Nr. 29
11. Mai 1916
Frei und unerschiitterlich
Als wars ein Stiick von mir.
AALST (Belgien).
Frei und unerschiitterlich wachsen unsre Eichen.
Mit dem Schmuck der griinen Blatter
Stehn sie fest in Sturm und Wetter,
Wanken nicht noch weichen.
Wie die Eichen himmelan trotz den Stiirmen streben,
Wollen wir auch ihnen gleichen,
Frei und fest wie deutsche Eichen
Unser Haupt erheben.
Darum sei der Eichenbaum unser Bundeszeichen
Dass in Taten und Gedanken
Wir nicht schwanken oder wanken,
Niemals mutlos weichen.
Auch eine Feldpredigt.
Es denken wohl manche von euch,weil sie als Urlau-
ber in den Strassen ihrer Stadt daheim überzwerches
Weibervolk in Pariser Fahnlein sahen, mit engen
Rocken und hohen Absatzen, so dass sie keinen ehr-
lichen, rechtschaffenen Schritt machen konnten, die
Heimat wisse nicht, wie ihr euch draussen für uns
stemmen müsst. und habe keinen Sinn für das Grosse,
das der Krieg gebracht. Ich aber sag' euch Wir wis
sen es wohl, wir, aufdiees ankommt. Mit der Narretei
eitler Ganse wird auch der Krieg nicht aufraumen, und
wenn wir warten wollen, bis es auch bei uns keine
Handler mehr gibt, die in der Not Markstücke statt
Pfenninge nehmen, dann müssen wir uns schon aufs
letzte Gericht einrichten. Drum lasst man erstere am
besten laufen, die letzteren aber steekt man ein. 1st
schon etlichen passiert und 1st ihnen wohl bekommen.
Aber, so frag' ich 1st denn das Deutschland 1st
das das andere Stück von euch
Bewahre
Es gibt ein Deutschland, das dasteht wie ein
Mann, wenn es auch das grosse Schollenfallen gut
hört, das draussen im Feld die besten seiner Söhne
zudeckt. Es gibt ein Deutschland, das wartet und
hofft und vertraut und euch im stillen dankt vom friihen
Morgen bis zum spaten Abend. Es gibt ein Deutsch
land, das hammert und feilt, und packt una schickt,
und dichtet und denkt, und schindet und schafit für
euch draussen. Es gibt ein Deutschland, das nun ge-
rade neue Milliarden ohne ein Wimpernzucken blank
auf euren Tisch gezahlt hat, damit ihr habt, was ihr
braucht, zu essen, zu trinken, zu warmen, und damit
es an keinerlei Handwerkzeug fehle zum Krieg. Es
gibt ein Deutschland, das für eure Frauenund Kinder
und für die Witwen und Waisen eurer gefallenen Ka
meraden sorgt, besser alsje ein Volk in einem Krieg
irgendeiner Zeit für die Seinen gesorgt hat. Und wenn
etwas daran fehlt, wahrhaftig, es soil nachgeholt wer
den. Denn kein Almosen aus zögernder Hand, nein,
ein genitteit und geschiittelt Mass soli denen werden,
die das Grösste getan, was der Mensch tun kann. die
ihr Leben darbieten für ihre Freunde.
Das ist das Deutschland der Heimat, das eure
Arme ringsum vom Feind bewahrt haben. Mit denen
aber, die nicht gut hineinpassen in diese Heimat des
Ratens und Tatens und die auch die schwere Kriegs-
zeit nicht erneut und gewendet hat, bei denen müsst
ihr halt ein Auge zudrücken. Hat mir doch erst letzthin
einer gesagt, ein Schwab', der aus dem Urlaub wieder
hinüberfuhr in seinen Schützengraben bei Thann
Unter Zehnen draussen sagen sich Neune, wir fan-
gen ein anderes Leben an, wenn wir wieder heimkom-
men der Zehnte aber, der schon früher kein kleines
Talent zum Lump gehabt hat, ist jetzt erst recht einer
geworden
Schaut, ihr Feldgrauen draussen, genau so ist's
auch bei uns
Wenn ihr an gewisse Heimbeuter denkt, so hab'
ich über die beste Art ihrer Behandlung schon mitge-
teilt. Man muss ihnen durch Alleinsein Zeit zum Nach-
denken geben. Wenn ihr aber dabei das Theater meint,
in das in den Grossstadten die Zurückgebliebenen ein-
mal gehen. oder das Kaffeehauskonzert am spaten
Nachmittag, oder die Wanderfahrten über Berg und
Tal, die unsere ganz Jungen mit den ganz alten auch in
den Kriegsjahren machen, oder au die Schöpplein, die
unsere Alten in den Dorfwirtshausern trinken, grad so
wie vorher, so frage ich euch Sucht ihr nicht auch
euch das Leben im Graben zu erheitern mit Harmoni-
kaspielen und Singen, Skat und Sechsundsechzig, gut
Essen und Trinken, wenn ihr's haben könnt? Ist's nicht
nötig, dass ein jeglicher frisch und unverzagt sei,
draussen im Feld wie drinnen in der Heimat Unter-
schatzt auch ihr unser Dulden nicht! Es ist nicht so
hart, aber oft nicht weniger schwer. Was nützte es
euch, wenn wir die Köpfe hangen Hessen, und, anstatt
die Arme zu rühren, sie traurig in den Schoss legten
Den Nacken steif und den Kopf hoch, und das Herz
froh und unversagt, das tut uns not und euch Vom
Seufzen und an Grund dazu fehlt's in keiner Familie
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Hoffmann von Fallersleben.