Zur Naturgeschichte des Landsturms.
ministers Suchomlinow, der jetzt verhaftet ist, hat in Petersburg
von jeher nur der nicht gewusst, der es nicht wissen wollte.
Einige Jahre vor dem Kriege hielt sich in Warschau der Vertreter
von Creusot auf und erzaehlte einem unserer Bekannten Nach-
stehendes.
Ich komme aus Petersburg. Es handelte sich dort urn einen
grossen Auftrag auf Kanonen, wo wir mit Krupp zu konkurrieren
hatten, und es schien, als ob der Auftrag ihm zuteil werden
wuerde. Ploetzlich kam'niir die Erleuchtung. Ich besuchte Frau
Suchomlinow und klagte ihr zunaechst, dass meiner Firma eine
solche Besteliung entgehen sollte. Die Frau Minister hoerte diese
Auslassungen kuehl an. Aufeinmal faellt mein Bliek auf einen
vergoldeten Kronleuchter, eine ganz gewoehnliche Arbeit im
Werte von einigen hundert Rubel.
Wasfuerein prachtvoller Kronleuchter", rufe ich aus,
der stellt wohl einen fabelhaften Wert dar.
Frau Suchomlinow verwunderte sich ausserordentlich,,Was
sagen Sie denn, das ist ja ein ganz gewohnliches Stueck 1
Darauf ich Durchaus nicht Das ist etwas Ausserge-
woehnliches Ich kenne Leute in Paris, die dafuer eine ganz
huebsche Summe bezahlen wuerden.
Zum Beispiel
Na vielleicht eine halbe Million Franken...
Frau Suchomlinow wurde ernst. Sie schaute mich an
Wissen Sie, fuer diese Summe wuerde ich ihn ganz gerne ab-
geben
Lassen Sie mir zwei Tage Zeit, urn nach nach Paris zu
telegraphieren
Nach zwei Tagen brachte ich ihr einen Scheck auf 500 000
Franken. Zu gleicher Zeit erwies sich, dass die Offerte der Fabrik
von Creusot guenstiger fuer die russische Regierung war als die
von Krupp.
Mit einem Wort, alles war zum besten bestellt.
Was ist aber mit dem Kronleuchter geworden
Man hat ihn mir zugeschickt, und ich verkaufte ihn einem
Althaendler fuer 75 Rubel
Na, a 1 s d a n n Den groben Korpskommandanten
in Przemysl kannte in der oesterreichischen Armee jedermann. Es
war der Feldzeugmeister G a 1 g o t z k y, einer der tuechtigsten
Generale,die Oesterreich inden letzten Jahrzehntengehabthat,und
der nicht nur wegen seiïier kriegerischen Faehigkeiten ungemein
geschaetzt war, sondern auch wegen seiner herzerquickenden
Grobheit Beruehmtheit genoss. Diese Grobheit steigerte sich je
nach Dienstgrad und Rang gegen Gemeine war er zweifellos
liebenswuerdiger, als gegen hoehere Offiziere, und besonders
verhasst waren ihm diejenigen Offiziere, die ihre Untergebenen
schlecht behandelten. Dabei war seine Grobheit mit Humor ge-
paart. Ein hoeherer Offizier seiner Korps-Intendanz war wegen
seines hochfahrenden Wesens bei den juengeren Offizieren sehr
verhasst, und einst maltraetierte der Herr Major einen blutjungen
Leutnant so, dass dieser schliesslich die Geduld verlor und sich
dazu hinreissen liess, seinem Vorgesetzten die beruehmte, durch
Goethe klassisch gewordene Antwort Goetz von Berlichingens
zuzurufen. Kaum war's geschehen, ward natuerlich dem jungen
Dachs klar, was er getan. Er erzaehlte entsetzt einem aelteren
Kameraden, dass er gewiss kassiert werden wuerde. Dieser aber
sagtezu ihm Geh' schneli zu Galgotzky, noch ehe der Major
ihm Bericht erstatten kann, und beicht' ihm 1 Das tat der
Leutnant. Galgotzky hielt ihm natuerlich ein kleines Privatissimum
ueber Subordination, aber der Unterton seiner Ermahnung klang
doch fuer den Verbrecher nicht untroestlich, und schliesslich ward
dieser entlassen mit den Worten Schwere G'schicht', aber i
wer scho sehen, was sich machen laesst Kaum ist der Leutnant
fort, erscheint zOrnig der Major und berichtet, natuerlich in einer
fuer ihn guenstigen Faerbung, den Vorfall. Denken Sie, Exzel-
lenz, diese Frechheit 1 Schreit mich an Na, haben
S' denn getan fragt Galgotzky ganz ruhig, worauf der ganz
Ueberraschte fassungslos stammelte Nein N a,
a I s d a n n sagte Galgotzky einfach, und der andere zog ab
SCHERZFRAGEN.
Was ist dieser Krieg? Ein englisches Unterneh-
men mit dem Sitz in London und mit Niederlagen in Belgien,
Frankreich, Serbien, Montenegro, an den Dardanelles Mesopota-
mien und in der Nordsee.Weitere Niederlagen werden vorbereitet.
Welches Tier ist mit der geringsten Nah-
rung zufrieden? Die Motte, denn sie frisst nur Loecher.
Was ist dasgluecklichste Ding auf der
Welt? Der Pferdeapfel, denn
1ist er fein raus,
2l raucht er schon, wenn er ganz klein ist,
3) er ist immer auf dem Damme,
4) sorgen die Sperlinge fuer seine Zerstreuung und der
Stadtratfuer sein weiteres Fortkommen.
Landsturmmanns Kleidung.
Der Landsturmmann steckte urspruenglich in einer sehr
verschiedenfarbigen Zivilhaut, aber als der Krieg kam, fing er an
sich zu haeuten. Er stieg wieder in die Soldatenkluft, die er
schon vor zwanzig Jahren abgelegt hatte. Zuerst war er blau
gefaerbt, nach und nach aber wurde er feldgrau. Bei den Beinen
fing's an und zog sich allmaehlich bis zum Helmbezug hinauf. Nur
zwei kleine rechteckige Flecken auf den Schultern erinnern noch
an die ehemalige Faerbung. Das Feldgrau ist eine Schutzfarbe,
weil man auf ihm die Flecken nicht gut sehen kann und so vor
dem strengen Bliek des Feldwebels geschuetzt ist.
Der Landsturmmann steekt meistens die Hosen in die Stiefel,
das ist sehr praktisch, weil er so alles, was er durch das Loch
in der Tasche verliert, des Abends in den Stiefeln wiederfindet.
Wie der franzoesische Soldat den Marschallstab im Tornister, so
traegt der deutsche, also auch der Landstuermer. den Generals-
streifen an der Hose, er ist aber noch sehr schmal und wird
vorlaeufig Biese genannt. Die Landsturm-Unteroffiziere sind
sehr furchtlos, denn sie tragen meistens weitleuchtende Goldlit-
zen, was doch in der Schlacht gefaehrlich werden kann. Danach
fragen sie aber nichts. In der Friedenszeit besass der Soldat
mehrere Garnituren weil das aber ein Fremdwort ist. hat
man sie abgeschafft. Jedoch hat jeder noch einen Drillichanzug.
Der Landsturmmann zieht ihn aber nicht gern an. Denn wenn
ergetragen wird, wird er schmutzig. 1st er schmutzig, so muss er
weil er die Schutzfarbenicht hat gewaschen werdén.
Wird er aber gewaschen, so wird er immer enger, und weil er
schon vorher nicht passte, passt er nun gar nicht mehr. Diesem
Uebelstand hat man auf einfache Weise abgeholfen. Man hat die
Verpflegungssaetzq unter Zugrundelegung einer genauen Berech-
nung urn so viel gekuerzt, dass nun das Zusammenschrumpfen
des Mannes mit seinem Drillichanzug gleichen Schritt haelt.
Zum Zeichen, dass die Knoepfe am Rock nicht mehr geputzt
werden muessen, tragen sie eine Krone. Wenn nun doch jemand
aus alter Gewohnheitan zu putzen fangen wollte, deuten sie ihm
gleichsam symbolisch an, dass er einen in der Krone" hat.
Zwischen den Knoepfen ist Platzfuer die Cigarren gelassen. Viele
Landstuermer haben auch einen Schirm an der eigenen
Muetze. Das praktischte Kleidungsstueck aber ist die Halsbinde.
Sie hat die franzoesischen Chemisettes und Cravates
die er einst im buergerlichen Leben nicht entbehren konnte, ver-
draengt und ermoeglicht es ihm, nach urdeutschem Gebrauche
sich gehoerig einen hinter die Binde zu giessen. h
Nachdruck der durch bezeichneten Beitrage ist nur mit
genauer Quellenangabe Landsturm (Aals«-Belg ien)
erlaubt.