Nr. 30 21. Mai 1916 Vom Vaterland. Heimat, ach Heimat...! AALST (Belgien). Wo dir Gottes Sonne zuerst schien, wo dir die Sterne des Himmels zuerst leuchteten, wo seine Blitze dir zuerst seine Allmacht offenbarten und seine Sturm- winde dir mit heiligen Schrecken durch die Seele brausten, da ist deine Liebe, da ist dein Vaterland. Wo das erste Menschenaug sich liebend iiber deine Wiege neigte.wo deine Mutter dich zuerst mit Freuden auf dem Schosse trug und dein Vater dir die Lehren der Weisheit ins Herz grub, da ist deine Liebe, da ist dein Vaterland, Und seien es kahle Felsen und öde Insein, und wohrte Armut und xMühe dort mit dir, du musst das Land ewig liebhaben denn du bist ein Mensch und solist nicht vergessen, sondern behalten in deinem Herzen. A r n d t. Als wir vor nun fast zwanzig Monaten die Heimat verlassen mussten. schieden wir sicher alle schweren Herzens, und als unser Zug ein Dor! nach dem anderen zurückliess, da tönte von unseren Lippen und aus unserem Herzen das alte Soldatenlied mit seiner unendlich schwermiitigen Melodie Heimat, ach Heimat, ich muss dich jetzt verlassen. in den milden Herbsttag hinein. Aber die frohe Hofïnung, die damals in unserem Busen lebte, dass wir in gar nicht so langer Zeit wiederkehren würden. liess uns die Tren- nung leichter erscheinen, und dann wer ahnte es damals, wie teuer ihm die Heimat in den 'vierzig [ahren des Zusammenseins geworden war und was das Ge- trenntsein von ihr zu bedeuten hatte. Nur wenige von uns waren ja für Jahre über die Grenzen des Vaterlan- des hinausgewandert, waren damals auch jung und leichten Sinnes gewesen und hatten auf heimatlichem Boden noch keine feste, liebe Statte gefunden. Des Landes Not und des Kaisers Gebot rief uns in die Fremde. Erst war uns das etwas Neues. Wir freu- ten uns an dem wechselnden Bilde, das die Stadte und Landschaften Belgiens uns boten, und hatten ein lebhaftes Interesse für des fremden Volkes Brauch und Sitten. Aber die Monde gingen, und das alles verlor bald den Reiz der Neuheit, heller und immer heller stellte sich das Bild der Heimat vor unsere Seele, und die Sehnsucht wob es in unsere Gedanken und Traume. Heimat, ach Heimat...! Waren wir denn bisher blind gewesen. Wohl hatten wir gewusst, dass unser Hessen- und Thüringerland schön ist, und unser Herz war uns aufgegangen vor Freude und Lust, wenn wir zur Frühlingszeit unsere Blicke fiber die herrliche Landschaft schweifen liessen. Aber dass es so unbe- schreiblich schön ist, wie wir es nun schauen, das haben wir nicht geahnt. O ihr Berge mit eurer freien, Irischen Lult Ihr in griinen Hangen gebettete Taler mit den Iriedlichen roten Dacherinseln im Meer der Blüten und Aehren O du deutscher Wald, mein Herz verlangt nach deinem Rauschen, nach deinem Duit und Schatten Und heisser ist unsere Liebe erwacht. Wohl war sie immer da, aber von der Gewohnheit Arm einge- wiegt, schlummerte sie in unserem Inneren. Nun reckt sie sich hoch und zieht uns mit Gewalt heimwarts. Jetzt erst fühlen wir, wie lest wir mit tausend Fiiden der Heimat verbunden waren und wie an jedem Stiick von ihr unser Herz mit allen Fasern hangtdas weiche Gelaut der Abendglocke, der Acker, der unserer Arbeit Schweiss trank, der Rosenstock, dessen erste Knospe wir unserer Frau in die Hand legten. Heimat, ach Heimat...! Ja darum bist du uns be- sonders teuer geworden, weil du die Menschen in deinem Schosse birgst, die uns heb und wert sind. Feindlich, mindestens aber innerlich ablehnend stehen uns die Leute des fremden Landes gegemiber, wie eine kalte Atmosphare liegt es zwischen uns und ihnen, und es kann auch gut nicht anders sein. Wie heimlich und wohlig aber umgab uns die Luft im Vaterlande, beson- ders im eigenen Heim.wo die Liebe um die Herzen ihre Fadenzog. Was uns früher kaum beachtete Nichtig- keiten waren ein frohes Griissen von Mensch zu Menschen beim Begegnen, ein gutes Gesprach fiber den Zaun hin mit dem Nachbarn wir lernten es jetzt als freundliches Gerank um des Lebens grauen Werk- tag schatzen. Heimat, ach Heimat...! Wenn wir heimkommen sollten, wie wollen wir dich lesthalten Indem wir von dir fortzogen, haben wir dich erst wahrhaft gefunden. Was Ludwig Thoma's Dichtermund in seiner innig- schlichten W eise aussprach, khngt in den 1 ïefen unse rer Seele volltönend wieder NDSTURM Schriftltg. Geir. W. NEUHAUS, i. Komp. Ldst. Batl. Hersteld z. Zt. Aalst (Belgien) Die Zeitung erscheint am I. xi. und 21. jeden Monats. Bezugsbedingungen Bei Sammelbestellungen imindestens 10 Stiicki dutch die Kompanien Preis 10 Pfg t'. d. Nummer. Abrechnung monatlich. Bei Einzelbezug 15 Pig, der Betrag i'iir die gewünschte Zahl von Nummern ist im voraus einzusenden. Wo ist die Heimat Ach, so weit Wer über hundert Hügel geht, Wer auf dem höchsten Berge steht, Kann sie noch nicht erschauen. Wir hören's wohl im frohen Mai, Es grüne in der gleichen Welt Der deutsche Wald, das deutsche Feld, Und wollen schier nicht trauen Wo liegt die Heimat Ach, so nan Ich weiss mit jedem Herzensschlag, Dass nichts von ihr mich scheiden mag. Nicht Berg und Fluss und Auen. n

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