HALST. Diese erste Nummer des LANDSTURMS bringt einige Abbildungen seines Geburtsortes Aalst (französisch Alost),er hofftfalls ihm ein langeres Dasein beschieden sein sollte weiterhin auch Ansichten aus anderen belgischen Stadten bringen zu können. Von Aalst ist nicht sehr viel zu erzahlen. Es ist eine bedeu- tende Fabrikstadt mit etwa 36,000 Einwohnern, die in zahl- reichen Spinnereien, Webereien, Tabaksfabriken, Schnaps- brennereien^ und Brauereien ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie ist vor allem bekannt als Hopfenstadt, aber auch die Spitzenindustrie steht in der Umgebung in hoher Bliite^ Jetzt aber ist die Gewerb- fleissigezuunwillkommener, langer Rast gezwungen.Fast alles liegt still, und viele tausende Arbeitlose sind auf die öffentliche und pri vate Mildtatigkeit angewie- sen. Es ist ein trauriger Anblick, wenn man sieht, wie die arbeitsgewohnten Manner ihre Zeit förmlich totschlagen müssen. Am Denderkanal sitzen sie und angeln vom Morgen bis zum Abend, treiben Ballspiele auf den Strassen und Plat- zen, sitzen vor den Türen und spielen stundenlang mit bewunderungswürdiger Ausdauer Karten oder ver- trinken in den Estaminets bei politischen Biergespra- chen ihre paar Centen In ihrem Aeusseren macht die Stadt mit ihren nüchter- nen Bauten ganz den Ein- druck einer langweiligen Fabrikstadt. Nur am Markt drangen sich einige archi- tektonisch interessante Bauwerke zusammen und geben reizvolle Bilder. Da ist die ehemalige Börse, das jetzige Katholische Vereins- haus mit seinem maleri- schen Saulengang und vier Renaissance-Giebeln, die von einem Türmchen über- ragt werden und das alte gotische Stadthaus, ein wahres Schmuckstück der Stadt,von dessen zierlichem Belfried das Glockenspiel stündlich achtmal zu kürzerer oder langerer Weise anhebt. Im vollkommenen Gegensatz zu diesem graziösen Bau, der heute zum Lagerraum für das amerikanische Mehl degradiert worden ist, steht die klotzig-wuchtige Fassade des neuen Stadthauses, Es dient mit seinen Nebengebauden der 15. mo- bilen Etappen-Kommandantur zum Geschaftssitz. Auf dem Platz erhebt sich das Denkmal des Buchdruk- kers Dirk Martens, der 1473 in Aalst, seiner Geburtsstadt, die erste Druckerei im Lande eröffnete hier steht auch ein Mu- sikpavillon, von dem aus an jedem Mittwoch und Sonntag- ALTES STADTHAUS MIT BELFRIED IN AALST. Mittag die wackere Kapelle der I. Comp. des Landsturm Ba- taillon Metz IV ihre Weisen ertönen lasst. Manchma! gibts auch ein Extra-Konzert, wenn der Draht uns die Nachricht von einem grosseren Siege unserer Tapferen gebracht hat. Ueber die Dacher weg sieht die Martinskirche zu uns herüber, sie ist eine der prachtigsten Kirchen im kirchen- gesegneten Belgien, aber im Langschiff noch nicht vollendet und schon vor Jahrhunderten mit einem provisorischen Ab- schluss versehen worden. Das köstlichste, was sie barg, war das berühmte Rubensbild der HI. Rochus und die Pest- kranken. Es hatte einen Millionenwert und ist jetzt ent- fernt worden und in Eng land wie man sagt, ge borgen. Vor den Deutschen hatte man es nicht zu ver- stecken brauchen, aber es war tatsachlich bei der Be- schiessung der Stadt, bei der auch die Kirche in al- lerdings geringe Mitlei- denschaft gezogen wurde, in Gefahr. Am 27. September 1914 bekam namlich auch Aalst, nachdem schon zahlreiche deutsche Truppen friedlich durchgezogen waren, etwas vom Krieg zu spüren. Bel gische Truppen waren von Antwerpen aus vorgestos- sen und hatten die Stadt besetzt. Vom linken Den- derufer aus rückten nun die Deutschen gegen sie vor, die Kanonen redeten bei- derseits ein gewichtiges Wort dazwischen, 50-60 Hauser wurden, z. T. auch durch die Sprengung der Eisenbahnbrücke, völlig zer- stört. Kaum eine Strasse blieb ohne Spuren dieses Kamp fes. Damals flohen die Be- wohner in wilder Panik nach Gent und weiter und kehrten erst nach einigen Wochen nach und nach zurück. Zahlreiche deutsche Soldatengraber in und vor der Stadt erinnern uns daran, dass auch urn ihren Besitz deutsches Blut flies- sen musste. Aalst liegt an der schiffbaren Dender, die in Friedenszeit einen lebhaften Verkehr von Schiffen, die eine Grosse von 300-350 t. haben, vermittelt.Hier führt die Bahn von Brüssel nach Gent vorüber, Kleinbahnen gehen nach Assche und Gent. Das Wappen der Stadt,deren Namen wohl von Aal-ste d.i. Wohnstatte kommt, zeigt ein aufrechtstehendes Schwert (das Sinnbild der Rechtsmacht der Schöffen und des Stadtvogtes) zwischen zwei kleinern Wappenschilden. Von ihnen tragt das linkeden Doppeladler, das Wappen des alten deutschen Kai- serreichs, und das rechte den flamischen Löwen. Die Far- ben der Stadt sind rot-weiss-gelb. Nj V

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Landsturm | 1915 | | pagina 5