EINE WACHPARADE IN GENT Vorwarts mm Flucht und Rückkehr. d4˧ V' Klingling, bumbum und tschingdada, Zieht im Triumph der Perserschah Und um die Ecke brausend bricht's Wie Tubaton des Weltgerichts, Voran der Schellentrager. So beginnt der Lyriker Detlev von Liliencron sein bekanntes Gedicht Die Musik kommt bei dessen Abfassung ihm sicher das Aufziehen einer deutschen Wachpa- raite in leuchtenden Farben vorschwebte, das er in so pak- kender Weise wieder- gegeben hat. Eine deutscheWachparade! Wie glanzen da die Augen unserer Jungen und Madel, wie füllt sie mit Begeisterung die Herzen deutscher Manner und Frauen. Und nun erst eine Wachparade in Fein- desland Der dritten und vierten Kompa- nie des Landsturm-Bataillons Hersteld ist es vergönnt, abwechselnd mit den Kameraden vom Dortmunder Bataillon jeden vierten Tag in gegenseitigem Wechsel in dem okku- pierten Gent die Freude eines solchen Aufziehens zu geniessen. Es ist ll*5 vormittags, da Ziehen sie schon an die Kolonnen der 4. Kompanie, um sich mit denen der 3. bei der alten Universiiat, dem Kasernement der letzteren, zu vereini- gen. Die alten und beim Parademarsch doch so jungen Landstiirmer entfernen von ihrem Anzug die letzte Unregelmassigkeit, die vielleicht darin besteht, dass an der linken oder rechten Rocktasche noch der bewusste Knopt often ist, denn sonst ist seitens der Wachhabenden bereits alles nachgesehen. Nach den üblichen Meldungen an die aufführenden Offiziere, dass alles in Ordnung sei, kommt von diesen, denen man im Vorgefühl des Genusses, gerade solche Kerls anführen zu dürfen, die Freude am Ganzen ansieht, der BefehlStillgestanden das Gewehr über mit Gruppen rechts schwenkt... marsch Die Musik setzt nach kurzer Intonierung des Trommlerkorps ein, und die etwa 360 Mann starke Wache setzt sich durch die von der Bevöl- kerung dichtbesetzten Strassen in Bewegung nach dem Kouter, wo wiederum eine grosse Menge des glanzen- den Schauspiels harrt. Wenn auch die Aussicht, einmal wie der vier Tage Wache schieben zu mussen, an sich fur den Mann nichts Verlockendes haben dürfte, besonders bei dem uns sattsam bekannten nasskalten Wetter in Flandern, so ist sich doch jeder seines für diesen Fall grossen Einzel- wertes bewusst, zumal es gerade bei einer derartigen offi- ziellen Gelegenheit gilt, unseren Feinden zu zeigen Hier ist deutscher Schneid, Zuck, Disciplin, kurzum alles verkörpert, was zu den herrlichen Erfolgen dieses Krieges beigetragen hat. Jede Sehne angespannt, jeder Mann bis in die Fussspit- zen hinein Soldat. Nachdem die Paradeaufstellung einge- nommen und seitens des abnehmenden Stabsoffiziers oder diensttuenden Hauptmanns unter prasentiertem Gewehr die Vergatterung vollzogen ist, setzen sich die Kolonnen auf das Kommando Wachparade, marsch in Bewegung und im strammen Schritt, als wenn es nicht 40 jahrige Fami- lienvater, sondern 20 jahrige Aktive waren, geht es an dem Kommandierenden, an den Mund und Nase aufsperrenden belgischen Zuschauern vorbei. Bei diesem Anblick dammert ihnen doch wohl so langsam die Erkenntnis, wodurch wir unsere grossen Erfolge erreicht haben, namlich durch den Geistder unsere Soldaten beseelt, vorallem durch den Geist der Disciplin, den sie hier bei diesem glanzenden militari- schen Schauspiel so recht in die Erscheinung treten sehen. Die Parade ist beendigt die schaulustige Menge zerstreut sich, in der Ferne verhallen der Schritt der Wache und die Weisen der Musik Tsching bum, tsching bum, tsching- tsching tara... Weber, Vzfw Landst. Batl. Hersteld III. Comp. Wir traumen nicht von raschem Sieg, von leichten Ruhmeszügen, ein Weltgericht ist dieser Krieg, und stark der Geist der Lügen. Doch, der einst unsrer Vater Burg, getrost, er führt auch uns hindurch Vorwarts Blatter aus der Kriegsgeschichte der Stadt Aalst. 3. Rückkehr. Die Hauptmasse der Fluchtlinge wandte sich nach Gent. Hier, wo schon zahlreiche Leidensgenosscn ausMecheln und Dendermonde eine Zuflucht gesucht hatten, tanden sie bei Verwandten und Bekannten oder in den Hotels eine freund- liche Aufnahme. Die Menge der Mittellosen wurde in den urm Emanuel Geibel.

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Landsturm | 1915 | | pagina 3