Armierungssoldaten wiederaufsuchen. Wohl nur für ein paar schnell dahin- geflossene Urlaubstage, aber wer hatte anfangs daran ge dacht, dass so etwas überhaupt möglich ware im Krieg, und dass diese Tage so inhaltsreich an Glück und Liebe waren, das danken wir der langen Trennung, die voraus ging. Wir haben am eigenen Leibe erfahrp-^ wie gewissenhaft unsere Militar-Verwaltung für jeden einzelnen Mann ihrer Millionenheere sorgt in Kleidung, Verpflegung und Ausrüs- tung bis in die kleinste Kleinigkeit hinein. Wenn nicht gleich am Anfang alles zur Stelle war, so beweist das nur, dass wir wirklich nicht-wie unsere Feinde wollen - auf einen solchen Krieg vorbereitet waren. Wir empfinden es hier draussen auch doppelt, wie stolz wirsein dürfen auf unser Deutschland, auf seine Organisation, auf die Kraft und einmütige Opferwil- ligkeit des ganzen Volkes.Nicht nur nach aussen hin erstarkt, sondern auch innerlich gewachsen und reifer geworden, wird es aus dieser schweren Zeit hervorgehen, und diesen Segen werden auch wir an uns verspüren, gerade weil wir aus der Enge in die Weite, aus den gewohnten alltaglichen und darum abstuinpfenden Verhaltnissen in ein Neues, Anderes hineingerissen wurden. An Geld und Gut haben wir alle mehr oder weniger verloren, innerlich aber sind wir reicher geworden. Am 18. August ist ein Jahr verflossen, seitdem das Landsturm Bataillon Hersfeld auf des Kaisers Ruf zusam- mentrat. Unsere tapferen Heere haben in dieser Zeit mit Gottes Hilfe Grosses vollbracht. Auch das Landsturm Bataillon Hersfeld hat seine Schuldigkeit getan. So soil es, auch in Zukunft bleiben. Und mag der Krieg noch so lange dauern, wir werden als deutsche Manner wie bisher, so auch ferner treu unsere Pflicht erfiillen, wo immer es auch sein mag. Es lebe der Kaiser und unser grosses, herrliches Vater- land von Griesheim. Ein schöneres Geburtstagsgeschenk konnte dem Batail lon nicht werden als dieser Regiments-Befehl seines Obersten. Das Bewusstsein, dass wir in dieser grossen Zeit unsere Pflicht als deutsche Manner erfüllten an dem Platze, auf den wir gestellt wurden, wird spater wie ein helles Licht über diesem Jahre liegen. In einem deutschen illustrierten Familienblatte war jüngst das Bild des Armierungssoldaten Hugo Lünse, Zim- mermann aus Dorumbach in Pommern, veröffentlicht, mit der UnterschriftDas eiserne Kreuz für einen Schipper!" (Lünse schlug an der Spitze einer Kolonne deutscher Armie rungssoldaten im Volksmund Schipper" genannt eine russische Kosakenabteilung in die Flucht, nachdem er den ersten Kosaken, rasch entschlossen, mit dem Spaten nieder- geschlagen hatte. Hugo Lünse erhielt für diese seine Geistes- gegenwart das Eiserne Kreuz Von diesen Schippern die ebenso brav und treu ihre Arbeit fürs Vaterland leisten, wie jeder andere deutsche Soldat, sei hier nach der Liller Kriegszeitung" erzahlt. Manche glauben, Armierungsarbeiter und Armierungs soldaten sei dasselbe Die neue Einrichtung der Armie rungssoldaten ist erst jüngst geschaffen worden, da der Versuch mit den Armierungsarbeitern nicht den gewünschten Erfolg gehabt hat. Weil das militarische Muss fehlte, blieben die Leistungen hinter dem, was gefordert wurde, zuriick. Auch brachte der Mangel an Uebersicht über die Anforderungen an die Armierungsarbeiter zuviel ungeeignete Krafte an Verrichtungen,die eine gewisse Fachkenntnis erfor- derten, schliesslich drangten sich aber auch Leute in die Aufsichtsstellen, die nicht genügen konnten. Ferner kosteten die vielfach mangelhaften Leistungen erhebliche Geldauf- wendungen, so bekamen z. B. Aufseher den Tag 12 Mark. Da sie bei der arztlichen UntersuchHng als felddiensttauglich befunden wurden, bekommen sie jetzt als Armierungssol daten für dieselbe Tatigkeit 56 Pfennige. Denn derGesichts- punkt ist ganz gerechtfertigt, den ungedienten Landsturm ebenso dem Dienste des Vaterlandes nutzbar zu machen, wie den gedienten warum soil jemand, der nicht gedient hat, dafür auch noch mehr Geld verdienen als ein Ge- dienter Sehen wir uns nun einmal die Arbeiten unserer Armie rungssoldaten da draussen praktisch an Draussen zu den Stellungen müssen wir hinauswandern Der Ausbau beginnt an einer Reihe von Punkten gleichzeitig, sodass immer alle Leute beschaftigt werden können und zwar stets dieselben für bestimmte Arbeiten. Man tut dies deshalb, damit jede kleinste praktische Erfahrung ausgenutzt wird. Wenn bei so einer Arbeitseinteilung auch nichtjeder Armierungssoldat in seinem bisherigen Berufe tatig sein kann, so wird doch da- nach getrachtet, immer jedem die grösstmögliche Berücksich- tigung seiner körperlichen Leistungsfahigkeit zu gewahr- leisten. Hier sehen wir Leute Schützengraben und Wolfs- gruben ausheben, dort werden Pfahle in Seitenbefestigungen eingerammt, hier werden welche mitVorrichten von Hölzern und Brettern beschaftigt, da macht eine Gruppe Drahtar- beiten. Alle Berufe sind vertreten, vom Landrichter und Rechtsanwalt bis zum kleinen Büroschreiber, Fabrikant und Markthelfer arbeiten eintrachtig nebeneinander. Angehörige freier Berufe, die sonst daran gewöhnt sind, sich bedienen zu lassen und körperliche Arbeit nur vom Hörensagen kennen, sind als Hilfsarbeiter bei den Handwerkern unter den Armie rungssoldaten tatig. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit ent- steht in wenigen Tagen ein kilometerlanger, peinlich sauber ausgestochener Schützengraben, mit bornbensicheren Unter- standen ausgestattet. Und vor ihm entsteht gleichzeitig ein Stacheldrahtschutz, kunstgerecht, wie von Pionieren ange- legt. Wir gehen zum Arbeitsplatz hinüber, wo unter Leitung einesTechnikers die Leute mit demZuspitzen vonHolzpfahlen und Schneiden von Brettern beschaftigt sind. Glühend heiss brennt jetzt die Sonne. Hier arbeiten,bis auf Hemd und Hose entkleidet, eine grössere Anzahl Akademiker. Haben doch an die 30 Mann im Bataillon die Berechtigung zum Einjahrig- Freiwilligen-Dienst Mehrere Lehrer, ein Bankdirektor und ein Assessor schleppen hier den auf Holzrollen gewickelten Stacheldraht heran, und flechten den stacheligen Faden zwischen eingerammten Pfahlen kunstvoll zu einemundurch- dringlichen Gebilde.Urn 3 Uhr sammelt sich alles kompagnie- weise zum Abmarsch ins Quartier. Urn 4 Uhr heisst's erneut antreten, zum Exerzieren und zum theoretischen Unterricht, denn die Herren Armierungssoldaten sollen doch nach Kraften auch noch zu Kriegern ausgebildet werden. Nach dem hierauf erfolgenden Reinigungs- und Erfrischungs- bad gibt es urn 7 Uhr nochmals Kaffee, dann ist Arbeitsbe- schaftigung, bestehend aus Kleiderreinigen, Sachenausflicken usw., ab 8 Uhr heisst meistens die Parole Strohsack", um auf ihm bis zur nachsten vierten Morgenstunde Kraft zu neuen Taten zu schöpfen. Ja, ja, leicht ist das Leben eines Armierungssoldaten nicht, aber gesund, kerngesund Und fragt man einen, wie ihm denn das Leben als Armierungssoldat bekommt, so erhalt man meistens herzerfreuende, frische Antworten, wie Nach Marienbad brauche ich dieses Jahr nicht, Herr Haupt-

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Landsturm | 1915 | | pagina 2