GENT 's Gravensteen, das
sich in den Winkeln der Stützmauern versteckten. Wo die
Deckel nicht fest aufliegen, dringt der friedliche Efeu hin-
durch.
Unser Rundgang auf der Ringmauer fiihrt uns in die
Vorburg. Auf abgetretenen Stufen einer Wendeltreppe ge-
langen wir in die beiden Raume über dem Torwege in das
Vierkant und einen langeren Saal mit einer kreuzförmigen
Fensteröffnung nach der Strassenseite. Die altarahniiche
Erhöhung darunter und die beiden Saulen zu beiden Seiten
lassen die Meinung zu Hier war die Kapelle. Weitgefehlt
Beide Raume dienten der Peinigung, die der flandrische Rat
im 16. und 17. Jahrhundert verhangte. Auch der Verteidigung
hat man Rechnung getragen. Das bezeugen die Wurflöcher,
durch welche man das aussere wie das innere Tor
beherrschte. In der kreuzförmigen Fensteröffnung haben
Zeit, Kalkgehalt und Feuchtigkeit Tropfsteine gebildet. Wir
wenden uns. Durch die zerbrochenen bunten Butzenscheiben
fallt das Licht des Burghofes. In den Ecken aber, wo die
Spinnen ihr Werk treiben, liegt ewige Dammerung. Wir
fiihlen Die Muse der Geschichtschreibung hat ihren Griffel
der Sage gegeben. Wer aufmerksam vor dem Eingang zur
Vorburg gestanden,der hat unter der kreuzförmigen Fenster
öffnung eine Rosette erblickt. Ihre Inschrift berichtet, dass
ein Zeitgenosse Barbarossas Philipp von Elsass im
Jahre 1180 die Burg erbaute. Doch der Erbauerfand bereits
alteres Grundgemauer vor.
Von der Plattform der Vorburg schweift unser Blick
auf das Hausermeer der Stadt und hinüber auf den
östlichen Anbau des Grafenschlosses, dessen Neu-
herrichtung erst vor wenigen Jahren vollendet wurde. Er
zeigt uns über einem Unterbau die „Kammer" des Kastel
lans und darüber die Burgkapelle. Ueber die Fenster der
beiden oberen Stockwerke spannen sich Rundbogen, die von
zierlichen Saulen getragen werden. Zwei schlanke Rund-
tiirme stehen zu beiden Seiten des Anbaues. Dieser erneute
herrliche Seitenbau zeigt völlige Uebereinstimmung mit dem
ursprunglichen. Urkunden und Zeichnungen aus dem 12. und
ss der Grafen von Flandern.
Aus Alt Flandern Roland-Verlag).
13. Jahrhundert bürgeri dafür. Eine Burg bei Tyrus von der-
selben Art, die der Erbauer wahrend seiner Kreuzfahrt gese-
hen haben muss, mag ihm den Bauplan mitgegeben haben.
Auf dem Wehrgang wandern wir weiter bis
zum nördlichsten Punkte. Dem kunstverstandigen Erneuerer
der Burg danken wir es, dass er den nördlichen Anbau der
Burg uns als Ruine bewahrte. Er enthielt Vorratskeller und
die beiden Küchen, die bei Festgelagen die beiden grossen
Sale der Hauptburg mit ihren Herrlichkeiten versorgte. Wer
vom Wehrgang neugierig in den Burghof hinabsteigt, dem
heften sich Kletten an, und aus dem Rosendornstrauch steigt
das Marchen und erzahlt von dem Glück unserer Kindheit.
Wir sehen Dornröschen schlafen. In der Küche halt der
Koch den Küchenjungen beim Ohr, die andere Hand zur
Ohrfeige ausgestreckt, weil er etwas versehen. Wir sind auf
den Wehrgang zurückgekehrt. Alle Schatze sind mit dem
Marchen im dunkeln Keller verschwunden. Kahles Gebalk
starrt uns an. Durch die zerbrochenen Decken steigt der
riesige Kamin bis zurZinne der Burg hinauf. Die Geschichte
tritt neben uns und erklart Sieh dort unter den schmalen
Küchenfenstern die erweiterten Fensteröffnungen. Mehr
Licht war nötig, als der flandrische Rat im 15. Jahrhundert
die ehemaligen Kiichenraume zu Schreibstuben umwandelte.
Auf unserm Gang auf der Ringmauer sind wir an denschon
erwahnten zweiten geschlossenen Turm gekommen. Wir
kehren ihni den Rücken und haben vor uns zur Linken die
eben erwahnte Küchenruine der Hauptburg und zur Rechten
den Palast des Schlossherrn. Ein gewaltiger Spitzbogen
schafft die Verbindung. Er tragt den tiberdeckten Gang, ein
Gemach mit drei Rundbogenfenstern, durch welches die
grafliche Familie aus dem Palast in den grossen Saai des
Meeste Toren (Hauptburg) gelangen konnte. Der Raum unter
dem Spitzbogen wareinst eine Halle, die nach Norden ganz
offen war. Hier fanden die Schlossbewohner einen kühlen
Ruheplatz in heissen Sommertagen.
Weiter auf dem Wehrgang. Wir biegen urn die Ecke
des Paiastes. Das Eckzimmer über uns ist die Kammer