Verhandeln gewillt, uns hereinzulassen sie bat nur, die Bevölkerung zurückzuhalten, was gern versprochen wurde. Im strammen Tritt rückten unsere bartigen, sonngebraunten mit Schweiss und Staub bedeckten Brandenburger in den geraumigen Klosterhof. Neugierig sahen die Schwestern dem ungewohnten Aufmarsch zu. Da stand der erste Zug, und der stramme Oberleutnant kommandierte Gewehr ab Wie ein Schlag sausten die Gewehre mit preus- sischer Schneidigkeit herunter. Das war den Nönnchen zuviel ein vielstimmiger halbunterdrückter Aufschrei als ich mich umsah, war der Fleck leer, wo sie alle gestanden hatten. Sie dachten wohl, das war ein Kommando zum Feuern und waren vor den so wild aussehenden be- rüchtigten Barbaren in den Keiler geflüchtetAllmahlich beruhigten sie sich und bald konnte man Soldaten und Schwestern eifrig und eintrachtig bemüht sehen, die zum Kloster gehörigen Schulniume durch Zusammenstellen der der Banke und Auslegen von aus der Klosterscheune geholtem Stroh zur Nacht herzurichten. Die Gulasch- kanone kam auch auf den Hof, bald sass alles gemütlich herum, kein Misston von irgendeiner Seite störte das Einvernehmen. Die Offiziere wohnten in dem Altman- nerspittel eines Nebenflügels, sehr sauber und nett. Wir wollten uns unser Essen selber bereiten, aber Madame Mère hatte für uns gesorgt und liess uns einen vorzüglichen Schweinebraten reichen, wofür wir uns mit einer Spende für ihre Armen revanchierten. Am nachsten Morgen mussten wir weiter. Gewiss ist das Kloster froh gewesen, die ungebetene Gafte loszuwerden, aber wir Barbaren schieden als gute Freunde mit herzlichem Handedruck aus dem belgischen Kloster. An der hollandisc h-b elgischen Gren- z e. Seit einiger Zeit wird von der deutschen Militar- behörde die belgisch-hollandische Grenze auf solche Weise versperrt, dass es in Zukunft den heimlichen Ueberbringern von Konterbande und verbotenen Briefen nur schweriich möglich sein wird, aus dem Gebiet der deutschen Verwal- tung in Belgien zu entschliipfen. Alle Stellen, an denen man die hollandische Grenze passieren kann, werden mit einem grossen Drahtnetz umzaunt, durch das ein elektrischer Strom führt. Einige Hollander, zumeist aus der Provinz Zeeuwsch-Vlaanderen, denen die deutsche Regierung gestat- tet hat, ihre in Nord-Belgien liegenden Giiter zu bestellen, sind wiederholt Zeuge gewesen, welche verhangnisvollen Folgen jedes unbefugte Ueberschreiten der Grenze nach sich zieht.Das Algemeen Handelsblad gibt von dieser Grenz- sperrung und den neuen durch sie geschaffenenVerhaltnissen ein anschauliches Bild. Die Schliessung der Grenze mittels elektrischer Drahte nahert sich ihrer Vol- lendung. Sie ist jetzt fortgeschritten bis Middelburg in Vlaan- j dern. Und man schickt sich an, auch den letzten Teil zu legen, von Middelburg bis Knocke. Nicht nur deutsche Sol daten arbeiten an der Versperrung; auch Biirger aus Knocke, sie sind dazu verpflichtet, aber empfangen einen guten Tage- lohn.namlich 5 Franken. Mit einem riesigen Lastauto werden sie jeden Morgen an die Grenze befördert. Auch über den Kanal zwischen Bri'tgge und Sluis soil der Draht gelegt wer den, aber so hocli, dass ein Schiff unbehelligt unter ihm hin- durchfahren kann. Noch immer scheint man sich derGefahren dieser Versperrung nicht völlig bewusst zu sein. Immer wie der wird ein Schmuggler oder ein Kurier das Opfer seiner Versuche, den Draht zu überschreiten. In den letzten Tagen noch kam auf diese Weise bei Saint Laurens ein Belgier ums Leben. Er versuchte, über den Draht zu springen, aber blieb mitseinem Fuss stecken,schlug vorn über und kam unmittel- bar mit dem vollen Strom in Berührung. Sein toter Körper hing schwarzverbrannt am Draht und wurde spater wegge- raumt. Wieviele Menschen werden noch als Opfer fallen, ehe man begreift, dass mit diesem Draht nicht zu spotten ist. Merkwiirdig, wieviele Hunde, Katzen und Hühner ani Drahte hangen bleiben. Immerhin begreift man, dass der wahre Schmuggler und Kurier sich von der Gefahr nicht abhalten lasst, und die sonderbarsten Mittel werden erfunden, urn ihr zu entrinnen. Mag es auch dem oder jenem doch einmal ge lingen, die Grenze zu überschreiten die neue Versperrung funktioniert doch vorziigiich, und es gehort zu den Ausnah- nien, wenn Jemand hinüberkommt. Wenn nun bald der Draht in seiner ganzen Lange gelegt und die Ernte geborgen ist, dann wird es so ziemlich unmöglich, die Grenze zu über schreiten. Genau so wie heute. Eine deutsche Dame, die wahrend des Krieges von 1870/71 in Brüssel lebte, erzahlt in dem Düsseld. Gener. Anzeiger von der dama- ligen politischen Stellungnahme der Belgier folgendes Meine Verwandten waren mit ihren Gesinnungen auf französischer Seite, wie alle Belgier. Ich junges Madchen mit meinem deutschen Herzen hatte viel zu ertragen. Ueberall Hass gegen Deutschland. Jeder Belgier war überzeugt, dass die Franzosen siegen würden. In jeder Nachricht, die vom Kriegsschauplatz kam, waren die Franzosen Sieger, und höhnisch wurde mir das mitgeteilt. Die deutschen Sieges- nachrichten wurden nicht geglaubt und als Schwindel be- zeichnet. Und als Sedan kam und die Gefangennahme Napo leons, hart an der belgischen Grenze, da war in Brüssel Trauer, als ob Belgien besiegt worden ware." Die Berichte der belgischen Gesand- ten. Der Reichskanzler hat in seiner letzten eindrucks- vollen, grossen Reichstagsrede die Aufmerksamkeit der weitesten Kreise auf die Berichte, die die belgischen Ge- sandten in Berlin, London und Paris an ihre vorgesetzte Behörde, das Ministerium des Aeusseren in Brüssel, richteten, gelenkt. Diese Berichte sind in den Jahren 1905-1914 verfasst worden. Alle drei Vertreter sind einig darüber, dass Paris und namentlich London internationale Verwickelungen herauf- beschwören, die die schwersten Folgen nach sich ziehen müssen, wahrend Berlin eine friedfertige Politik treibt. Am wertvollsten sind die Berichte des belgischen Gesandten Grafen de Lalaing, der seit dem 20. Juli 1903 Belgien in Lon don vertritt, und auf diese stützte sich im besonderen der Reichskanzler, als er die amtliche Politik Englandskennzeich- nete. Graf de Lalaing durchschaute das ganze Einkreisungs- netz der uns feindlichen Faden, die alle in London zusam- menüefen, erblickte doch König Eduard in der persönlichen Förderung der englischen Einkreisungspolitik Deutschland gegenüber eine seiner Lebensaufgaben. Diese Berichte sind scharfe,schneidige Waffen in unserer Hand, und wir dürfen sie als objektive Feststellungen im Rahmen unserer Verteidigung gegen böswillige Angriffe mit gutem Rechte verwerten. Wahrend vielfach deutsche Inte ressen nach dem Urteil dieser Diplomaten zu kurz gekommen sind, haben sie nirgends einen Fall entdecken können, wo Deutschland britische Interessen absichlich durchkreuzt hat. Ja, in diesen Berichten findet sich der Satz Es entspreche durchaus den Ueberlieferungen der englischen Politik, einen Konflikt herbeizufiihren, in dessen Verfolgung es möglich sei, Deutschland zur See zu vernichten. Die Feststellungen des Reichskanzlers an der Hand der Berichte der belgischen Diplomaten liefern weitere Beweise

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Landsturm | 1915 | | pagina 6