtig fahrt der Bursche den leichten Wagen, urn seinem
Herrn Schmerzen zu ersparen. Traumverloren blieken die
hellen, blauen Augen des Offiziers hinauf in die Baumwipfel,
diese Augen, die vielleicht das Grausigste in der Schlacht ge-
schaut haben. Der da im Wagen hilflos sitzt, ist ein Held,
der auch für mich, der nicht hinausziehen konnte, und der
für meine Lieben geblutet hat. Ich ziehe in tiefer Ehrfurcht
meinen Hut. Erstaunt blickt der Verwundete zu mir auf.
Dann aber geht ein Leuchten über seine Züge. Stumm reicht
er mir beide Hande, und sie fassen meine Rechte. Wir
kennen uns nicht und sagen uns nichts. Der Druck unserer
Hande spricht, und unsere Augen sagen einander viel, viel.
„Ja, Bruder, hab' Dank!" spricht meine Seele.
Der Wagen fahrt still seinen Weg weiter. Reinh Braun.
(Zu unserer Beilage).
Nun beginnen die zahllosen Blumenziichtereien, in
deren Mitte Gent und seine Industrie gebettet liegen. Den
Genter Kanal entlang geht die Fahrt, vorbei an der melan-
cholischen Schönheit verlassener Landhauser, durch lar-
mende Vorstadtstrassen, bis zu dem gewaltigsten Stadtebild,
das es für mein Empfinden gibtüber die Scheldebrücke den
Aufftieg zum Sankt-Bavo-Platz. Das ist ein solcher Triumph
freier Stadtherrlichkeit, wie man ihn sonst nirgends erleben
kann, diese Folge und Steigerung der vier Türme, die hier
für Gott und Gent zeugen und trotzen. Erst Sankt Michael
mit dem Prunk der französischen Gotik, dann Sankt Niko-
laus, uralt, mit Wunden und Narben bedeckt, dann der Bel-
fried, in dem einst die Sturmglocke Roland hing, und wie
ein granitenes Gebirge zum Schluss Sankt Bavo! Man glaubt
und man weiss, dass eine Stadt nie vergehen konnte, durch
deren Herz diese gottgeweihte Vierzahl ragt Heute sind die
Strassen voll deutscher Soldaten, sie stehen vor dem Van-
Eyk-Denkmal, das in dieser vornehmen Stadt wie eine pein-
üche Erinnerung an Brüsse! wirkt, sie kommen aus den zahl-
reichen Bureaus der Etappe, die hier ihren Hauptsitz hat.
Ulrich Rauscher
Belgien heute und morgen
In seinen Architekturen bietet zumal Gent so unmittel-
bar, wie es nur sein kann, seine örtliche wie seine typische
Geschichte. Die wuchtig gehauften Mauern, Türme und
Zinnen des Grafensteins, den noch heute das Wasser des
alten Trutzgrabens berührt, sind das offenbare Zentrum der
Gewaltherrschaft alter Feudalgrafen von Flandern über das
emporstrebende bürgerliche Gemeinwesen. Das Grafen-
schloss ist das eindringlichste Zeichen adliger Grundherr-
schaft in den Stadten des frühen Mittelalters. In Sankt Bavo
und in der kastellartigen Gotik der schwarzlichen Nikolaus-
kirche, die in ihrem Verfall reizend ist, schuf der machtige
Genter Klerus die Denkmale seiner Blütezeit, die im Altar-
werk der Brüder Eyck ihren kostbaren Abschluss fand. Aber
die prachtigen Gildenhauser am Gemüsekai, die schonen
Patrizierhauser am Platz der heiligen Pharailde, das schwel-
gerische Flamboyant des alteren Rathauses, die schwerflüs-
sige und dunkle Renaissance des jüngeren und der hohe Bel-
fried mit der Tuchhalle sind Zeugnisse einer dritten Gesell-
schaftZeugnisse der entwickeiten Genter Bürgerlichkeit
vom spaten Mittelalter. Kaum irgendwo hat die Entwicklung
einer mittelalterlichen Stadt scharfere Beispiele geschaffen.
Sind sie typisch, so sind sie eben doch in Gent unvergleich-