Die vlamischen Riesen. i*) Die Feier des Kirmesfestes ist fiir den Belgier der Glanzpunkt des Jahres. Noch heute hangen die oft kunstvoll ausgeführten Reklame-Plakate der verschie- denenjahre, mit denen die Stadte zum Besuch ihrer Kirmes einluden, in vielen Wirtschaften, und ihre Festordnungen zeigen uns, dass man nach Kraften bestrebt war, die ver- schiedenen Festtage mit reichhaltigen Ge nlissen zu fiillen. Nichts fehlt Konzerte, Umzüge der Vereine, oft historische Festzü- ge, Wettkampfe, Illumination und Feuer- werk, Festessen und Balie. Es waren lage, so ganz nach dem Flerzen der Belgier, Page voller ausgelassener, derber Lebens- lust. Dann wurden auch manchmal die Rie sen hervorgeholt und bildeten eine ausser- ordentliche Glanznummer im Festzuge. Wohl jede Stadt hat solche Riesen: Puppen, die aus Pappe oder Weidengeflecht herge- stellt sind und mit oft kostbaren Kleidern behangen werden. Sie sind oft Jahrhunderte alt,schon Urgrossvater haben sie, als er noch Kind war, erschreckt, schon vor Jahrhun- derten haben die Mutter demUnartigen mit ihrem Kommen gedroht. Sie sind Bürger der Stadt geworden, stehen hoch in des Volkes Gunst, das ihrem Erscheinen zujauchzt und sie als alte Bekannte begrüsst. Die schönsten und grössten Riesen zu besitzen,ist der Stolz und der Ehrgeiz jeder Stadt, aber in Bezug auf die Grosse ist eine Grenze gezogen sie müssen namlich fiir den Mann, der unter von ihren Kleiden verborgen ist, tragbar bleiben. Eines unserer Bilder führt den Goliath von Nieuwport, der nun schwer umkampften Stadt an der Yser, vor. Er soli schon 240 Jahre alt sein und erscheint nur in Gesellschaft von zehn anderen Kerls seiner Grosse. Auch in vielen anderen Orten sind Goliaths vorhanden z. B. im Geeraardsbergen. Er ist mcht nur Gatte sondern auch Vater und besucht mit Frau und Kind fast jedes Jahr die Kirmes Im allgemeinen aber holt man die Riesen seltener hervor, um ihre Erscheinung um so eindrucksvoller zu machen. So gehen in Lier die Riesen nur alle 25 Jahr spazieren, und die Riesenfamihe von Vilvoorde iReus, Reuzin, Janneken und Mieken), die wir im Bilde zeigen können, kommt nur alle sieben Jahre zum Vorscliein. Druon Antigoon, der Stadtriese von Antwerpen, soli schon 1535 angefertigt worden sein. Er verdankt sein Daseineiner Legende Sie erzahlt, dass ein Riese Druon Antigoon als ,,een onbarmhartige dwingeland" die Schelde bewachte und von jedem Vorbeifahrenden einen harten Zoll erhob üem, der sich weiger,te zu bezahlen, wurden die Hande abgehauen, die in die Schelde geworfen wurden. Von Salvius Brabo, wurde derUnhold iiberwunden. Die Stadt Antwerpen aber führt von ihm her zwei Hande im VVappen, auch ihren Namen (Antwerpen Handwerfer) will die Legende hieraus ableiten. Ueber 200 Jahre blieb der Antwerpener Riese ledig, erst 1756 erhielt er eine Frau die Güttin Pallas die nun immer mit ihm zusammen im Fest zuge auftritt. Dass dieser Ehe keine Kinder entspran gen, ist wohl bei dem Alter des Ehemanns begreiflich. Antwerpen hat noch einen Riesen den Langen Wapper", das Schreckgespenst der Jugend. Nach der Sage war er ein Qualgeist.der an der Schelde hauste, in allerlei Gestalten erschien und sich sogar in ein Pferd oder Geldstück ver wandein konnte. Er trieb seinen Schaber- nack mit den Vorübergehenden, aber aus dem Scherz wurde auch oft Ernst, und man cher wurde von seiner Hand erwürgt. Schrecklich anzuschauen ist auch der Knaptand das fiirchterliche Riesenhaupt von Veurne, das hoch auf einem Stock im Zuge getragen wurde. Die Riesen entstammen nicht immer alten Zeiten, manchmal sind sie auch Kinder unserer Tage. So die Riesen von Aalst. Ein geborener Dendermonder, Polydoor De Keyser, war in England zu Reichtum und Würden gelangt und wurde sogar zum Lord- major von London gewahlt. Die Dender monder waren natürlich nicht wenig stolz auf diesen Sohn ihrer Stadt. Um sie zu ver spotten, fertigte man in Aalst drei Riesen an, Vater, Mutter und Kind, die die anzüglichen Namen Polydoor. Polvdora und Polydoor - ken erhielten. Dendermonde soil übrigens, wie man oft hort, die schönsten Riesen haben. Man soli sie aber nicht gern aus den Handen geben, und so waren sie bei dem grossen Wettstreit, der 1890 in Briissel zwischen den vlamischen Riesen abgehalten wurde, nicht zugegen. Es wird an den verschiedenen Orte etwas verschieden sein. aber das Erscheinen und der Umzug der Riesen wird im grossen und gan zen dem in Geeraardsbergen gleichen, das mir foigendermassen m J 'j geschildert wurde. Am Festtag verlasst der Riese, ^haapu^ nydon d^ee; Die Riesen von Vilvoorde Riese, Riesin, Janneken und Mieken. Der Die Bilder sind zuerst in Vlaamsch Leven erschienen, der Zeitung wurden auch inhaltlich einige Angaben entnommen. ge Wapper" Antwerpen

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Landsturm | 1916 | | pagina 3