Nr. 23
ll.Marz 1916
Spruch.
Wenn wir heimkommen.
AALST (Belgien).
Feiger Gedanken
Bangliches Schwanken,
Weibisches Zagen,
Aengstliches Klagen
Wendet kein Elend,
Macht dich nicht frei.
Allen Gewalten
Zum Trutz sich erhalten,
Nimmer sich beugen,
Kraftig sich zeigen,
Rufet die Arme
Der Götter herbei.
Wer weiss, wie lange es noch dauern mag, aber
einmal wird doch der trohe Tag erscheinen, da wir
heimkommen werden, da wir wieder vereimgt sind mit
Heimat, Weib und Kind, zu denen nun unsere Gedan
ken Tag für Tag sehnend und tief beglückt wandern.
Aber wie vieles ist in der langen Zwischenzeit anders
geworden Ueberrasschungen kann es geben, auf die
wir uns, hier und daheim, in unseren stillen Gedanken
vorbereiten müssen. Von solchen Ueberraschungen
schreibt Gottfried Traub inseinen ,,Eisernen Blattern":
Der Mann, der heimkommt, ist anders geworden
als zur Zeit des Auszugs. Er musste anders werden.
Wer sich diese innere Notwendigkeit von vornherein
klar macht, kommt fiber vieles leichter weg. Monate
allein unter Mannern liegen, taglich Gefahren iiberwin-
den, Strapazen trotzen, mit Gewehr und Kanone um-
gehen, Dreck und Staub als stiindigen Genossen haben,
in einer fremden Beschaftigung leben das andert Art,
Sinn und Auftreten. Nicht fremder, nicht rauher, nicht
herrischer sind sie geworden einzelne mögen so
zurückkommen aber das war nie notwendig. Nein, die
meisten werden doppelt sich nach Liebe sehen, nach
Behaglichkeit, nach Ausruhen, nach vollem Verstan-
densein. Aber anders werden sie alle sein. Darum
diirft ihr zuhause sie nicht behandeln, als waren sie
gestern erst weggegangén und kiimmerten sich jetzt
gleich um Miete und Butterpreis, um Schulaufgaben
ihrer Kinder und um das Kleid, das sich die Nach-
barin angeschafft Unsere Welt des Alltags werden sie
gern wieder teilen aber man soil ihnen Ruhe lassen
Sie müssen sich wieder zurechtfinden. Dazu gehort
I Riicksicht, Verstandnis. Die Heimkehrenden wollen
auch nicht geplagt und überiallen werden und nicht
neugierig ausgefragt sein. Sie wollen ihr Heim wieder-
finden als den höchsten Preis, um den sie gekampft.
Darum muss ein goldener Schein drin leuchten, der
nicht zu Kleinigkeiten sofort verhangt wird. Licht
j miissen wir sein, heitres, grosses Licht.
Die Frau aber, die euch zu Hause erwartet, ist
auch anders geworden. Auch sie musste anders werden.
Sie stand auf eigenen Füssen. Selbstandig musste sie
fertig werden mit sich undihren Kmdern, mit Haushalt.
Not und vielen Dingen. Sie hat sich's abgewöhnt, bei
allem zuerst zu fragen Darf ich das Handeln und
entscheiden war ihre Pflicht, und sie hat es gelernt.
Fragen, die sonst me an sie selbstherangetreten waren,
musste sie selbstandig beantworten ,,er" war ja nicht
da. Sie stand an der Windseite des Lebes, wo sonst
der Mann den ersten Sturm auffing. Sie ist nicht frem
der geworden, nicht rauher, nicht herrischer einige
mögen so geworden sein, aber notwendig war das nicht.
Wohl aber wurde sie anders. Ihre Haltung wechselte.
Sie stand am Walzofen und trug Briefe aus, sie fuhr
auf der Elektrischen und grub im Graben iiberall da,
wo ,,er" bisher war, griff sie zu, und so wuchs sie mit
ihrer ungewohnten Arbeit. Auch diese Frauen sehnen
sich wieder aus vollem Herzen nach der Heimat, nach
trautem Zusammenleben, nach der früheren Arbeitstei
lung im Hause. Auch sie sind glücklich, wenn es wieder
wird, wie ,,einst". Nur verdient sie ebenso zarte Rück-
sicht und volles Verstandnis Sie hat mit ïhrem Mann
ihr Heim verteidigt, auch wo es nicht leicht war. Das
will anerkannt werden nicht mit Lobsprüchen, noch
weniger mit Gönnermiene, sondern mit voller Ehrlich-
keit.
So schuf der Ivrieg wirkliche Kameraden, die ihre
Kammer herzlich gerne miteinander teilen, von denen
aber beide aus neuen Lebens Becher tranken auf
andere, als bisher gewohnte Art. In des Herzens Grund
sind beide gleich geblieben. Aber beide wuchsen. Sie
blieben die Alten und wurden doch wieder jung.
Das sind fröhliche Ueberraschungen. Ja, in ihnen ruht
das höchste Glück, das einer neuen grossen Zukunft.
Nur sehe jeder den andern an mit gütigem.stolzem und
dankbarem Auge Dann, dann deutsche Heimat Hur
rah Dann füllt sich das Leben wieder mit gemeinsa-
mer Kraft und verstehender Liebe. Ach Gott Lass
nur den Frieden kommen. Dann wird das alles von
selbst sich finden und, was die Not auseinanderriss,
findet sich zehnfach traulich nach überstandener Gefahr
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Goethe.