noch wesentlich zugunsten der geistlichen Zöglinge ver-
schoben.
Fragt man, wo der Klerus in Belgien die ungeheuern
Mittel hernahm, all jene Institute zu gründen, so ist die Ver-
mutung nicht von der Hand zu weisen, dass es sich urn fran-
zösisches Geld handelt. Und zwar hangt dies offenbar mit
folgenden Dingen zusammen Durch die Combesche Gesetz-
gebung in Frankreich wanderten Hunderte von begabten,
klugen und tatkraftigen französischen Geistlichen nach Bel
gien aus. Sie brachten französischen Geist, französische Kul-
tur und sehr, sehr viel französisches Geld in den Dienst der
belgischen Kirche und Schule. Diese Einwanderung eines
grossen Teiles der besten Köpfe unter dem französischen
Klerus und eines betrachtlichen Teiles des französischen
Kirchenvermögens erklart völlig den heutigen Einfluss des
Klerus in Belgien, erklart weiter die herrschende Stellung
Landsturm in Flandern: Brückenbau.
des Französischen in der Kirche und in den Schulen, die
wiederum von der belgischen Kirche abhangig sind.
Eisenbahn- und Schiffahrtsverkehr.—
Das belgische Staatseisenbahnnetz ist 4678 km lang und hat
einen sehr dichten Verkehr. Das Anlagekapital betrug 1910
2090 Millionen Mark und brachte 57 160 Mark Einnahmen
auf den Kilometer gegen 49 927 Mark in Deutschland. Dazu
kommen noch 390 km Privatbahnen.
Fiir die wirtschaftliche Lage Belgiens ist seine Seelage
entscheidend geworden. Antwerpen ist der grosse See-
hafen, mit dessen Hiife Belgien nicht nur seinen eigenen
Ausfuhrhandel und Einfuhrhandel aufgebaut hat, sondern
der auch für ganz Westdeutschland und Nordfrankreich von
grösster Bedeutung ist. Den Verkehr bringen weniger der
kurze Stromlauf der Schelde selbst, als der Rhein, zahlreiche
Kanale und die Eisenbahn. Die Blüte Antwerpens beginnt
mit der Versandung des Zwyn, der Brugge mit dem Meere
verbindet. Von 1505 ab siedelten daher die Fugger und die
Hansekaufleute mit ihren Niederlassungen nach Antwerpen
über, dessen Stellung dadurch befestigt wurde, dass der
ostasiatische Handel begann, seine Waren statt über Vene-
dig über Lissabon zu befördern. Dieser ganze bliihende
Handel wurde 1648 für 150 Jahre vernichtet, als es den
Niederlandern im westfalischen Frieden gelang, durchzu-
setzen, dass die Schelde für die Schiffahrt ganzlich gesperrt
wurde. Erst 1792 mit dem Anfall Antwerpens an Frankreich
fiel der Scheldezoll, und nun verhalf auch bald wieder die
vorzügliche Lage Antwerpens dem Handel zu grossem Auf-
schwung, entwickelte aber auch im Laufe der Zeit eine
bedeutente Industrie, wovon wir die Diamantschleifereien,
Reismühlen, Zigarrenfabriken, Branntweinbrennereien,]Braue-
reien, Seifenfabriken und Baumwollwebereien hervorheben
wollen.
Der Hafenverkehr wickelt sich an den Scheldekais und
in den nördlich und südlich Antwerpens gelegenen dreizehn
Gezeitenhafen (Schleusenhafen, Unterschied des Wasser-
standes zwischen Ebbe und Flut 4,29 m) ab. Der Warenum-
schlag wird von den altertümlichen Gilden, den sog. Natio
nen, vorgenommen. Vor dem Kriege war eine gewaltige
Vergrösserung der Antwer-
pener Hafenanlagen im
Werden, deren Vollendung
nunmehr der deutschen
Verwaltung vorbehalten
sein wird.
Der Schiffahrtverkehr
in dem Welthafen Antwer
pen hatte 1912 einen Um-
fang von 13,8 Millionen
Reg.-Tonnen der anfahren-
den und ebensoviel der ab-
fahrenden Schiffe. Es ist
eine alte Streitfrage, ob
Antwerpen oder Hamburg
dengrössten Verkehr haben.
Die beiden Hafen haben
ausserlich nahezu den glei-
chen Verkehr. 1912 Ant
werpen 27,6, Hamburg 27,4
(Rotterdam 23,1) Millionen
Reg.-Tonnen. Doch ist die
Art der Schiffsvermessung
in Antwerpen anders wie in
Hamburg, so dass von der
Antwerpener Zahl etwa 13
Prozent abgesetzt werden muss, wenn man die richtige Ver-
gleichsgrundlage schaffen will. Ferner wird in Antwerpen
als einem Durchgangshafen jedes Schiff, das aus der Ausreise
und Heimreise Antwerpen anlauft, zweimal, in Hamburg als
dem End- und Anfangshafen der Reise aber nur einmal
gezahlt. Infolge der Doppelzahlungen dürften von dem Ant
werpener Verkehr etwa 500,000 Tonnen abzusetzen sein.
Auch ergibt sich die Ueberlegenheit Hamburgs über Ant
werpen sofort, wenn man den Warenverkehr betrachtet.
Antwerpen 12,76 10,16 2626 2471
Hamburg 16,65 8,11 4607 3631
Auch im Auswandererverkehr kann sich Antwerpen mit
Hamburg nicht messen. Doch entwickelt sich neuestens Ant
werpen schneller als Hamburg.
Stellung in der Weltwirtschaft.—Belgien
hat sich eine,seine geographische und wirtschaftliche Bedeu
tung weit überragende Stellung im Aussenhandel der Welt
und in der Weltwirtschaft zu sichern gewusst, trotzdem
es so gut wie keine eigene Flotte besitzt (1911 8 Segel-
schiffe, 93 Dampfer mit 166 000 Tonnen) und der Antwerpe
ner Hafenverkehr fast ausschliesslich von fremden Schiffen
Menge der Wert der
1912 geloschten veriadenen eingeführten ausgefiihrten
Guter in Millionen Tonnen Waren in Millionen Mark-
Gewicht