Nr. 25 1. April 1916 Flandrische Saat. Mangelnde Schulbildung. AALST (Belgien}. Deutscher Pflug wiihlt sich tiel in flandrisches Land. Leuchtend spannt Sich ein Frühlïngsbaldachin drüber, Blaue Seide mit weissen Wölkchen durchwebt, Ein Flieger auf schlanker Taube schwebt Hiniiber heriiber. Flandrische Erde, du hast viel Blut Getrunken in Wintertagen Flandrische Erde, trankst du dich satt Nun solist du tragen Nimm aus der Faust, die dich niederzwang, Keimenden Drang Und hüte ihn gut Bis zu Ernte und Sichelklang. Korn, in die Erde gesenkt, reife zu hohen Garben Denkt, Will es Ernte werden, An die andre Saat, tief hinab gesenkt In flandrische Erden Brtider, die für uns starben Korn, in Feindeserde gesenkt, reife zu deutschen Garben Ein Gesetz, das den Schulzwang in Belgien anord- net, ist erst kurz vor dem Kriege erlassen worden und wird nun unter der deutschen Verwaltung durchge- h'ihrt. So konnte es nicht ausbleiben, dass die Schul bildung der Massen ausserst mangelhaft ist. Denn abgesehen von dem grossen Teil der Bevülkerung, der überhaupt der Schule fern blieb. kann auch für eine betrachtliche Anzahl derer, die wirklich die Schule besucht haben, nicht von einer Bildung nach deut- schem Massstabe geredet werden. Sie drückten auf kurze Zeit die Schulbanke, oft nur ein oder ein paar Jahre, dazu wurde natürlich gehorig geschwanzt man war befriedigt, wenn man notdürftig ein wenig Rech- nen,Lesen und Schreiben sich angeeignet hatte. Jeden- falls waren die meisten Eltern der Ansicht, dass vöm 11. oder 12. Jahre die Kraft des Kinder viel niitzlicher in der Fabrikoder bei andere gewinnbringender Arbeit sich betatigen könne. Auch der Unterricht war nicht weit her. Er be- schrankte sich oft auf die Erlernung der genannten Fertigkeiten und auf das Einpauken von allerlei Aus- wendigzulernendem, untér dem die religiösen Stoffe den Hauptrang einnahmen. Was der deutsche Volks- schullehrer erstrebt, mit Hilfe einer genauen Kenntnis der Kindesseele den ganzen A'Ienschen zu erfassen, nicht nur die Verstandeskrafte zu fördern, sondern auch auf das Gemiits-und Willensleben knittig einzu- wirken davon konnte und kann auch heute noch (soweit eigene Beobachtungen reichem nicht die Rede sein. Auch war die Volksschule durch Erteilung einer zweiten, fremden Sprache, auf deren Erlerung noch zudem grosser Wert gelegt wurde, zu sehr belastet. J >er Erfolg war meistens der, dass die vlamischen Kin der weder ihre Muttersprache, noch das Französische recht erlernten. So steht das Volk mit ungeschultem Auge den Dingen der Welt und seiner Umgebung gegenüber, niemand hat es der Mühe für wert gehalten, ihm klare Vorstellungen zu verschaflen, sein Denken zu schulen und zu ruhigem. selbstandigem Urteilen zu führen. Als nun der Krieg kam, konnte es nicht schwer fallen, die Menge nach der Richtung hin zu treiben, wohin man sie haben wollte. Aus eigener Kraft konnte sie sich kein klares Bi 1 cl von der Lage der Dinge,und dem Gang der Ereignisse machen Sie musste das glauben, was man ihr zu erzahlen für gut befand. Die I Jebertrei- bung, die beim Von-Mund-zu-Mund-tragen am besten gedeiht, wucherte üppig empor. Und was der unge- bildete Leser sich miihsam aus dem Sammelsurium der Zeitungen klaubte und seinen analphabetischen Mitbrüdern zum Besten gab, war im Soldaten- deutsch gesprochen Mist. Man hat die Presse den Gradmesser des BiUungs- standes eines Volkes genannt. Die belgische Lokal presse liefert den vollen Beweis für die Wahrneit die ses Wortes. Wir können es verstehen, wenn sie eigene kleine Erlolge in den Himmel hob, Misserfolge ver- schwieg, ganz geringfügige Schlappen des Gegners zu grossen Niederlagen stempelte Aber dass sie solche Ammenmarchen und solches törichtes Geschwatz, bei dem ein Mensch mit einigermassen gesunden Sinnen auch bei aller nationalen Voreingenommenheit sich vol den Kopf schlagen musste, veröflentlichen konnte, zeugt ebenso für die Geistesverfassung ihrer Schrift- leiter, wie für das Publikum, dem man solche Albern- heiten vorzusetzen wagen durfte. Vor mir liegt das Aalstersche Lokalblatt De Volksstem isicherlich keines der schlechtesten im Lande) und zwar die Nr 212 vom 16. Septbr. 1914. Das Blatt umfasst nur eine Seite und doch liessei LAND Sehriftltg. Gen. W. NEUHAUS, I. Comp. Ldst. Batl. Hersfeld 2. Zt. Aalst (Belgian) Die Zeitung erscheint am I. xi. unci 21. jeden Monats. Bezugsbedingungen Bei Sammelbestellungen 1 mindestens 10 Stiiik duieh die Korhpagnien Preis 10 Pig f. d. Nummer. Abrechnung monatlich. Bei E i n ze 11 t z u c 15 Pig. der Betrag l'ür die gewünschle Zahl von Nummern ist im voraus ein/usi-nden. s OttoKpnig.

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