Etappe.
Sprachliches aus Flandern.
das nachste Semester hergerichtet werden, um in ande-
rer Beziehung wiederum eine Statte der Bildung zu
sein nach dem Willen des Herrn Generalgouver-
neurs zur neuen Blüte der vlamischen Kultur, der
dierbaar vlaamsche moedertaal Der Dichter Th.
Sevens schliesst sein Lied Wat ik bemin
O moedertaal, o moedertaal,
Het vlaamsche volk verleert u niet
Das sei auch unser Wunsch und unsre Hoffnung
zur Rettnng eines de,ifschen Volksstamms aus französi-
scher Knechtung.
Der Krieger muss im Kampfgebraus
Den Siegespreis sich holen
Etappenarbeit geht indes
Einher auf leisen Sohlen.
Doch eng verbrüdert eisenfest
ist mit der Front Etappe
Sie ist ihr Wegbereiter, Knecht
ihr Kamerad und Knappe.
Und was aul Schienen, Strassen zog
nach vorwarts Allerwegen
schritt ihm zur Seite unbemerkt
und still Etappensegen.
Da schliesst sich eine Kette lang
von grauen Landsturmleuten,
die. wie sie ott genug gezeigt,
auch Kampf und Tod nicht scheuten.
Heil Euch, Soldaten an der Front,
Ihr, unsere tapfren Helden
Wir helfen mit. Etappe lebt
und will sich bei Euch melden.
Vlaming zijn Mit dieser Losung blieken die
Vlamlander rückwarts in ihre grosse Vergangenheit,
schauen sie um sich zum Englander, Franzosen und
-J- zum Deutschen hinüber. Wir freuen uns, wenn
die besten vlamischen Schriftsteller den Einbruch
Iranzösischen Wesens in das vlamische Volkstum mit
aller Kraft zurückweisen aber nicht alle Vlamen sind
so einsichtig wie unsere Genter LehreriiR. die ihre
Landsturmschüler als stambroeders" begrüsste, oder
wie jener Schulmann, der eine Auswahl vlamischer
Meisterdichtungen als Nederduitsche Bloemlezing
(niederdeutsche Blumenlese) erscheinen liess.
Urdeutsch ist die vlamische Sprache. Unsere
Muttersprache ist etwas Lebendiges und ist in bestan-
diger Fortentwicklung begriften. Mit dem vlamischen
Ast stiess der deutsche Sprachbaum an hinderde Gren
zen. Nicht abgestorben, nur etwas zurückgeblieben ist
derZweig gegenüber den andern, die lustig weiter-
wuchsen Wenn wir nun über gewisse Formen der
vlamischen Sprache lacheln, tun wir's mit demselben
Unrecht, mit dem unsere Kinder Grossvaters unmo-
dische Kleidung bespötteln.
Mit unsern hochdeutschen Bezeichnungen vergli-
chen erscheinen uns manche vlamischen Wörter son-
derbar und derb. Als Beispiele mogen gelten lokaas=
Köder, slokdarm Speiseröhre, mergpijp Mark-
knochen, meesterknecht Werkffihrer, meeldraad
Staubfaden, wijdbeens breitspurig. Umstandlich sind
die Wortbildungen hoeveelheid Menge (Wieviel-
heitt, hoedanigheid Eigenschaft.
Auf einer Tafel an der Stadtgrenze war zu lesen
Grens van het gebied, voor welken geen paspoort noo-
dig is. Grenze von dem Gebiet, für welches kein Pass
nötig ist). Der vlamische Schreiber hatte also für den
hochdeutschen Ausdruck passfrei keine kurze Be-
zeichnung, so dass er zu einem umschreibenden Ne-
bensatze greifen musste. Andrerseits kann man sich in
Flandern wieder kiirzer als in Deutschland ausdrük-
ken. So'liest man, dass die Hunde gemuilband
sein sollen. Wir hatten in diesem Falie gemaulkorbt"
zu sagen.
Dem vlamischen Wesen entspricht es, dass man
sich manche Verkürzungen, Auslassungen und Ver-
stiimmelungen der Wörter gestattet. Beispiele sind
bom (Bombe), mes (Messer), na (nachi, kiel (Kittel),
veer, ve(d)er (Feder), neer ne,d er (niederi, vos (Fuchs),
rijpaard (Reitplerd). Ein Beweis für den Reichtum
der deutschen Sprache ist es, wenn man in Flandern
für uns bekannte Dinge gut deutsche Ausdrücke hat,
die uns aber nicht gelaufig sind und darum fremd
erscheinen.Die Fleischbrühe wirtl vleeschnat (Fleisch-
nass) genannt, der Himmel uitspansel (das Ausge-
spannte), das Geschütz vuurmond (Feuermund), der
Fensterladen vensterblind, der Ziegelbrenner steen
bakker (Steinbacker). Für Kühle, Lange, Höhe hat
man die Wortbildungen koelte, lengte, hoogte. Aehn-
lich drückt man sich in der Kinderwelt und in der
Mundart heute noch bei uns zu Lande wohl aus.
Der Vlame hat leider wie wir eine lange Reihe
von Fremdwörtern in seiner Sprache. -Im Hochdeut
schen achtet man noch die Eigenart des Auslandischen.
Der Vlame tut dem Fremdwort Gewalt an. In Flan
dern gibt es geïllustreerde Zeitungen, gedecol
leteerde Kleider und ingekwartierdeSoldaten.
Dass der Vlame gut deutsch sich ausdrückt, wo wir
noch am Fremdwort hangen, ist in dieser Zeitung
schon manchmal mit Beispielen belegt worden. Zum
geneesmiddel (Arzenei), geneesheer (Arzt), eetlust
(Appetit) fügen wir noch hinzu dampkring (Atmos-
phare), ikzuchtig (egoistisch), vingerdoekje (Serviette),
herziening (Revision), schoonheidsleer (Aesthetik),
waterverfteekening (.Aquarell,Wasserfarbenzeichnung).
In Flandern kauft man ingenaaide (genahte)
Bücher bei uns fordert man broschierte. Für Desin-
fektion hat der Vlame das Wort ontsmetting. Smet
bedeutet Fleck ontsmetting ware also ,,Entfleckung".
Smijten (smeet, gesmeten) schmeissen erinnert uns
an die Tatigheit der Schmeissfliege. Die Wirkung des
Geschmeisses ist einer Infektion nahe vergleichbar.
Wir reden vom Glaubiger, der Vlame vom schuld-
eischer d. i. ein Mann, der die Schuld heischt oder
fordert. Echt ist nicht bloss Eigenschaltwort, son-
dern auch Dingwort und bedeutet Ehe Gatte und
Gattin sind echtgenooten (Ehegenossen). Das Heim
ist die haardstede Herdstatte). Opsteken bedeutet
anziinden. Wir denken an den Holzspan, der im allger-
manischen Hause zur Beleuchtung wirklich ange-
steckt wurde. So kommt im Vlamischen deutsches
Wesen der grauen Vorzeit zum Ausdruck.
Und nun wollen wir hinabsteigen in unsere eigene
Kinderzeit, da wir noch nicht das Hochdeutsch der
Schule sprachen, da uns noch die wilden Rosen der
Mundart umdufteten. Wir horten und sprachen
Gefr. Alfred Richard Meyer, Gent.
L. B., gekürzt aus der Borkum. Krgs. Ztg.