1 lm Grafenschloss zu Gent. RATHAUS IN GENT. grossen Speisekammern und ein prachtiges gotisches Sal- chen. Nun durch elektrisches Licht hell erleuchtet. Denn hier gibt es viel zu sehen. Saulenfüsse und Köpfe, Konsolen, steinerne Füllungen, Wappen, Teile van Statuen und allerlei Ornamenten. Doch wer kann alles aufzahlen Die Ruinen werden gleichzeitig in ihren verschiedenen Raumen und Gangen als Lapidar-Museum (will sagen: als Ausstellungsort von alten Steinhauerarbeiten) benutzt. Alles, was man an derartigen Arbeiten in der Stadt und Umgebung fand, ist hier zusammengetragen worden. Besonders wertvoll aber ist die überaus reichhaltige Grabsteinsammlung. Nirgends gibt es wohl eine schonere, denn die Kunst Grabsteine zu hauen wurde in Gent sehr geschatzt. Man kann hier ihre Entwickelung aufs beste verfolgen. Erst in leichten Linien eingegrabene Zeichnungen, die oft durch farbigen Steinkitt hervorgehoben wurden,dann hebt man auch Flachen (nackte Körperteile, Wappenschilder) durch Steinkitt und eingelegten Marmor heraus. Spater erscheinen Reliefarbeiten. Erst das Tief-Relief, dann das Hoch-Relief, letzteres immer ausdrucksvoller, bis man schliesslich die voile Figur auf die Steine legt. Neben überaus schonen Steinen finden wir auch Abstossendes, Arbeiten, die in realistischer Treue einen Leichnam im Zustande der Auflö- sung zeigen. Der Hauptrauni der Ruinen ist der Speisesaal, iiber 40 m lang und über 10 m breit, der grösste Saai aus roma- nischer Zeit in Belgien. Er ist seit 1589 durch ein hölzernes Tonnengewölbe gedeckt und enthalt die wertvollsten Stücke der Steinhauer-Arbeiten. Ich will nur die prachtige Statue eines bewaffneten Burgers Gents aus der grossen Zeit der Artevelde erwahnen, die ursprünglich auf dem Belfried stand und nun in ihrer Ecke bei richtiger Beleuchtung so überaus malerisch wirkt. Man wird erstaunt sein, wie gute Einblicke in das Denken, Leben und Treiben des Mittelalters uns ein- zelne Stücke der Sammlung geben und wie man in diesem alten Saaie, der voller Geheimnisse zu sein scheint, sich urn Jahrhunderte zurückversetzt glaubt. Doch nun wieder ans helle Licht des Tages. Wir durch- schreiten die ehemalige Küche, an deren Mauer sich noch der grosse Kamin abzeichnet und stehen im ausseren Ruinengarten, wo man wieder allerlei Steinwerk zusammen getragen und aufgestellt hat. Hier steht ein Stück, das für mich das schönste in den Ruinen St. Bavons ist, die Bekrö- nung des Wunderbrunnens des hl. Macharius, die man von einer anderen Stelle hierhin gestellt hat. Mit ihren zierlichen Saulchen und ihrer schlanken Grazie steht sie zwischen den Grabsteinen und Ruinen wie ein jungfrisches anmutiges Madchen neben gebückten, altersmüden Greisen. Doppelt schön, wenn der Frühlingdie grünen Schleier der Birke urn ihr Haupt wehen lasst und weisse Marienblümchen zu ihren Füssen streut... Wie ich schon eingangs sagte diese Zeilen wollen nicht führen, sondern nur ermuntern zu einem Besuch. Wer geschichtlichen Sinn, Interesse für die Baukunst des Mittel alters und offene Augen für alles Schone besitzt, sollte nicht in Gent'gewesen sein, ohne die Ruinen gesehen zu haben. Sie liegen dem Schlachthaus gegenüber, von ihm getrennt durch die Abteistrasse. Ein Schild auf der linken Seite der Strasse, das auch die deutsche Bezeichnung Schelle tragt, weist auf die Klingel hin, die die Pförtenerin herbei- ruft. Eine Wanderung durch 's Gravensteen te Gent, der 4. Komp. des Landsturmbataillons Hersfeld in dankbarer Erinnerung gewidmet vom Gefr. Helmbold-Niederzwehren bei Cassel. (Schluss) Nachdem wir uns bis jetzt einen Ueberblick über die einzelnen Teile der Burg, meist von aussen gesehen, ver- schafft haben, wollen wir noch einige Gemacher derselben betreten. Unweit des Wachthauses ist der Eingang zu dem Keiler des Meeste Toren. Die Mauern stammen wahrschein- lich aus dem 9. Jahrhundert. An der östlichen Langsmauer ist die ehemalige Eingangstür zu sehen. Darüber liegen Schiess- löcher. Weiter deutet eine Reihe noch höher gelegener Löcher die Stellen an, wo die Balken lagen, die das nachste Stockwerk trugen. Die Balken verschwanden, und der Grund

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Landsturm | 1916 | | pagina 2