Bilder aus dem Leben in der Etappe.
herbei und hingen sie den Leuten urn oder deckten sie
in ihrem zugigen Wagen damit zu.und liessen sie ihnen
auch, als der Zug abfuhr, selbst aul die Gefahr hin,
dass wir für den Verlust der Decken nachlier bestraft
werden sollten.
Eine Abteilung der Eisenbahnbau-Kompanie war
schnell zur Stelle um die Maschine wieder flott zu
machen. Fortwahrend fragten uns die Verwundeten,
ob es denn noch nicht bald weiter ginge und wie weit
es noch bis zum nachsten Lazarett sei. Wir trösteten,
so gut es ging, und versicherten, dass der Zug sich
jeden Augenblick in Bewegung setzen könne. Dabei
hat er hier bei der Kalte iünf Stunden gehalten. Als ich
zur Wachstube zuriickkehrte, hatten sich 3o Mann von
den Verwundeten aul unser Lager niedergelegt, wel
ches nur für sechszehn Mann der Wache reichte.
Einige schliefen fest, andere liess der Schmerz nicht
schlalen. Das Blut war teilweise schon durch die Ver
bande gedrungen. Ein paar sassen noch am Tisch und
rauchten oder assen und sprachen von Weib und
Kindern daheim. Von diesen erfuhrenwir, dass sie alle
bei einem Sturm auf das Fort Wavre St. ^Cathérine
verwundet wurden. Sie waren bis in die örahthmder-
nisse gedrungen und hatten dann ein lurchtbares
Feuer von allen Seiten bekommen Die leindlichen
Scheinwerfer hatten direkt aul sie geleuchtet, so dass
sie der feindlichen Artillerie ein gutes Ziel boten. Es
war in den Drahthindernissen kein Vorwarts- und
kein Rüc'kwartskommen gewesen, und dabei habe die
Artillerie immer fester zwischen sie gefeuert. Sie
stammten alle aus einem Landwehr-Regiment Alles
Leute Ende der dreissiger Jahre.
Es war ungefahr 4 Uhr geworden, als der Zug
abfahren konnte. Die Verwundeten wurden wieder
zum Einsteigen zusammengerulen. Sie verabschiede-
ten sich und dankten für unsere Hilfeleistungen. Der
Zug war schon in Bewegung, als noch ein Landstür-
mer mit einem Verwundeten aul dem Rücken ange-
schleppt kam. Es hatte ihn seine Notdurft verrichten
lassen. Der Zug hielt wieder. Dann setzte er sich wie
der in Bewegung und verschwand im Dunkel der
Nacht so still, wie er gekommen war, voll von Jammer
und Schmerzen lür das Vaterland.
12. Kontrollversammlungen.
Jede mannliche Person vom 17.35^ Lebensjahre
ist im Gebiet der Etappen Inspektion 4 der Kontrolle
des deutschen Meldeamtes unterstellt und muss nicht
nurzujeder Reise die Genehmigung dieser Behörde
einholen, sondern auch al l monatlich sich zu einer Kon
trol 1 v e r s a mml un g cm stellen. DieseKontrolle hndet für
die Bewohner des Ortes, in dem das Meldeamt seinen
Sitz hat, und die benachbarten Gemeinden im Melde
amt selbst statt, lür die entfernter liegenden Orte wird
sie in der Schule, dem Gemeindehaus oder einer Wirt-
schaft einer für sie günstiger gelegenen Ortschatt abge-
halten.
Es ist überall dasselbe Bild. Schon lange vor
Beginn der Kontrolle stehen, sitzen oder liegen die
Meldepflichtigen in den Strassen und Platzen gruppen-
weise geschart herum, hier wird noch schnell ein Spiel-
chen mit den Karten gemacht, dort noch mit dem Ball
gespielt, die meisten aber warten mit vieler Gemüts-
ruhe, beide Hande tief in die Hosentaschen, die
scheinbar keinen Grund haben müssen. versenkt und
den nimmer erlöschenden Plehenmutz im Munde, den
Augenblick ab. wo ihnen ihre zeitige, körperliche Orts-
anwesenheit amtlich bescheinigt wird. Vom Kirch -
turm schlagt's neun. Der Offizier tritt vor die 1 ür des
Hauses und macht der herantretenden Menge bekannt,
dass nunmehr die Kontrolle beginnen soli. Jeder habe
sich ruhig und anstandig zu betragen, auch dürfe nicht
mehr geraucht werden. Jeder müsse seine braune
Karte (Personal-Ausweis) und weise Karte (Ausweis
für Meldepflichtige) drinnen im Zimmer vorzeigen. Der
anwesende Ortspolizist iibersetzt das in den Dorfdia
lekt, und man muss anerkennen, dass die Leute willig
sich fügen. so dass der ganze Kontrollvorgang in aller
Ruhe und Ordnung sich vollziehen kann.
Nun beginnt der Polizist mit dem Auf rul der
Nummern, denn die Meldepflichtigen jeder Ortschaft
sind sowohl auf den Ausweiskarten wie in den Listen
nach Nummern geordnet. Die znr Ueberwachung der
Kontrollversammlung befohlenen Landsturmleute hel
len mit, und in richtiger Reihenfolge ziehen die Leute
an dem Tische vorbei, an dem ein paar Landsturm-
Schreiber dés Meldeamts die braune und die weisse
Karte prüfen und den Tag der Kontrolle sowohl auf
letzterer wie in die Liste einstempeln. Wo die Karten
allzuzerissen oder beschmutzt sind, wird die Ausstel-
lung von neuen angeordnet, auch gepriift, ob die Pho-
tographien auf den Personal-Ausweisen in Ordnung
sind.
Jede iiberwachte Person hat auf ihrem Personal-
ausweis den Stempelausdruck In Ueberwachung
Die die Verkehrskontrolle ausiibenden Posten und Pa-
trouillen können daher auf Grund der Meldekarte
leicht feststellen, ob sich der Ueberwachte auch allmo-
natlich gemeldet hat. 1st dies nicht der Fall, dann
muss er verhaftet und der zustandigen Kommandantur
vorgeführt werden.
Stralen brauchen nur sehr seiten verhangt zu
werden, denn es fehlt kaumjemand, und für Kranke
sind die arztlichen Bescheinungen pünktlich zur Stelle.
Die Leute haben ja auch alle ein gedruoktes Verzeich-
nis erhalten, das Ort, Tag und Stunde der Versamm-
lungen für ein halbes Jahr angibt. Höchstens kommt
mal einer etwas zu spat oder hat doch die brennende
Cigarette nicht wegwerfen mögen, sie werden ver-
warnt oder zu einer Straf kontrolle zum Meldeamt
bestellt. In einem Dorf sorgte sogar das Dorioberhaupt
selbst daiür, dass Ordnung herrschte und schlug eini-
gen jungen Burchen, die beim Eintritt in das Zimmer
die Miitze auf dem Kopf behielten, diese höchst eigen
handig herunter. Auch die Geistlichkeit muss sich
dieser Kontrolle unterwerfen, und oft hndet sich eine
ganze Schar von Ordensbriidern ein.
Diejenigen Personen, die beim Ausbruch des Krie-
ges Soldat waren, aber entweder nach den Niederla-
gen der belgischen Armee in die Heimat zuri'ickkehr-
ten oder als krank oder dienstunfahig entlassen wurden,
haben sich monatlich einer zwei maligen Kontrolle
zu unterwerfen. Sie haben auch folgende Verpflichtung
zu unterzeichnen
Ich verpflichte mich an Eidesstatt, meinen
Wohnsitz ohne Genehmigung des Meldeamts der
Kommandantur zunicht zu verlassen, auch
nicht gegen die deutschen Truppen und deren Verbün-
dete zu kampien und nichts zu unternehmen, was dem
Gefr. Bock, x. Komp.
1. Ldst. Batl. Altona.