Pitter Rüngs. Dies und das. Unsere Gegner haben keine auch nur annahernd iilin lichen Erfolge im Kanipfe gegen Festungen aufzuweisen. Tsingtau und Przemysl fielen erst nach monatelanger Belagerung voll heisser Kampfe ruhmreich. Die Feste Boyen blieb unein- nehmbar. So sind wir vorderhand berechtigt, die Fahig- keit zu einer überraschend schnellen Bezwingung fester Platze als eine besondere Eigenart der deutschen Truppen und unserer Verbrtfi de ten anzusehen. Den Fiihrern, die so Grosses erzielt haben, den Tapferen, die es durchstritten haben, den Mannern, die dazu die gewaltigen Waffen ersonnen und gefertigt haben, schulden wir daf fir um so mehr Bewunderung und Dank. Ich sass im Gasthaus eines ganz kleinen Eifeldorfes, weit ab von jeder Eisenbahn, von jedem Larm. Aber die Bergkuppen, die jetzt mit ihrem Buchengrün ganz unbe- schreiblich schön und strahlend leuchten, trennen diese kleinen Dörfer nicht von dein grossen Geschehen da draussen. Ein Landsturmmann mit dichtem, dunklem Bart, ein mehr als Vierzigjahriger, sass am Tische, vor ihm der kurze, dicke Wirt mit der Pfeife im Mund. Der Wirt bot dein Land sturmmann eine Zigarre nach der anderen an und liessdas Glas seines Gastes nie lange leer. Er wollte von da draussen horen, fragte nach Schützengraben und Unterstanden, nach Granatfeuer und Schrappschüssen Aber der Landsturm mann war stil! und wortkarg und liess sich die kurzen, rauhen Satze aus dem Munde Ziehen. Ich merkte bald, dass er auf Urlaub aus den Vogesen und erst seit einer Stunde im Heimatdorf war. Der Wirt nahm Feldblumen aus dem Glas auf dem Tisch, schmückte den Landsturmmann mit allem, was er hatte, steckte ihm Vergissmeinnicht, Stiefmiitterchen und frisch erbliihtes Wiesenschaumkraut in die Knopflöcher des arg mitgenommenen Waffenrockes. Auf dem Hartmanns- weilerkopf hatte der Landsturmmann Unterstande gebaut. Eine Gewehrkugel war ihm dabei unter der Achsel her durch den Rock gefahren, ohne eine Wunde zu machen. Der Wirt staunte, dann steckte er dem Mann lachend ein Stengelchen lichtblauen Ehrenpreis ins Schussloch. Die Tür ging auf, und ein Madchen, dürftig ge- kleidet, mit straff geflochtenen Zöpfen, kam herein. Sie setzte sich zu dem Landsturmmann auf die Bank, lehnte sich dicht an ihn und schaute ihn immerfort aus grossen, lieben, hellblauen Kinderaugen an. Der Landsturmmann gab ihr ein paar Blumen ab, liess sie einen Schluck Bier trinken und legte die grobe, zerfurchte Hand auf den blonden Kopf. Wieder ging die Tür,wieder kam ein Madel herein und hinter ihr her fünf Buben, und alle scharten sich um den Vater, setzten sich auf seine Knie, drangten sich neben ihn auf die Bank und betasteten die Frühlingsblumen, die den Vater schmückten. Nach einer Weile kam noch ein ganz Kleiner Bub hereingestürzt, der schrie mit heller Stimme Vadder, Modder saag, ehr sellt esse kumme Der Landsturmmann gehorchte aufs Wort und ging mit seinen acht Kindern zur Mutter. Ich sah ihn breitbeinig über die Dorfstrasse gehen,die Blumen schwippten in allen Knopf- löchern. Das war der armste Mann im Dorf, der Pitter Rüngs, sagte mir der Wirt nachher. Erarbeitet auf Gelegenheit bei den Bauern, tut Botengange und lautet die Glocke in der Kirche.Und Frau und Kinder bestellen das kleine Aeckerchen oben am Hang. Seit sechs Monaten ist er nun in den Vogesen, kommt vom Hartmannsweilerkopf und geht wieder hin zuin Hartmannsweilerkopf. Er hat acht Kinder und hat sein Leben lang brav gearbeitet. Da freut's einen, wenn so ein Mann gesund wiederkomnrt Der Wirt schneuzte sich in sein grosses, rotbuntes Taschentuch, ging zum Schanktisch, füllte eine grosse Kanne mit Bier und rief seinen Jungen. Trag das mal rüber zum Pitter Rüngs Ueber den grünen Eifelbergen lachte fröhlich die Abend- sonne. Sie freute sich, dass der Pitter Rüngs, der armste Mann im armen Dorf, so tapfer mitgeholfen hatte, die Eifel- berge vorm Feind zu schiitzen, und dass der dicke Wirt in der Heimat so dankbar war. Kurt Küchler EIN ALTES TOR IN NINOVE. Vor einen Jahr. Im Nonnenkloster zu Hae ltert bei Aalst. Es war Anfang September, da zitterte durch ganz Belgien eine Stimmung des Aufruhrs. 100.000 Englander sollten im Anmarsch aus Ostende sein, von den geplanten Ausfallen aus Antwer pen wusste offenbar auch ein grosser Teil der Bevöl- kerung, in der sich eine verdachtige Unruhe bemerkbar machte. Damals inarschierte unser markisches F^egi- ment, von Brüssel kommend, durch Ostflandern, in Aalst, (Alost) zeigten sich noch deutlich die Spuren der letzten Strassenkampfe gegen belgische Freischaren, mit denen wir auch eine Woche vorher zu tun gehabt hatten. Etwa vier Kilometer südwestlich Aalst liegt ein Flecken Haeltert. Hier kam unser Bataillon am 8. September 1914 ins Quartier. Unserer Kompagnie wurde ein Gebaudekomplex zugewiesen, der sich nachher als ein Kloster, den Orden weiss ich nicht, auswies. Was half's wir mussten nach einem achtsttindigen überaus anstren- genden Marsch in grosser Hitze unterkommen. Madame Mère wurde ans Torfenster gerufen und war nach einigem Düsseld. Gener. Anzeiger.

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Landsturm | 1915 | | pagina 5