Landsturmmanns Weihnachten.
viel, liebe Kameraden, zu unserm zweiten Kriegsweihnach-
ten dem dies, dem andern jenes.
Wir werden Mühe haben, ganz unsere Wehmut und
Trauer zu überwinden, aber sie sollen nicht starker sein als
wir. Sie sollen uns unser Kriegsweihnachten nicht verleiden.
Unter dem Weihnachtsbaum darf es keine Kopfhanger geben.
Da strahlen doch Lichter. Da ertönt süsse Friedensmusik.
Da singts und klingts aus einer besseren Welt zu uns hernie-
der auf diese kalte, finstere Erde. Da wird das Herz so weit,
so still und ruhig, so froh und friedlich. Da fühlen wir uns
noch einmal so eng und fest aneinandergeschlossen. Da fallt
ein strahlendes Licht auf unsere jetzige Lebensgemeinschaft.
Da verstellen wir noch viel besser als bisher den Sinn des
Soldatenliedes Ich hatt' einen Kameraden, einen besseren
findst Du nit. Unser Waffenbruder, unser guter Kamerad,
das ist ja jetzt der Ersatz für unsere liebe Familie daheim.
Mit ihm haben wir Leid und Freud in harten, langen Kriegs-
monaten brüderlich getragen. Ihm schauen wir treu in die
Augen, wenn die Lichter brennen, als wollten wir von neuem
uns gegenseitig geloben „Wir halten aus im Sturmgebraus."
Mogen die Feinde toben, wir sind brüderlich zusammen-
gekittet auf Tod und Leben. Wie wunderbar erfrischt uns
da die alte Weihnachtsbotschaft von dem grossen Bruder,
der auf die Erde kam im Stalle zu Bethlehem, um in einem
kampf- und drangsalreichen Leben mit seinen Menschen-
brüdern und Schwestern das harte Erdendasein zu teilen,
um ihnen aber auch den Weg zu zeigen, wie man treu vor
Gott und Menschen erfunden wird, wie man ritterlich kampft
gegen das eigene sündige Fleisch und Blut, wie man auch
nicht erzittert vor dem letzten Feinde, wie man selig sterben
kann. Ach, die Herzensfreude zur Weihnacht ist ja so ver-
standlich, weil der Stern von Bethlehem hinein leuchtet in
alle Lebenstiefen, Lebensharten und Lebensratsel, auch in
das finstere Grauen des jetzigen Weltkrieges mit seinem
unendlichen Jammer und Herzeleid. Auch die teuren Helden-
graber und Totengrüfte liegen im himmlischen Glanz der
Weihnachtssonne. Wir glauben fest, dass unsere geliebten
Geopferten in Christo nicht verloren sind. Dieser starke
Weihnachtsglaube soil lindern und trosten, wo es ein dunkles
Kriegsweihnachten gibt in Herzen und Hausern.
Gott deckt uns seinen Bescherungstisch mit seinen
freundlichen Liebesgaben, als da sind Glaube, Freude, Friede
Geduld, Trost, Ergebung, Zuversicht, Hoffnung, Mannesmut,
neue Treue, neuen Opfersinn. Ueber allem aber gehe auf der
Stern der Liebe, die sich in Jesu offenbart, Liebe in kleinen
und grossen Dingen, Liebe, die mit schlichter Gabe Freude
bereitet den Kameraden,Liebe, die ihre Faden spinnt unsicht-
bar nach der fernen Heimat, wo wir unser Teuerstes, Weib
und Kind, Vater und Mutter, in Sicherheit vor unsern hoch-
mütigen Feinden geborgen wissen, weil die deutsche Eisen-
faust den Gegner tief im eigenen Land niederhalt, Liebe zu
unserm Vaterland, das wir weiter beschirmen wollen mit
unsern besten Kraften, Liebe zu unserm Gott, dessen gnadige
Führung wir so herrlich und wunderbar erfahren haben. So
kann keiner von uns sagen, dies zweite Kriegsweihnachten
raubt uns unsere Lebensfreude, sondern es beschenkt uns
reichlich, findet uns zwar ernster, stiller und nachdenklicher
als sonst, aber nicht verzagt und mutlos, sondern zuversicht-
lich und voll gerechter, stolzer Hoffnung für unsere deutsche
Sache in der weiten Welt.
Darum, Kameraden, wenn's weihnachtlich um Euch her
dunkelt und dammert, wenn die Lichter aufblitzen, sei es
auch am verstecktesten Ort auf den weiten Kriegsfeldern,
wenn Ihr naher aneinander rückt in traulicher Runde, wenn
die alten, lieben Weilmachtslieder euch wie ein sanfter
Trauin umgeben, dann dankt es Eurem Gott, dass er Euch
dies zweite Kriegsweihnachten erleben lasst mit seiner
heiligen Weihe, mit seinem tiefen Ernst, begrüsst das Fest
mit der Losung Gesegnet seist Du mir Es quille aus
Herzenstiefen hervor O Du fröhliche, o Du selige, gnaden-
bringende Weihnachtszeit 1
H. Ehrhardt,
Etappenpharrer, Aalst.
Eine Erinnerung an den Weihnachtsabend 1914.
Heiligabend 1 Wie still ist es auf dem Posten am Ein-
gang des Tunnels. Eben fuhr der letzte Zug aus dem dunklen
Loch heraus, von fernher leuchten seine Lichter zurück und
noch hort man leise das Rollen der Rader. Jetzt verstarkt es
sich, der Zug fahrt über die Denderbrücke, und dann wird es
schwacher und schwacher. Wie still ist es am Tunnel und
wie dunkel schon. Hier in dem tiefen Bergeinschnitt hat die
Nacht schon festen Fuss gefasst, wahrend sie da unten im
Tale noch kampft mit der letzten Nachhut des fliehenden
Tages. Eine Elster überfliegt in stufenartig sich senkendem
Fluge die Geleise. Es raschelt im Laub am Hange, der Posten
lauscht, dann geht er wieder ruhig weiter auf und ab von
seinem Schilderhaus bis zum Tunneleingang. Es sind wohl
die Kaninchen gewesen, die heute dort im Sonnenschein
spielten. Wie kalt strömt ihm aus dem Schlunde der Atem
des Berges entgegen.lm Tunnel rauscht und fliesst und tropft
es unaufhörlich, wie wenn müde Soldaten in endlosem Zuge
durch die Strassen marschieren. Das Wasser traufelt von
der Wölbung herab, es lauft an den moosigen Wanden
herunter und sammelt sich zu einem kleinen Bache, der
munter am Bahndamm entlang dem Tale zu springt. Wenn
es heller ware, könnte man das Mühlenradchen sehen, das
ihm als Spielzeug einer der Landstürmer in den Weg gestellt
hat. Alle haben gelachelt, als er das Radchen schnitzte und
aufbaute und taten, als ob sie mit ihren vierzig Jahren
hocherhaben über solch Kinderwerk seien.Aber merkwürdig,
keiner hat des Radchens fröhliches Spiel gestort, schon seit
Wochen ist es da, und jeder, der auf Wache steht, schaut
ihm lange zu, stille und versunken. Ob die Schaufeln auch
in ihnen aus dem ruhenden Wasser der Seele etwas empor-
wirbeln Eigene Jugend, ferne Heimat, lachende Kinder-
augen 1Wieder steht der Posten an seinem Schilder-
hause und traumt in die Stille hinaus. Was ist das Gesang?
Ja, er weiss, hoch oben in dem Hauschen, wo seine Feld-
wache untergebracht ist, hat man nun den Weihnachtsbaum
angezündet, singt man die alten Kinderlieder von der heili
gen Nacht, bei denen die Herzen so weich und die Augen so
feucht werden. Er lauscht empor. Was man singt, kann er
nicht verstehen. Nun wird einer wohl ein paar Worte zu den
Kameraden sprechen von der harten Zeit und dem tiefen
Weh und all dem Gewaltigen und Herrlichen und von des
deutschen Volkes Weihnachtshoffen. Dann wird der Feld-
webel die Gaben der Liebe verteilen, die ihn erst morgen
erreichen werden. Der Posten sieht auf seine Uhr, gleich ist
es acht. Nun werden sie auch daheim den Baum anziinden,
und er will mit ihnen feiern. Er zieht drei Kerzen aus der
Tasche, sie kamen aus der Heimat. Die gleichen sinds wie
sie seinen Kindern jetzt leuchten. Er stellt sie auf die Leiste
im Schilderhause und zündet sie an. Wie feierlich ist's auf
einmal in dem kleinen Hauschen. Die Gedanken aber wan-
dern zur Heimat, und aus der Heimat wandern Gedanken zu
ihm, sie werden sich begegnen und haben sich vieles, vieles
zu sagen Liebes und Gutes, Sorgenvolles undZukunftfrohes,
und wenn sie endlich von einander scheiden, dann wissen
sie, dass die, die sie sandten einander nun tiefer verstehen
werden, und dass sie enger verbunden sein werden, geweiht