Das Eiserne. Elisabeth Meinhard. Die grösste Lüge. Wappen von Aalst. (Ein Feldpostbrief.) Mein liebes Weib Ich schreibe nicht lang. Das Licht ist erbarmlich. Papier ist rar. Nur, weil es mir heute gerade so war, als sei dir Guten besonders bang, rasch ein paar Zeilen. Viel Neues gibt's nicht. Ein jeder Führer tut seine Pflicht. Die Leute haben sich prachtvoll geschlagen. Von meinen Taten ist nichts zu sagen, oder nicht viel. Bloss eins als ich gestern im Feldquartier todmüd' auf dem Strohsack niederfiel, den letzten Bliek auf dem Bild von dir und dem Buben, da tritt der Oberst herein und heftet ich wusste nicht aus noch ein mir das Eiserne auf die Brust. Und genau auf die Stelle, wo ich, du liebe Frau, das Bild bewahre von dir. Nun schmückt uns beide die eiserne Zier. Du hast sie verdient, mein starker Kam'rad, in Geduld und Sorge und tapferer Tat ich tat meine Pflicht. Und betest du still, so bet' für die HeimatMich treffe, was will Von Leuten, die einander in Lügen zu übertrumpfen such- ten, gibt es schon eine ganze Menge Geschichten. Hier ist noch eine. Dimitri Fuselowitsch, Jean Coqueliquot und Bob Beefeater, Offiziere der verbündeten glor- reichen Armeen Russlands, Frankreichs und Grossbritaniens, gegenwartig aber ausser Dien sten, nainlich gefangen und im Barackenlager zu Döbritz untergebracht, sassen trübselig bei einer Flasche Schnaps zusammen, die Dimitri Fuse lowitsch noch glücklich in der Brusttasche ein- geschmuggelt hatte und kameradschaftlich mit den beiden Leidensgenossen teilte. (Hatte die Fla sche Bob Beefeater gehort, dann hatten die beiden andern natürlich nichts abbekommen). Schliess- lich war in der Flasche noch ein kleiner Rest gerade ein Glaschen füllte er. Dies sollte wie das in solchen Lügengeschichten üblich ist, demjenigen zukommen, der die grösste, am meisten erstunkene Unwahrheit vorbringen würde. Dimitri Fuselowitsch begann Also unsere Mobilma- chung, grandios, meine Herren Proviant alles in erster Güte da. Kein einziger Lieferant hat etwas verdienen wollen; die meisten haben noch bar zugelegt, aus reiner aufopfern- der Liebe zum Vaterland. Bekleidung, einfach grossartig. Für jeden Mann war alles doppelt und dreifach da. Und warum Unsere Intendanturbeamten hatten die eigenen Taschen ausgeleert, nur urn mehr zu kaufen, als es angeor- denet war. Als es losging, bekam unser Oberst noch zehn- tausend Rubel für Pferdefutter. Was hat der herrliche Mann getan?Der Staatskasse hat er die zehntausend Rubel zurück- gegeben, er hatte selbst 9980 Rubel, die er sich in zwanzig Jahren von seiner Gage erspart hatte, zwanzig Rubel hat er sich durch Verkauf seiner Uhrkette beschafft seine Uhr machte er dann an einem Stück Bindfaden fest. Ja meine Herren, so ist das bei uns in Russland zugegangen. Donnerwetter sagte Bob Beefeater. Jetzt aber erzahlte Jean CoqueliquotJa gefangen bin ich zwar, meine Herren, aber was hat das auch die Deutschen gekos- tet Zwölf Armeekorps, meine Herren, ganze zwölf Armee korps Zuerst kamen sechs Armeekorps auf einmal auf mich los. Dass erste schoss ich mit meinem Browning nieder, das zweite hieb ich mit meinem Sabel zusammen, dem drit- ten drehte ich mit der rechten Hand die Halse urn, das vierte zerschmetterte ich mit der linken Faust zu Brei, das fünfte erledigte ich mit dem rechten Fuss durch Tritte in den Bauch, das sechste schmiss ich mit dem linken Fuss so hoch in die Luft, dass es gar nicht wieder heruntergekommen ist. Zehn Minuten hatte ich Ruhe, dann griffen mich noch einmal sechs Armeekorps an. Dieselbe Geschichte Dann fuhren sie zehn von ihren 42-cm-Geschützen auf und beschossen mich zwei Stunden lang unaufhörlich, wahrend mich ein Zeppelin von oben und ein Unterseeboot von unten bombardierten. Endlich lag ich bewusstlos am Bodem, und da kriegten sie mich. Wilhelm II. hat geweint, als er davon hörte, und zu seinem Generalstab gesagt Wenn wir noch drei solcher Helden gefangen nehmen wie diesen Jean Coqueliquot, dann sind wir vernichtet, meine Herren Donnerwettersagte Dimitri Fuselowitsch und er und Jean Coqueliquot warteten, dass jetzt Bob Beefeater erzahlte. Der aber schüttelte den Kopf und sagte Ich kann leider nicht mitmachen, meine Herren. Ich bin Englander, und ein Englander bringt, mein Ehrenwort darauf, niemals eine Lüge über seine Lippen Da gingen Dimitri Fuselowitsch und Jean Coqueliquot von dannen und weinten bitterlich. Bob Beefeater aber stülpte das letzte Glaschen Schnaps in die Gurgel. P. R. Liller Krieqszeitunq Am Denderkanal in Aalst. ..Westermanns Monatshefte."

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Landsturm | 1915 | | pagina 6