Der Herr Hauptmann. Und sein Wort Ichhab' es nicht gewollt und die ganze Selbstüberwindung der letzten Jahre, alles verstehen sie jetzt erst mit ergreifender Deutlichkeit. Der alte Arbeiter, mit dem ich sprach, fand ein wunderbares Wort für dieses tiefe Gefühl eines ganzen Volkes Sehen Sie sagte er, ich bin Organisierter. Aber das wissen wir auch schon, dass erst das eigene Volk kommt, und dann erst unsere Notdurft. Lange Zeit galt mir der Kaiser nur als der Kaiser der reichen Leute. Jetzt wo ihn die Sorgen beugen wie unser- eins und schlimmer, jetzt verstehen wir ihn und sind ihm von Herzen gut. Er ist grau geworden fügte er nachdenklich hinzu aber nichts von Genugtuung oder Schadenfreude war in diesem sinnenden Antlitz. Nur tiefes Verstehen, wie bei verwandtem Blute. Und dann kam ein Wort, das mich sehr ergriff, denn der alte Mann schloss Wenn der Krieg zu Ende ist, dann werden wir wieder einen weisshaarigen Kaiser haben, wie nach Einundsiebzig Kein Wort mehr. Der alte Mann dachte nach, seine Baume sprachen vergeblich zu ihm, er rang mit seiner harten, schweren, ungeschickten Liebe zu dem, der ihm so lange fremd geblieben war, und der sich sein Volk erdient hat, erdient in biblischem Sinne, aber wahrlich in mehr als sieben Jahren. Diesen Abend vermochte ich mit keinem Menschen mehr zu sprechen, urn die Reinheit dieses Wortes nicht zu trtiben. Ich blieb in den kleinen Garten allein, und alles war so still, als ware der Krieg schon vorbei und Friede den Menschen auf Erden geworden. Rudolf Hans Bartsch. DAS RATHAUS VON AUDENARDE Der Kobbes ist auf Urlaub. Er ist Artillerist und Bursche bei seinem Hauptmann. Auf beides ist er auch machtig stolz. Der Atollerist is der, auf den es ankommt sagt er und streicht sich seinen Kriegsbart, auf den erauch machtig stolz ist. So stolz sogar, dass er ihn nicht einmal will abnehmen lassen auf das Bitten von Mariannchen. Und als das Ma- riannchen droht, ihm dann keinen Kuss mehr zu geben, da lacht er In Friedenszeiten, ja, da hat man als mal getan, was das Schatzchen will. Aber in Kriegszeiten, da kriegt man zu merken, dass es auf die Mannsleut ankommt, auf die allein, und zu einem Kriegsmann da gehort auch der Kriegsbart, sagt sein Hauptmann. Und was sein Hauptmann sagt, darauf geht der Kobbes wie aufs Evangelium. Mein Hauptmann, der is für mich wie en Bruder. Wenn mein Hauptmann noch eine Zigarr hat, dann habe ich auch noch eine halbe. Erst raucht mein Hauptmann sie halb, und dann krieg ich sie. Und neulich, da hatt ich noch eine, Eine gute, die er mir gegeben hat. Und er hatt keine mehr. Und keiner hatt eine mehr. Und von morgens urn fünf an schossen die Franzosen wie die Verrückten. Und nun war das elf Uhr. Und kein Kaffe getrunken, und ein Magen so lang wie en Pund Bratwurscht. Nicht en Schluck Wasser und nicht en Krumel Brot. Wenn man bloss einen Mund voll Tabak hatt sagt mein Hauptmann. Zu Befehl, Herr Hauptmann, da is er sagt ich und hielt ihm die Zigarr hin. Kerl woher hast du die sagt mein Hauptmann. Von Herrn Hauptmann gestern geschenkt bekommen sagt ich. Mein Hauptmann schüttelt 'n Kopp Ne, die rauch du mal nurAber, hast du noch eine Zu Befehl ja, Herr Hauptmann Na, dann zeig sie mal her sagt mein Hauptmann. Na, das konnt ich ja nun nicht, weil's nicht wahr war. Da sagt mein Hauptmann Siehste, Freundchen, wie ich deine Lügereien kenne sagt er nu schieb ab und rauch in Frieden Und da wurd ich aber falsch. Herr Hauptmann sagt ich, wenn Herr Haupt mann nicht wollen, dann schmeiss ich sie fort sagt ich, das geht mir kunterkör (contre coeur) sagt ich, wo Herr Hauptmann so oft mir seine letzte gegeben haben Na, was wollte er machen, er hat sie halb geraucht, und dann ich die andere Halfte und wie wir am andern Tag in Ruhe gekommen sind, da hab ich zehn von seinen be%ten gekriegt und auch noch en Daler für die halbe Zigarr. So eineris mein Hauptmann. Und wenn die Schrapnells fliegen und die Granaten angesaust kommen, und wenn ein Spektakel losgeht, als wenn die ganze Hol!' sich auftut, da steht mein Hauptmann kaltblütig da und verzieht nicht eine Miene, und wenn so ein Ding trifft, dann ist er der Erste, der nach dem armen Kerl kuckt, und ich hab' ihn noch nicht den Kopp in die Schutter ziehen sehen, und neulich hat er gesagt Jungens" hat er gesagt, nur immer mir nach, dann is es schon rich- tig, und das Maul nicht verzogen, so lang ich's nicht verzieh, und der Teufel soil Euch mitsamt den Stiefeln holen, wenn ich was anders zu sehen kriege Dafür ist aber keine Not, denn was seine Leut sind, die gingen für ihn durch die Höll' und verschluckten den Deuwel für ihn mit'n Schwanz zuerscht. Und neulich, wie's drauf angekommen is, da hat er mich gerufen und hat gesagt Jakob hat er gesagt, wenn mir was passiert, und du kannst bei mir bleiben, da is es gut, aber wenn das nicht möglich is, da lass mich nur liegen, wo ich lieg, und wenn ich dabei bleib, dann gehst du nachher zu meiner Frau, wenn du durchkommst, und sagst ihr, ich lass sie und die Kinder grüssen und ich war eines Ieichten Todes gestorben, wenn's auch nicht so ist, und zu sagen hatt ich nichts mehr, weil sie alles weiss, als dass sie sich fügen soil drin, und die Jungen zu tüchtigen Soldaten erziehen Ich habe nichts sagen können darauf, der Hals war mir zugeschnürt, aber dann hat er noch gesagt Na und was soli ich deinen Lieben bestellen, wenn's nötig sein sollt und da hab ich gesagt: Herr Hauptmann haben letzthin gesagt, wir sollten immer Herrn Hauptmann nach, Diisseldorfer General Anzeiger

Digitaal krantenarchief - Stadsarchief Aalst

Landsturm | 1915 | | pagina 4