Vom und für den Landsturm.
G. Mit sorgenvollem Gesicht kommt eine Arbeiter-
frau. Damals, als die Peutschen einrückten. ist ihr
Mann, trotzdem er gar nicht mehr militarpflichtig war,
in walinsinniger Flucht mit so vielen anderen tibei die
Grenze nach Holland geflohen. Alle hatten es gesagt,
und selbst die Behörden hatten es bestatigt, aass die
Deutschen die gesamte mannliche Bevölkerung nach
Deutschland abführen wiirden Der Mann hat in
Holland in einer Fabrik lohnende Arbeit gelunden,
wahrend die Frau mit ihren vier Kindern auf die Güte
ihrer Mitmenschen angewiesen ist. Nun will sie zu
ihr em Mannn ziehen und bittet um einen Reiseschein.
Der kann ihr auch sicher gewahrt werden, jedoch muss
erst die Genehmigung der Passzentrale Gent eingeholt
werden, die auch die Scheine nach Holland ausfertigt.
Die Bestimmungen iiber den Reiseverkehr haben
eimge mal Aenderungen eriahren, die sich auf Giund
der Erfahrungen als notwendig herausstellten. Diesen
Betrachtungen liegen die am Ende des August v. J.
erlassenen zu Grunde, die langer als ein halbes Jahr in
Kralt waren. Sie sind seit Anfang Februar z. 1 aulge-
hoben und durch wesentlich verscharfte und emschran-
kende ersetzt worden.
N och emige Aeusserlichkeiten. Jeder,
I der einen Reiseschein haben will, hat seinen Personal-
ausweis (Eenzelvigheidsbewijs) vorzulegen. Es ist das
eine von dem Bürgermeister ausgestellte braune Kaite,
die die notwendigen Angaben über die Persönlichkeit
des Inhabers und seine Photographie enthiilt. Eine
solche Ivarte hat jeder Belgier, der alter als i5 Jahre
ist, stets als Ausweis mit sich zu fiihren.
Alle im militardienstfahigem Alter (17-35 Jahre)
stehenden mannlichen Personen und die Angehörigen
der ehemaligen Garde-civique haben ausserdem noch
eine Bescheinigung des Meldeamts, unter dessen
Ueberwachung sie stehen, beizubringen, dass gegen
die geplante Reise nichts einzuwenden ist.
Alle Personen ferner, die inbezug aul Reiseschein-
gebiihren besondere Vergünstigungen geniessen, wie
Lehrer an öffentl. Schulen, Schüler, Arbeiter, Steuer-
beamte u. s. w. miissen durch eine besondere Beschei
nigung ihrer Behörde oder des Schuldirektors bezw
Arbeitsgebers nachweisen, welcher Anstalt, Behörde
oder Fabrik sie angehören.
Radfahrer haben in Belgien (auch vor dem Kriege)
eine Provinzialsteuer vonjahrlich 5 Franken zu ent-
richten. Sie erhalten dann ein Emailleschildchen, das
alle Jahre und provinzweise nach Form und Farbe
verschieden ist. So kann die Polizei leicht erkennen,
ob von dem Fahrer die Steuer bezahlt 1st oder mcht.
Wer jetzt ein Fahrrad benutzen will, hat aul dem
Passamt die Quittung über die bezahlte Steuer, die
die Nummer seines Rades enthalt, vorzulegen Die
Nummer wird auf dem Reiseschein vermerkt. Nur
ganz ansnahmsweise wird jedocli die Genehmigung
erteilt, nach einem Orte ausserhalb des Kommandan-
turbezirks mit dem Rade fahren zu dürlen.
Aerzte und Hebammen erhalten die Eilaubms, in
der Ausübung ihres Berufs auch Nachts reisen zu
können, wahrend sonst jeder Rciseverkehx .anc.h_.zn
Fuss) zwischen 12-5 ühr morgens verboten ist. Rad-
fahren ist schon von 8 Uhr abends ab nicht mehr
•effaubt.
Reisescheine für das Etappengebiet sind weiss,
für das Gouvernement gelb, fiir Holland rot und liir
das Operationsgebiet grün.
Nicht leicht ist es manchmal fiir den Passschrei-
ber, den rechten Namen der verheirateten Frauen zu
erkunden. In Deutschland erhalt die Frau einfach den
Namen des Mannes, nötigenlalls mit dem Zusatz
geborene Soundso. So soli auch aul den Reisescheinen
geschrieben werden. In Belgien aber behalt die Ver-
j heiratete ihren Madchennamen, er wird mit auf den
1 Geschaftsschildern der Liiden angebracht. Sie .nennt
sich geradezu noch mit diesem Namen, und auf den
Personalausweisen ist sie meist mit dem Madchenna
men bezeichnet, dem nicht einmal immer zugesetzt
wird Echtgenoot (Ehegenossin) des., und nun erst
folgt der Name des Mannes.
Die Schreibweise der belgischen Ortsnamen
machte früher besondere Schwierigkeiten. Nicht
nur. weil selbst lür die rein vlamischen Orte meist eine
französische Schreibweise besteht. sondern auch weil
die vlamischen Bezeichnungen durchaus nicht emheit-
lich geschrieben wurden. Deshalb hat sich die deut-
sche Verwaltung genötigt gesehen, hier endlich einmal
reine Bahn zu schaffen. Sie hat ein Biichlein herausge-
geben, das auf annahernd 100 Seiten alle belgischen
Orte aufführt. In der ersten Spalte werden die in der
belgischen Verwaltung iiblich gewesenen französischen
Benennungen angeführt, die auch meistens auf den
Karten verwendet wurden. In der zweiten Spalte rteht
dann lür die vlamischen Orte die nun von uns Deut
schen anzuwendede vlamische Bezeichnung in richti-
ger Schreibweise.
Bei dieser Gelegenheit darf wohl auch noch auf
ein zweites Verzeichnis, das allerdings nur die Orte im
General-Gouvernement umlasst, hingewiesen werden.
Es ist vom Vorstand des Meldeamts Gross-Brüssel,
Hauptmann Schink, herausgegeben worden und
enthiilt die richtige Schreibweise der Ortsnamen in Fett-
druck, daneben in Klammern gesetzt die unrichtige,
die nun verschwinden soli. Es gibt lerner die Einwoh-
nerzahl der Orte und ihre Zugehörigkeit nach Provinz
und Meldeamt an.
Alle ehrlichen Anhanger des Vlamentums müssen
sich der beiden Arbeiten Ireuen, sie sind zugleich
Denkmaler deutscher Gründlichkeit und Gewissen-
haftigkeit..
Sie werden auch damit einverstanden sein, dass
auf den Passamtern das Französische im miindlichen
wie im schriftlichen Verkehr zu Gunsten des Vlami
schen nach Möglichkeit ausgeschaltet wird. h
AUS DER ETAPPE
Feldbuchhandlungen. Dem Verlagsbuchhaendler Her
mann Zieger-Leipzig wird das alleinige Recht uebertragen,
im Bereich der 4. Armee Feldbuchhandlungen zu betreiben.
.Teder andere Verkauf von deutschen Zeitungen,
Zeitschriften, Buechern und Ansichtskarten u. s. w. ist
in diesem Bezirk verboten. Die bestehenden deutschen Ver-
kaufsgeschaefte werden aul'geloest oder gehen in die Feld
buchhandlungen ueber, die auch den Strassenverkauf im
Beduerfnisfalle einrichten. Der Bahnhoisbuchhandel wird
durch diese Verordnung nicht betroffen.
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