Unsere Truppen als Festungsbezwinger. haupt die Aufsicht darüber auszuüben, dass die festge- setzten Höchstpreise eingehalten werden. Sie betragen im Etappen- und Operationsgebiet der 4. Armee nach der letzten Festsetzung vom iTWSgust fiir Rindfleisch (Schlacht- gew.l 2,40 - 3,40 Fr. fiir Schweinefleisch 2,50 - 3,20 Fr. fiir das Kilogramm Landbutter soli fiir 1 kg 4 Fr. (Ladenpreis 4,20 Fr.) und ein Ei 0,15 Fr. kosten. Aber bei dem grossen Buttermangel können die Bauern leicht unter der Hand höhere Preise von den Stadtern erzielen, zumal es den Wohl- habenderen bei guter Ware auf 10 Ctms nicht ankommt. Hier schreitet unsere Landsturmpolizei scharf ein und hat schon manchen Uebeltater erwischt, zumal die Kauferinnen selbst in Empörung über die unverschamten Forderungen manche Falie zu ihrer Kenntnis bringen. Auch sonst sptirt man den Einfluss des Krieges auf dem Markt. Der Zeitungsverkaufer, der unermüdlich sein Blatt ausruftDe Werkman, één cent het dubbel blad, het laatste nieuws van den oorlog (Der Werkmann einen Cent 2 ctm das Doppelblatt, das Neueste vom Krieg) macht ein gutes Geschaft. Das viele Papiergeld das, mit dem Krieg gekemmen ist, macht auch für den einfachsten Mann den Besitz eines Taschenbuches, ein ganz billiges Ding, zwei Pappdeckel mit ein paar Bandern, nötig. Unermüdlich schreit der Verkaufer den Vorüberziehenden zu Een zakboek voor zeven cent en half, het gemakkelijkste wat er bestaat. (Ein Taschenbuch für 7 '/2 cent, das bequemste, was es gibt). Hier führt einer seine Carbure (Carbid) Lampen vor. Schon werden die Tage kürzer, der Preis des Petro leums (2,40 Fr. für 1 1.) ist nicht zu erschwingen, der Krieg wird viel leicht noch den Winter hindurch dauern da ist eine solche Lampe nicht zu verachten. Ein anderer hat an einem Gestel! Kriegskarten aufgehiingt, vor allem ein grosse Karte vom Yser-Gebiet. Er macht schlechte Geschafte, denn wozu eine Karte, die Zeitungen liigen ja doch alle mitein- ander. Besser fahrt schon jener, der auf einem Tisch Solda ten der belgischen Armee in bunten Tonfiguren ausgestellt hat. Infanterie, Artillerie, Kavallerie, alles ist zu haben, und manches Mütterchen, das draussen jenseits des Yser-Kanals einen Solui stehen hat, kauft sich solch einen „Piot" (Linien- soldat) und lasst ihm von dem Verkaufer die Nummer des Regiments, bei dem er dient, an die Mütze malen. Vor einigen Monaten konnte man auch noch Sanger, ein Madchen und zwei Manner, ihre vlamischen Lieder singen horen. Meistens Couplets oder coupletartige Lieder, denn an Volksliedern fehlt es jsehr in Flandern, deren Texte nach dem gar nicht üblen Gesange verkauft wurden. Ihr Gesang ist von Kommandanturwegen verboten, wahrscheinlich haben sie auch solche Lieder in ihre Vortrage hineinge- schmuggelt, die man nur ganz heimlich hinter verschlosse- nen Türen summen mag z. B. De Duitschers zijn benauwd Ze beven voor de kou Ze moeten alle dagen terug Over de IJserbrug. (Die Deutschen sind bange, sie beben vor Kalte, sie mussen stets über die Yserbrücke zurück.) Man sieht, ziem- lich harmlos, wie es überhaupt alle Spottlieder (soweit sie mir bekannt wurden), die die Vlamen auf die Deutschen verfasst haben, sind. So schnell, wie am Morgen die Handelsstadt aufgebaut wurde, so schnell ist sie auch verschwunden und bis kurz nach Mittag ist alles geraumt. MARKTPLATZ IN ST. NIKOLAS lm Westen fielen neun Festungen in unsere Hand Lüttich, Namur, Longwy, Montmedy, La Fère, Laon, Maubeuge, Antwerpen, Lille und ausserdem s e c h s Forts: Manoviller, Givet, Les Ayvelles, Hirson, Condé, Kampdesomoins. Im Osten verlor Russland zwölf Festungen: Libau, Rozan, Pultusk, Iwangorod, Warschau, Lomza, Ostrolenka, Kowno, Nowo-Georgiewsk, Ossowiec, Brest- Litowsk und Olita. Die Wegnahme der festen Platze in Belgien und Frankreich fallt in die ersten zehn Wochen des Krieges die der russischen Festungen begann abgesehen von der Besetznng Libaus am 8. Mai 1915 erst am Ende des ersten Kriegsjahres. Trotz in der Zwischenzeit fiberall gesammelten Erfah- rungen blieb aber das Bild in seinen Grundzügen unver- andert. Einer regelrechten Belagerung durch deutsche Truppen widersteht kein fester P 1 a t z In kurzer Zeit erliegen die Werke und Nerven der Besatzungstruppen der ungeheuren Wirkung der deut schen und österreichisch-ungarischen schweren Geschiitze. Lüttich fiel in uberrumpelndem Stürme. Namur nach fnnftagiger, Maubeuge nach zweitagiger Beschiessung. Antwerpen, die starkste Festung der Welt, fiel nach zwölftagiger Belagerung durch verhaltnismassig schwache Truppen. Einen Teil der obengenannten Festungen und Forts verteidigten die Franzosen überhaupt nicht, ein anderer Teil wurde ihnen nach kurzer Beschiessung genommen. In mehreren Fallen war ein Infanteriesturm nicht mehr nötig. Ganz ahnlich erging es nun auch im Osten Libau, Rozan, Pultusk, Lomza, Ostrolenka, Ossowiec und Olita fielen ohne regelrechte Belagerung. Warschau gaben die Russen preis, als die Bloniestellung von unseren Truppen genommen war. Praga raumten sie nach vier Tagen, Iwangorod wurde am dreizehnten Tage nach Beginn der Angriffe besetzt, Kowno noch zwölftagiger Beschiessung. Aber auch die Einnahme der grossen Festung Nowo- Georgiewsk mit ihren mehr als 700 Geschützen und fiber zwei Armeekorps Besatzungstruppen dauerte wenig langer. Am 7. August fiel schon das Fort Dembe, am 10. August war der ganze Platz in unserer Hand. Bei Brest- L i t o w s k wurde eine Woche lang um die Vor- stellungen gekamft, dann die standige Befestigung sofort im Sturm genommen.

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Landsturm | 1915 | | pagina 4