Der Gekreuzigte. In Brüssel. ganz unbekannten Dinge, Randonion genannt. Hier natürlich auch wieder einige Quartette, sogar eine ganze Bataillonskapelle bietet sich an. Selbstverstand- lich sind auch Sprechkiinstler, ehemals Rezi- tatoren genannt, vertreten, bei denen man die Aus- wahl zwischen Ernst und Scherz und verschiedenen Dialekten hat. K o m i k e r und Zauberkünstler sind sogar in einer überraschenden Menge vorhanden, unter denen auch ein Artist und ein Schnellmaler zu finden ist. Man sieht, der Möglichkeiten, Unterhaltungs- abende auszugestalten.sind viele,und da die Vortragen- den unentgeltiich sich in den Dienst der guten Sache stellen, auch die Cerate fabgesehen von den zu Kinos benötigten) umsonst zur Verfiigung stehen. diirften fur ihre Veranstaltung keine Schwierigkeiten vorhanden sein. Jedem aber, der sich damit befassen will, sei das Handbuch, das gegen einen Druckkostenzuschuss von 2 M zugesandt wird, als ein unentbehrlicher Ratgeber und Fiihrer bestens empfohlen. a - Wo der Gekreuzigte hangt, Schlug die Granate ein Alles zersprengt und versengt... Krachend, zerbarst das Gestein. Zu des Gekreuzigten Pein Schaut jetzt die Sonne herein. Durch das zerrissene Dach Strömt auch das nachtliche Sammt... Sterne, stürzen sich nach, Alles im Raume flammt Um des Erlösers duldende Mienen, 1st nachtlich ein himmlisches Leuchten [erschienen. Auf dem Bahnhof. Langsam fahrt der Schnellzug in die Halle des Nordbahnhofs in Brüssel ein. Belgisches Civil und deutsches Militar, die bisher in den mit Nur iür Civilpersonen und Nur tiir Heeresangehörige bezeichneten Wagen sauberlich auseinandergehalten waren, entsteigen dem Zuge und mischen sich unter- einander. Doch nur kurze Zeit Ein Seitenausgang zieht den Strom der Civilisten, die sich hier der Pass und Fahrschein-Kontrolle unterziehen miissen,an sich, wahrend das Militar dem Hauptportale zustrebt, um sich hier ebenfalls durch Urlaubspass und Fahrschein auszuweisen. Verweilen wir noch einen Augenblfck in der mach tigen Halle. Es ist doch manches anders geworden, seitdem wir sie vor i 1/2 Jahren zum erstenmal betra ten. Wer nur wenig Zeit als Durchreisender zur Ver- fügung hat, braucht sie nicht zu verlassen. Getranke und Speisen kann man nicht nur in den beiden Warte- salen,sondern auch in einer Soldaten-Kantine erhalten. Der Feldgraue. der vor ein paar Stunden erst aus den Schiitzengraben gestiegen ist und noch keine Zeit land, die Bartstoppeln aus seinem Gesicht entfernen zu las- i sen, findet hier emen Rasier-Salon. Eine Geld-Wech- selstube hat sich auigetan. Deutsche Zeitungen, j Biicher und Karten sind an sogar zwei Stellen in reicher Auswahl zu haben Eine Auskunftsstelle, die auch gleichzeitig Bettkarten fiir Uebernachtende aus- gibt, fehlt nicht. Eine Verkaufsstelle des Offizier- Vereins diirfte für alle militarischen Bedürfnisse Rat wissen Eine Tafel mit amtlichen Bekanntmachungen der Militar Behörde orientiert uns iiber die für Brussel geitenden Garnison-Befehle, eine Verzeichnis zahlt die für die Soldaten verbotenen anrüchigen Hauser und Strassen auf Auch die Bildungszentrale teilt hier ihre Veranstaltungen mit. Aul einer zweiten nichtamt- lichen Talel emp'ehlen sich einige meistens deutsche Geschafte und Hotels. In der Weihnachtszeit hatte man der Halle einen besonders festlichen Schmuck durch eine herrliche Riesentanne verliehen, die ein paarWochen lang im Glanze ihrer vielen Glühlampchen abends erstrahlte. Brüsseler Karikaturen. Wenn man vom Nordbahnhof aus in den Boule vard Anspach hineingeht, trifft man aul einige Laden, in denen Karikaturen aus dem Brüsseler Leben zur Kriegszeit ausgehangt sind, die immer eine dichte Schaar verstandnisvoll lachelnder Zuschauer um sich versammeln. Es 1st ja ein glücklicher Grundzug des belgischen Volkscharakters, das Schwere leicht zu nehmen und sich mit einem Scherz über vieles Miss- liche hinwegzuhelfen. Zudem hat der Belgier ein scharfes Auge für die Fehler und Schwachen seiner Mitmenschen und weiss sie mit meist gutmütigem Spott sicher zu treffen. Dafür lielern uns auch diese Karikaturen einen Beweis. Um dem Kleingeld-Mangel abzuhelfen, ist be kanntlich Zinkgeld gepragt worden, das mit mancher- lei Spott bedacht wird. Da sehen wir auf einem Bild einen Arbeiter schwer beladen mit alten Eimern, Töpfen, Dachrinnen u. s. w. Er ist als Lieferant des Palais des monnaies (der Münze) bezeichnet. Eine andere Zeichnung zeigt uns. wie schmutzige Röhren, Giesskannen, Eimer mit verdrossenen Mienen auf der einen Seite in die Prageanstalt eintreten, um auf der anderen Seite als blitzblanke Geldstücke mit lachenden Gesichtern wieder heraus zu springen Die Mode, die Fabrikmarken der Sacke, in denen das amerikanische Mehl nach Belgien heriiber kommt. auszumalen oder zu besticken, hat ungeahnte Fort- schritte gëmacht und nun auch schon in den kleinsten Orten festen Fuss gefasst. Man sollte gar nicht denken, was aus solch einem amerikanischen Sack alles ge- macht werden kann Ursprünglich in der Hauptsache nur zu Sola- u. dergl. Kissen verwandt, tritt er nun schon als Lampenschirm, Damen Handtaschchen und in hundert anderen Gestalten auf. Unser Karikaturist weiss noch eine andere Verwendungsmöglichkeit als Nachthemd. Er zeigt ein wiirdiges Ehepaar in diesem Kostüm, und wir mussen zugestehen, dass es sehr malerisch wirkt, wcnn wir den Körperteil, den man gemeinhin als den Gegenpol der Vernunft bezeich net, bei ihm mit der Indianerkopf-Eabrikmarke und bei ïhr mit goldenen Weizenahren geschmückt sehen. Die gewaltige Preisschrauberei der Lebensmittel- handlerwird weidlich bespottet. Da sitzt ein Kartoffel- handler hinter einem Zaune aul einem Berg von Kartoffeln. Ueber den Zaun aber halt er eine Angel, an der nur eine Kaïtoffel belestigt ist und nach der das (Nachdruck verboten.) Graumann.

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Landsturm | 1916 | | pagina 3