Deutschlands Neujahrsgebet.
Der Krieg unter der Erde.
durch den engen, pfützigen Lehmgraben, dessen Boden und i
Wande mich einwickeln in gelben Schlamm. Immer weiter
führt es hinaus in das vom scharfsten und gröbsten aller
Pflüge, vom Pflug des Krieges, durchackerte Feld. Immer
knallt es und dröhnt. Wieder muss ich an ein friedliches
Schützenfest denken so pufft und donnert es immer,
wenn gegen Abend die Schützen sich beeilen, und wenn
im guten Büchsenlicht vor der Dammerstunde bei vielen
Punktschüssen die Boller gelost werden.
Jetzt stelie ich auf der Wallbank und spahe durch die
Scharte eines Stahlschildes nach der feindlichen Stellung
hiniiber. Ein Grauen, das mir durch alle Knochen rieselt,
macht mich schauern wie bei Frost. Da draussen liegen sie.
Es sind nicht die ersten verwesenden Toten, die ich sehe.
Aber in solcher MengeZorn und Ekel und Erbarmen
kampten in mir. Dreiundfiinfzig kann ich zahlen. Jene, die
am mutigsten waren, liegen weit voran, jeder für sich allein
hinter ihnen die anderen, zuerst eine kurze, dann eine
lange Reihe. Manche liegen wie behagliche Schlafer; manche
sehen aus, als wollten sie eben aufstehen und flatten in die
Beine einen Krampf bekommen, der sie unbeweglich
machte andere haben die Füsse hochgeschlagen, wie
erstarrt inmitten eines Purzelbaunreseiner gleicht einem
orientalischen Beter, der auf den Knien liegt und mit ausge-
breiteten Armen die Stirne zur Erde beugt; und einer scheint
wie in wildem Zorne stumm zu lachen und halt die beiden
geballten Fauste gegen den Himmel gestreckt. Ganz braun
sind diese Fauste, so braun wie die Fauste eines Arabers.
Und die gleiche braunschwarze Farbe liegt auch über allen
Gesichtern dieser einst weiss gewesenen Europaer soweit
ihre Gesichter noch vorhanden sind. Vogel und Mause haben
da schon ihre abmindernde Arbeit getan. Die Farben der
Mantel und Uniformen sind verblichen und jenen Toten,
die beim Sturz das Kappi verloren, hat der wochenlange
Regen das Haar über Stirn und Schlafe gekammt. Ein Dut-
zend Schritte hinter diesen von aller Heimat Verlassenen,
die doch tapfere Helden ihres Volkes waren, schlafen und
essen und trinken im französischen Schützengraben ihre
lebenden BrüderDenen boten die Deutschen einen Waffen-
stillstand zur Bestattung ihrer Gefallenen an. Die Franzosen
lehnten ihn ab. Warum Weil sie darin einen Vorteil für
die Deutschen witterten Weil sie glaubten, der stete An-
blick dieser Toten würde die Deutschen verzagt machen
Oder weil sie hofften, dieser Leichenwall würde ihrempfind-
liches Ohlala-Hautchen vor den bayerischen Gewehrkolben
behüten Oder nur, weil sie zu zivilisiert und zu faul
waren, urn eine etwas mühsame und unasthetische Pflicht
der Pietat zu erfüllen
Fürstenfeldbrucker: Ich will beim Gedenken an diese ver
lassenen Toten dein zorniges Philosophenwort nicht nach-
sprechen. Aber recht hast du
Nach diesen Minuten des Schauders ist mir der Anblick
unserer Feldgrauen, die den Waldfriedhof anlegten, wie
Erlösung und Trost, wie aufatmende Befreiung.
Ludwig Ganghofer.
Zu Dir heb ich die Hande,
Dass Deine Hand uns wende
Das grosse Herzeleid
Zu Dir heb ich die Hande,
Dass Deine Hand uns sende
Den Trost der Ewigkeit
Zu Dir heb ich die Hande,
Dass Deine Hand uns spende
Den Sieg zur rechten Zeit.
Karl Ernst Knodt.
In die Erde sind die Graben eingewühlt, tiefe,
krumme Rinnen, Sie laufen quer durch Felder und
Walder, Dörfer und Friedhöfe, sie nehmen keine Rück-
sicht. Vor den Graben sind die Drahtverhaue, niedrige,
kriechende Gestrüppe mit eisernen Dornen. Zwischen
den Drahtverhauen, hiniiber und herüber, schwirren
die Gewehrkugeln. Aus dem wassergekühlten Laufdes
Maschinengewehres stürzen sich die zischenden
Schwarme. Die Granate kommt aus weiter Ferne
herüber und tastet nach allem, was lebt. Mehr, noch
mehr. Die zentnerschweren Wurlminen stürzen aus
den Graben heraus, in die feindlichen Graben hinüber.
Die Handgranaten fliegen. Das ist noch lange nicht
alles Wir, die wir in der Luft, im Wasser, unter dem
Wasser, auf den Schneefeldern und in der Wüste
kampfen, wir kampten heute auch unter der Erde.
Wo die Graben sich einander nahern. kommt zum
Grabenkrieg noch der Minenkrieg. Weiter geht es
nicht.
Fs ist der Krieg der Piontere
Erst waren sie hinten, Stege und Brücken, dann
kamen sie vor, Unterstande, Graben und Drahtver
haue Und schliesslich begannen sie ihren eigenen
Krieg, auf ihre Weise. Heute sind sie vorn bei den
Vordersten, und ,wo der Mann fallt. fait der Pionier
mit ihm,
Sie sind Teufelskerle und ohne sie geht es nicht
mehr. Sie sind unentbehrlich, beliebt und bewundert.
Also sie kommen, Offizier und Mann, und betrach
ten sich die Sache. Sie zögern nicht lange, es ist nicht
ihre Art, lange zufackeln. Sie fangen an Hinein in die
Erde Es ist ein Loch, ein Brunnen, ein Schacht.
Ganze Stockwerke tief. Knüppelleitern und Leitern
von Stricken ftihren hinab. Dann geht es vorwarts,
unter den Graben und Drahtverhauen hindurch. Von
da aus geht es nach rechts und nach links, Der Stollen
wachst. Eine Anzahl von Schachten wird in die Erde
getrieben, und die Stollen strahlen von ihnen aus.
Galerien und Korridore verbinden die Stollen unter
der Erde. Da unten in der Dunkelheit sind neue Lauf-
graben entstanden. Spitzhacken und Spaten und
Druckluftbohrer fressen sich durch Erde und Stein,
und es entsteht ein-richtiges Bergwerk.
Wir haben da und dort eine Mine
gesprengt Wer denkt sich etwas dabei? Nie
mand. Wer kennt die furchtbare Arbeit
Sie suchen hier unter der Erde nicht nach Erzen,
sie suchen nach dem Menschen, sie wollen ihn von
linten fassen, da es von oben nicht geniigt.
Schwer und hart ist die Arbeit des Pioniers. Acht
Stunden lang schleppt er ununterbrochen Erde und
Gestem durch die düsteren Stollen. Oben, im Licht
der Sonne, schüttet er die Erde aus, und wenn der
Feind sieht, dass neue Erdwalle entstehen, so schiesst
er augenblicklich mit Granaten hinein. Aber der Pio
nier Nun, der Pionier tut seine Pflicht.
Mit Kompass und Messband wird hier unten gear-
beitet. Es handelt sich um geringste Winkel, Gefalle
und Steigung, um Meter und halbe Meter. Züge mit
Grubenbölzern rollen heran. Die Pioniere schleppen
Tag und Nacht Holz und Balken durch die Stollen,
um sie auszubauen, damit sie ihnen nicht über dem
Kopf zusammenbrechen, eines Tages. Das ware eine
hübsche Geschichte Kilometerlang sind oft Giinge
Meine Reise zur deutschen Front.