Neujahrsgedanke auf stiller Wacht.
Der Waldfriedhof.
ringen für die Zukunft unserer Kinder und unseres Vater-
landes. Mühsam qua'lt sich der Mann, um steinigen Berg-
acker in fruchttragendes Land umzuwandeln. Er weiss, ar
selbst wird die Früchte seines Mühens nicht recht ernten,
und doch achtet er nicht der Plage und des Schweisses.
Denn vor seinen inneren Augen steht ein helles Bild Gol-
dene Aehren sieht er aus der Scholle wachsen, ferne Enkel
holen sie ein. Sie geben ihnen Brot und Kraft, Kraft zu neuer
Arbeit und Zuversicht zu neuem Werk für sich und ihre
Kinder. Segen sieht er aus seiner entsagungsvollem Arbeit
fliessen über die Seinen und sein Haus in weite Zukunft.
Sehen wir nicht so auch das Deutschland, das wir schaffen
wollen, vor uns liegen Gewaltig steht es da vor allen Vól
kern, geachtet ist sein Name und gefürchtet sein Schwert.
Ruhig mögen unsere Kinder in ihrem Heime wohnen im
Sonnenlichte der Freiheit und des Friedens, die Werkstatten
erdröhnen von ihrer Hande Arbeit,der die ganze Welt offen-
steht. So sehen wir in das dunkele Leid der Zeit hinein die
helle Röte der Zukunft leuchten und streben ihr zu mit dem
Schwert in der Hand. Ob wir sie erreichen werden Nun,
wenn wir nicht ganz, dann unsere Kinder. Denn das ist der
Menschheit im tiefsten Herzen festgewurzelte höchste Pflicht
und heiligstes Recht, zu schaffen und zu sorgen für die, die
nach ihnen kommen. Anderes konnte auch Goethe seinem
zu den höchsten Zielen der Menschheit strebenden Faust als
schönste, grösste, letzte Aufgabe seines Lebens nicht
setzen.
Das Jahr 1915 ist dahin. Was wird uns das heraufstei-
gende 1916 bringen. Den Frieden Wir boffen und wün-
schen es aus vollem Herzen, und wissen, dass es nur ein
Frieden sein darf, der der gewaltigen Opfer wert ist.Aber wie
dem auch sei, wir brauchen nicht voll Sorge in das neue Jahr
hineinzusehen. Es steht gut um unsere Sache Fern von
unseren Grenzen toben die Schlachten, fester denn je
schirmen die Mauern unserer Manner im Osten und Westen
unser Vaterland, weit auf steht das Tor nach dem Orient,
das uns mit unseren tapferen Freunden, Bulgaren und Tür-
ken, verbindet und die Aushungerungspolitik der Feinde zu
Schanden macht. Die Stunde der Abrechnung mit England
ist gekommen, unsere und unserer Verbündeten Truppen
sind auf dem Marsche nach Aegypten. Albions Weltentron
gerat ins Wanken. Warum also klagen und kleinmütig
zagen Voll fester hoffnungsfroher Zuversicht treten wir in
das neue Jahr hinein. a
Es hat die ernste Zeit zu mir gesagt
Wie bist du Törichtem oft nachgejagt
Und hast für Nichtiges dich sehr geplagt
Vor deinen Augen lag es wie ein Schleier,
Warst Knecht nur, wo du schienst ein Freier,
Wie weit wie weit
Bist du vom rechte Ziele abgekommen
So sprach die Zeit
Und hat den Irrenden genommen
In ihrer Tage harte Zucht.
Und unter ihres Wirkens Zwang und Wucht
Spür ich schon goldne Segensfrucht.
Und leise singt mein Herz Ich weiss
Nun meines Lebens echten Preis.
s'lst frohe Arbeit auf dem Feld,
W o z u mein H e r r g o 11 mich b e s t e 111,
Ein starkes freies Vaterland
Und eines lieben Weibes Hand.
Und alles, alles andre Tand!
h
Mein Kutscher, feldgrau natürlich, ist ein Hausmeister
aus Fürstenfeldbruck, ein braver und ruhiger Mann, der
gerne von seiner Frau und seinen Kindern erzahlt Aber er
hat die cholerische Gewohnheit angenommen, jedesmal,
so oft er das Wort Franzosen oder Frankreich ge-
braucht, den wütenden Zwischenruf zu machen So a
Sauvolk auf der Welt Vor allem argert ihn der franzö-
sische Mist in den Dörfern und Hausern. Und ganz besonders
ergrimmt ihn die Pietatlosigkeit der französischen Soldaten,
die viele ihrer gefallenen Kameraden seit Monaten unbe-
stattet vor ihren Schützengraben liegen lassen. So ebbes
muss sich doch strafen an die Franzosen. Bal a Volk kein
Respekt vor'm Heldentod vor seine Brüder nimmer hat,
so a Volk kommt seiner Lebtag nimmer in d' Hoh, sag i
Dös gibt's einfach gar nit, dass uns d' Franzosen besiegen
kunnten
Nun empfangt mich ein kleiner Wald; er hat einen neuen
Namen bekommen das bayerische Hölzl In dem wirren
Gezweige leuchten viele, viele blinkweise Flecken die
Splitterwunden der von Granaten getroffenen Baume. Vor
dem Eingang in den Wald ist ein Damm aufgeschichtet, um
das Regenwasser und die Schlammbache abzuwehren. Jetzt
geht es einen schmalen Weg entlang, der mit festen Prügeln
belegt ist, damit man nicht bei jedem Schritt einsinkt bis
über die Knöchel. Zur Rechten des Weges gucken aus der
Lehmböschung kleine, trübe, glaserne Aeugelchen heraus
die winzigen Fenster der in die Erde hineingegrabenen
Offizierskellerchen und Mannschaftshütten. Hier wohnt,
schlaft, isst und arbeitet, wer nicht Dienst im Schützen
graben hat
Ich sehe zwei von unseren gesegneten Feldküchen am
Werke; sie brodeln, qualmen und riechen gut und wer
den am Abend den gesunden Hunger der Unseren stillen.
Wie eine liebe Freude ist dieser Gedanke in mir 1 Und da
greift mir plötzlich etwas Hartes und doch etwas wunderbar
Schönes an den Hals und tief in das Herz hinein ich stehe
vor dem Waldfriedhof So nennen sie diesen kleinen
stillen Platz. Zwischen vier grossen Eichen haben sie sauber
gemacht, den Weg besandet und einen Zaun gezogen. Alles,
was in dem schneelosen nordfranzösischen Winter immer-
grün ist, das haben sie weit in der ganzen Gegend gesam-
melt, haben es hier mit den Wurzeln eingepflanzt und
haben es so sorgsam gepflegt, dass es schon jetzt zu treiben
beginnt und neue Blatter bildet Lorbeer und Stechpalme,
Buchs und Efeu. Aus den zerschossenen Dörfern haben
sie Marienstatuen und Kruzifixe herbeigetragen, eins für
jedes Grab und haben die Holzkreuze schön ausge-
schnitten, sie bemalt, in hübscher Schrift die deut-
schen Heldennamen draufgeschrieben, haben rührend kind-
liche Verse gedichtet und so diesem ernsten Platz,
auf dem die grüngeschmückten Hügel in breiter Reihe liegen,
etwas Heiligfrohes gegeben, etwas Frühlinghaftes in aller
Kahlheit dieser Wintersszeit. Das ist keine Statte des Todes
das ist ein grüner Tempel der Auferstehung und des ewig
blühenden Lebens.
Meine Deutschen Wenn du von denen sprichst,
du Philosoph aus Fürstenfeldbruck, dann musst du anders
sagen: So ein Prachtvolk auf der Welt 1 Solch ein
Volk Und untergehn Nicht Sieger und Lebensgartner auf
Erden bleiben Dieser Gedanke ware Irrsinn oder ver-
brecherischer Zweifel an Gottes logischem Schöpferwillen.
Das deutsche Bild, das ich gesehen, verlasst mich nim
mer! Heiss zittert in mir die dankbare Ehrfurcht nach,
wahrend ich hinter den führenden Offizieren hinaufwate