Vom und für den Landsturm. j Bilder aus dem Leben in der Etappe. 4. Das Meldeamt. Durch Verordnung der Etappen-Inspektion der 4. Ar mee vom 25. Oktober 1915 wurde bestimmt, dass bei samt- lichen Etappen-Kommandanturen Meldeamter einzurichten seien. Ihnen wurde die besondere Ueberwachung der mann- lichen belgischen Bevölkerung, die in den Jahren 1880 bis 1898 geboren ist, zugewiesen. Daneben aber unterstehen ihrer Kontrolle alle Angehörigen des ehemaligen Garde civique, die ehemaligen Soldaten, die in den betreffenden Kommandanturbezirk entlassenen belgischen Zivil- und Kriegsgefangenen, auch die mannlichen und weiblichen über 15 Jahre alten Angehörigen der Staaten, die mit Deutschland im Kriege sind, und schliesslich diejenigen Personen, die aus irgend einem Grunde einer besonderen Ueberwachung unter- worfen sind. Auch Deutsche unterliegen der Aufsicht des Meldeamtes, namlich diejenigen, die wehrpflichtig sind, aber nicht dem Heere angehören. Die Einrichtung dieser Meldeamter wurde von dem besonderen Misstrauen der Belgier begleitet. Vom ersten Augenblicke an, wo unsere Truppen belgischen Boden be traten, schwebte die in wehrfahigen Alter stehende mann- liche Bevölkerung in bestandiger Angst, in das deutsche Heer eingereiht zu werden. Diese Furcht wurde von un- verantwortlichen Hetzern fortwahrend genahrt und gab zu unsinnigen Massenfluchten Anlass, die in diesem Blatte des öfteren geschildert worden sind. Zur Beruhigung der Bevölkerung erklarte darum die Etappen-Inspektion aus- driicklich in ihrer Verordnung, dass durch die Einführung der Meldeamter weder eine Einstellung in das deutsche Heer, noch eine Abführung in deutsche Gefangenschaft beabsichtigt sei, man wolle nur durch sie die Zahl und den Aufenthaltsort der zu Ueberwachenden feststellen, und diese Versicherung fand über Erwarten schnell Glauben. Man kann überhaupt die Wahrnehmungmachen,dass das tiefe Misstrauen, dem die deutschen Anordnungen anfangs begegneten.allmah- lich verschwindet und einer ruhigen vernünftigen Beurteilung Platz macht. Das gilt auch—wie ich hier einflechten möch- te für die deutschen Kriegsberichte. Jeder zu Ueberwachende erhalt eine Meldekarte, die in einer zweiten Ausfertigung im Meldeamt aufbewahrt wird. Sie enthalt die naheren Angaben über Alter, Wohnort und Beruf des Inhabers, kurze Bemerkungen über seine aussere Erscheinung (Signalement) und Raum zum Eintragen der Ueberwachungsvermerke. Die Ausfertigung dieser Karten, die im November und Anfang Dezember vorgenommen wurde, war eine gewaltige und dabei recht eintönige Arbeit für die dazu abkomma'ndierten Landsturmleute. Für jede Gemeinde des betreffenden Kommandanturbezirks wurden bestimmte Tage und Stunden festgesetzt, an denen sich die Meldepflichtigen einzustellen hatten, für die weiter entlege- nen Ortschaften wurden Unteramter eingerichtet, die die Aufnahme in einem für ihre Bewohner besser erreichbaren Orte erledigten. Es war ein Glück, dass für die Ausfüllung der Karten, die von der belgisehen Ortsbehörde ausgestellten Personal-Ausweiskarten bruine Kaart genannt, weil sie auf braunem Papier gedruckt ist,) die jeder mit sich führen muss, als Unterlage benutzt werden konnten, denn die gegen- seitige Verstandigung ist doch noch immer mangelhaft und oft waren auch die Leute über ihre persönlichen Verhaltnisse recht schlecht unterrichtet. Die eigenhandige Namensunter- schrift, mit der die Karte und ihre'zweite Ausfertigung ver- sehen sein müssen, machte am meisten Schwierigkeit. Es war geradezu klaglich anzusehen, wie ungelenk sich viele beirn Schreiben anstellten, viele brachten ihren Namenzug stehend (ein Stuhl konnte doch für den kurzen Augenblick nicht angeboten werden) überhaupt nicht fertig, sondern knieten nieder und zogen mit aller Gemütsruhe ihre oft unentzifferbaren Hieroglyphen. Und viele, erschreckend viele konnten überhaupt nicht schreiben. Mijnheer, ik ben ongeleerd hiess es dann, und der Ausfertigende musste sich mit drei mühsam hergestellten Kreuzen begnügen. Aber auch unter denen, die ihren Namen schrieben, befanden sich genug, die der Schreibekunst feindlich gegenüberstanden, sie hatten sich eben nur ihren Namenszug angequalt und brach ten sonst kein Wort zuwege, ja manche gab es, die nur mit Hilfeihres ihnen von anderer Hand auf einem Zettel vorge- schriebenen Namens, den sie als Vorlage neben sich legten, die Unterschrift in angstlichem Nachzeichnen zustande brachten. Die Schreibunkundigen befanden sich auch nicht etwa in der Hauptsache bei den alteren Jahrgangen, bei denen man mildernde Umstande hatte annehmen können, vielmehr steilten die 17 und 18 jahrigen die grössere Anzahl. Jeden Monat hat sich der Meldepflichtige einmal auf dem zustandigen Meldeamt unter Vorlegung der Karte per- sönlich zu melden oder sich an den für seine Gemeinde angesetzten Meldetagen einzufinden. Die Meldung wird auf der Karte vermerkt. Die Karte hat der Inhaber stets mit sich zu führen. Schiffer, die dauernd auf ihren Schiffen bleiben, haben sich alle 4 Wochen bei dem gerade für ihren Aufent haltsort zustandigen Meldeamt einzufinden. Wer eine Reise machen will, hat, bevor er auf dem Pass-Büro einen Reise- schein holt, die Genehmigung des Meldeamtes zu dieser Reise zu erwirken. Nur für Reisen, die innerhalb des Etap pen Gebietes vorgenommen, zu Fuss ausgeführt werden una nicht langer als 24 Stunden dauern, braucht das Meldeamt nicht gefragt zu werden. Selbstverstandlich ist auch jeder Wohnungswechsel innerhalb eines Ortes und von einem Ort zum andern meldepflichtig, hierbei müssen Vermieter und Ortsbehörden mitwirken. Scharfe Strafandrohungen, die bis zu 1000 Mk Geldbusse und zu 6 Wochen Haft gehen, sorgen für strenge Innehaltung dieser Bestimmungen. Auf diese Art halt die deutsche Behörde den wehrhaf- ten Teil der Bevölkerung fest in ihrer Hand und verhindert zugleich den Personenschmuggel über die Grenze, der wenigstens nach Aussagen belgischer Officiere dem belgischen Heere auchwahrend der deutschen Besetzung-- des Landes Zuwachs gebracht haben soli. s. Anerkennungen. Der Herr Etappen - Inspektor hat den bei den nachstehenden Ereignissen genannten Kameraden für ihr richtiges bezw. tatkraftiges Handeln seine Aner- kennung durch Etappen Tagesbefehl ausgesprochen. 1. Durch einen wohlgezielten Schuss hat der Land- sturmmann Scheries, 6. Kompagnie des Batl. Spandau, einen festgenommenen Belgier an der Flucht verhindert. 2. Landsturmmann Ehrhardt vom Hochspannungs- kommando hat einem durch den hochgespannten Strom des Grenzzaunes gefahrdeten Kameraden das Leben gerettet. 3. Drei Belgier, die einen grosseren Posten Flachs über die Grenze nach Holland schmuggeln wollten, wurden hieran durch die Wachsamheit des Gefr. Linscheid, 4. Komp. Ldst. Inf. Batl. Oberlahnstein, verhindert. 4. Bei einem Eisenbahnunfall bei Schellebelle am 5.. Dezember haben der Landsturmmann Fried r. Müller III, Wehrmann D i e k e und Kriegsfreiwilliger R e n t s c h von der 3. Komp. des I. Ldst. Inf. Ersatz Batl. Gent durch ihre

Digitaal krantenarchief - Stadsarchief Aalst

Landsturm | 1916 | | pagina 6