IN GENT. Die Deutschen ziehn ins Morgenland. Rauch steht noch undurchdringlich da sind die Grauen schon aus den Graben, schon vorn Und ehe der Rauch sich verzogen hat, sitzen sie schon in dem Sprengtrichter, der gross ist wie eine Zirkusmanege. Alles war vorbereitet, sie hatten nur gelauert. Alles war bereit, Gewehre, Munition, Handgranaten, Maschinengewehre. Und mit den Grauen sind auch schon die Pioniere da, mit Sandsacken, und beginnen wie die Ameisen zu bauen. Walle, Schutzschilde, provisorische Unterstande: Nun mag er kommen! Und schon sind die Pioniere hinten an der Arbeit, um eine Sappe zu der neuen Festung vorzutreiben. Wir haben zwanzig Meter, dreissig Meter gewonnen, wir haben unsere Stellung verbessert, wir haben seine unterirdischen Stollen zerstört. In den Zeitungen steht die Notiz Da und dort haben wir eine Mine gesprengt. Aber niemand weiss, welche Arbeit, wieviel List und Kühnheit dazu gehort. Die Pioniere sind Leute, die nicht viel reden. Das ist der Krieg unter der Erde, der neueste, der furchtbarste. Tag und Nacht wird gegra- ben und gewühlt. Eine Mine fliegt hoch, an dieser und jener Stelle der Front. Mantreibt die Stollen bis unter die Graben der Feinde, und ein Grabenstück mit allem, was da drinnen ist, geht in die Luft, Menschen, Munition, Kochgeschirre und Waffen. Für den Sturm werden Stollen vorbereitet und fliegen auf in der Sekunde, in der es sein muss. Wehe aber, wenn e r zuerst sprengt, eine Minute friiher Offizier und Pionier, sie gruben ihr eigenes Grab. Aber sie wissen, was sie-tun, wofür sie es tun. Bernhard Kellermann (Elberfeld). Aus dem Nieuwen Rotterd. Kourant brachte vor -einiger Zeit die Vlaamsche Post folgende Schilderung des Lebens in Gent Frühmorgens zeigt Gent das gewohnte Aussehen einer erwachenden Stadtviele Milchwagen mit blanken Messing kannen, Hundekarren und hier und da ein Polizist mit einem schlaferigen Gesicht. Dann aber auch ein deutscher Offizier, zur Kaserne eilend, Soldaten in nonschalante Zondags stemming feldgraue Autos, die die Strassen durchdröhnen. Spater vermehrt sich das militarische Element, eine Ulanenpatrouille reitet vorbei, im strammen Schritt rückt die Ablösung der Wachen an, Feldpostwagen fahren hin und her. Infanterie kehrt laut singend vom Uebungsplatz zurück. Wenn sie an einem Offizier vorbeimarschieren, ertönt das Kommando Achtung Augen links Die Beine fliegen in die Höhe und in dröhnendem Schritt geht es in Parade- marsch weiter. Zwischen diesem militarischen Treiben geht das bür- gerliche Leben seinen gewohnten ruhigen Gang. Oberflach- lich gesehen, scheintes, als ob man sich hier schon an die deutsche Besatzung gewöhnt hat und als ob die feldgrauen Soldaten hier immer gewesen waren. Das Grau ihrer Uni form passt auch gut zu dem Grau dèr alten Gebaude aus Flanderns Blütezeit. Bissige Redensarten und drohende Blicke, wie man sie in Brüssel hört und sieht, bemerkt man hier gar nicht. Soldat uhd Bürger scheinen miteinander zu leben, ohne dass der ■eine den andern hindern will. In den Arbeitervierteln sieht ;man gar Landstürmer gemütlich vor der Tür sitzen und bei ihm die vlamischen Nachbarn. In den Strassenbahnen, die trotz des Mangels und der Not unter der Bevölkerung fast immer voll sind, sitzen Bürger und Soldaten nahe zu- sammen, ohne dass man etwas von Groll merken kann. Ein vlamischer Freund bestatigte mir das und gab dazu folgende ErklarungMan hat soviel Entsetzliches und Schandliches von den Deutschen erzahlt, dass bei dem taglichen Verkehr mit diesen ruhigen Soldaten, die unter einer ausserst strengen DiscipIin leben, notwendigerweise ein Rückschlag folgen musste. Man erzahlt einander geheim- voll wohl von deutschen Generalen, die sich totgeschossen, und ahnliches, aber ehrlicherweise muss man bekennen, dass seit der Besetzung keine Uebergriffe vorgekommen' sind und dass sich der militarische Organisationsgeist hier und da günstig zur Geltung bringt. Jedoch ist die Ruhe in Gent nur Schein. In den vertrau- ten Kreisen der Vlamingen herrscht Aufregung und Besorgt- heit. Die Glocke Roland, das Heiligtum der Stadt der Arte- velde, ist geborsten. Fremden gegenüber spricht der Vlaming) französisch, in jedem Geschaft bin ich französisch ange-1 sprochen worden. Wer Fremden gegenüber vlamisch spricht, lasst die Vermutung aufkommen, dass er deutsch gesinnt ist. Nun gibt es Vlamen genug, die in der Stille von einem Gross- Flandern traumen, dem auch das jetzt noch vlamisch spre- chende Land, das Frankreich im jahrhundertelangen Streit Flandern entrissen hat, angehört. Aber wer abhangig ist, wagt es nicht, seine Gefühle öffentlich auszusprechen. Es gibt schwarze ListenHeimlich nicht hörbar für die Deutschen wird gedroht mit der Zurückkehr der Verbün- deten, die alle 14 Tage erwartet werden. Man erinnert an die Verwüstungen, die am Beginn des Krieges in den deut schen Geschaften angerichtet wurden und prophezeit das Ende der vlamischen Bewegung. Vor allem befinden sich die Geschaftsleute in einem lastigen Zustand. Geld kann man in diesen schlechten Zeiten gut gebrauchen, und die deutschen Soldaten, die von der Front zuriickkehren, wo sie mit ihrer Löhnung so recht nichts anfangen konnten, bringen viel Geld in Umlauf. Aber Jrotz aiiedem sind sie keine gern gesehenen Gaste. Es erregt Verdacht, wenn Deutsche in ein Geschaft kommen, und ein Gesprach mit ihnen noch mehr. Auf der anderen Seite kann ein Geschaftsmann, der sich weigert an einen Deutschen zu verkaufen, in Unannehmlichkeiten kommen. So lebt man hier in einem ewigen Dilemma, das schwer drückend auf dem vlamischen Land liegt. Französischgesinnt darf und muss man sein, nicht deutschgesinnt, und das Vlamische droht in diesem Streit zwischen zwei Grossen jammerlich an die Wand gedrückt zu werden. s Ihr Bayern hier, ihr aus der Mark, Ihr Mecklenburger, ihr vom Rhein Herrgott, wie sind die Deutschen stark Herrgott, wie ist die Welt so klein 1st mancher, der im Westen stand, War auch im Osten schon dabei, Und zieht nun gar ins Morgenland, Als ob das just so üblich sei Ein gross Erstaunen fasst uns schier, Wenn wir nur denken was ihr schafft Soldaten ihr und Offizier' Es wachst die Welt an eurer Kraft Joachim Psng.

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Landsturm | 1916 | | pagina 5