Dies und das.
Kleinere Mitteilungen
erstarrt fast beim Anblick sehe ich unsere beiden Ge-
schütze auf dem Fliigel und eine Menge Soldaten sich eilig
zuriickziehen. Ich stfirze die Treppe herunter und melde
dem noch immer ruhigen Oberst. Da fragt er mich, ob ich
hinfahren wollte, urn zu hören, was los sei. Es war eine
Fahrt in den Tod doch Gott sei Dank dachte ich optimi
stischer als alle, die mir ein letztes Glück zuriefen. Ich
sause los, tief gebeugt über die Lenkstange, und denke
merkwfirdigerweise an Euch, was Ihr wohl jetzt tlitet, ob
wohl einer an mich denkt. Kaum auf der Hauptstrasse, da
krachen die Schiisse auf mich los. Kurz gesagtsieben
Schüsse haben getroffen, zwei mein Motorrad, der eine in
die Lanterne, der andere auf den Seitenspiegel, und fiinf
Schiisse von der Seite in den Oelrock, den ich offen trug
und der im Winde flatterte. Ich schloss fast die Augen, jeden
Augenblick den Tod erwartend. Es ist mir ein Ratsel, wie
ich unversehrt durchkam. Kurz, ich habe die Sache gerettet,
ohne mich zu loben. AIs man mich abends wiedersah, hat
man mir gratuliert, auch der Oberst. Alle Offiziere und der
Wachtmeister sagten, dass der Oberst meinen Namen notiert
habe und ein Gesuch einreichen wiirde, damit ich das
Eiserne Kreuz erhalte.
Jetzt weiter. Wir zogen uns also bei angehender Dun-
kelheit zurtick. Unser Leutnant hatte einen Schuss durchs
Bein und konnte nur mehr fahren. 26 unserer Pferde waren
tot, 18 Mann verwundet, zwei tot. Alles von Toten, Schwer-
verwundeten und denen, die nicht mehr laufen konnten,
mussten wir einstweilen zuriicklassen. Jeder musste sehen,
wie er durchkam. Der Riickzug in der Nacht war iiberaus
schwierig. Die Orte, durch die wir tagsiiber gekommen,
waren besetzt. Und wir mit stark 200 Mann konnten nichts
anderes machen, als in grossem Bogen urn die Orte herum-
riicken. Gott sei Dank war's finstere Nacht. Leise gings
fiber Feldwege, im Bogen urn den Ort, fiber's Bahngeleise
wieder zuriick zur Hauptstrasse. Die Pferde zogen schwer,
denn statt sechs vor jedem Geschfitz waren's nur noch zwei
oder vier. Und dann die Wege Mein Motorrad brachte mich
fast zur Verzweiflung, weil ich es allein schleppen musste,
denn die anderen halfen mit die Geschfitze driicken.
Da Schiisse knallen vor uns, schnell auf den Boden
und ruhig. Wir können nicht durch und miissen einen wei-
teren Bogen machen. Dasselbe passierte uns spiiter wieder.
Nach unsaglichen Anstrengungen werden wir plötzlich von
der Seite angegriffen. Schnell wieder zu Boden und ruhig
gehalten. Mitternacht war es, der Sonntag brach an. So
haben wir fiinf Stunden auf dem Bauche gelegen, das
Gesicht in die Erde gedriickt, jeden Augenblick erwartend,
überrannt zu werden. Ununterbrochen wurden wir beschos-
sen, viele wurden verwundet. Als es heller wurde, machten
die Belgier einen Angriff. Wir gaben zwei Schtisse ab, aus
ganz kurzer Entfernung. Sie flohen. Bald darauf ging's
weiter. Hungrig, seit Freitag abend nichts gegessen, und
jetzt Sonntagmorgen und mfide. Gegen 10 Uhr waren wir
aus dem Feuer und froh, als wir die ersten deutschen Solda
ten wiedersahen. So, das war meine Feuertaufe, wie sie
gehöriger keiner mitmachen kann. Vierundzwanzig Stunden
hat sie gedauert. Das erste Essen 12 Uhr. Schlafen, essen und
vieles andere muss man sich abgewöhnen. Von 1 Uhr bis
4 Uhr nachts von Sonntag auf Montag erste Schlafgelegen-
heit, auf nasser Erde unter freiem Himmel. Ein Stfick rohes
Fleisch und trockenes Brot war das Souper 4 Uhr
Montag morgens ging's weiter bis vor Alost, wo wir Freitags
ganz gut geschlafen hatten. Es war jetzt wieder vom Feinde
besetzt. Wir haben ordentlich auf ihn gefeuert. Urn 5 Uhr
rückten wir ein. Die 35,000 Einwohner alle verschwunden,
die ganze Stadt leer, nur ein paar Hauser in Brand, das
Ergebnis unserer Schiisse.
Eine kleine Feier dieses Sieges war uns zu gönnen.
Eine Reihe Offiziere und ich wohnten in einem Schloss.
Wunderbare Sachen hatte der Besitzer, aber wir haben alles
ruhig stehen gelassen die wertvollsten Gemalde, Bronze-
sachen, herrliches Silber. Im librigen war auch verboten, zu
requirieren. Nachtmittags ging's weiter. Die Nacht wurde
in einem Dorfe kampiert, und am folgenden Morgen (Mitt-
woch) ging's bis vor Termonde, das mittlerweile genommen
ist. Von da ab habe ich meine Batterie mit einem Befehl
verlassen. Mein Rad ist gebrochen, als ich versehentlich in
ein Loch fuhr. Acht Kilometer musste ich zu Fuss, urn die
Meldung weiter zu befördern. Dann habe ich unter grossen
Umstiinden meine Karre nach Briissel transportiert und bin
seit gestern nachmittag hier in der Hauptstadt. Das Rad wird
ausgebessert, und morgen denke ich wieder in Feuerstellung
zu fahren.
Köln im Feldpostverkehr. Köln ist der
Hauptsammelpunkt fiir den Feldpostverkehr fiir die West-
front. 119 Schnell- und Personenzüge bringen taglich 21,000
Feldpostsacke aus allen Teilen Deutschlands hierhin, von
wo sie mit den nach dem westlichen Kriegsschauplatz
verkehrenden Zügen weiterbefördert werden. Hierfür sind
taglich bei einem normalen Verkehr 55 Bahnpostwagen
notwendig, ausserdem aber noch taglich 4 Postsonderziige,
die bis zu 76 Wagen mit sich fiihren.
Verordnung. Nach einer Bekanntmachung des
Oberbefehlshabers der 4. Armee S. K. H. des Herzogs
Albrecht von Württemberg müssen alle Eingaben der belgi-
schen Behörden und Bewohner im Operations- wie im
Etappengebiet der Armee, die an die deutschen Militar-
behörden gerichtet sind, fortan in deutscher Sprache abge-
fasst sein. Wer aber des Deutschen nicht machtig ist, kann
sich der vlamischen Sprache bedienen. Zuschriften im
anderen Sprachen werden zurückgesandt werden.
Das von uns besetzte Gebiet. Heute
halten die Zentralmachte im Osten und Westen ein Gebiet
von 312,000 Qu.-Km. mit fiber 20 grossen Festungen besetzt,
das ist ein Gebiet, das beinahe zwei Dritteln von ganz
Frankreich entspricht und ungefiihr 28 Millionen Einwohner
zahlt. Schon die Riickeroberung dieses Gebietes müsste fiir
die Ententemachte eine gewaltige Anstrengung bedeuten,
geschweige denn eine Besiegung der Zentralmachte. Wenn
man trotzdem heute noch weiter kampft, dann kampft man
gewissermassen urn die Prozesskosten, um die allerdings
unerhört hohen Prozesskosten, die fiir den, der sie bezahlen
mfisste, den wirtschaftlichen Ruin bedeuten konnten. Den
Prozess selber kann man fiir mehr oder weniger
entSChieden halten. Busier Anzeiger
Kostenlose Erlernung der Stenogra
phic. Mancher Landsturmmann möchte sich in den Stun
den unfreiwilliger Musse nutzbringend beschaftigen. Diese
seien auf das Angebot des Stenographenverbandes Stolze-
Schrey, welcher allen Soldaten im Felde, die darum nach-
Aus: Der deutsche Krieg in Feldpostbriefen.
Herausgegeben von Joachim Delbrtick. I Band Lüttich,
Namur, Antwerpen. 4. Auflage. Verlag Ge org M ii 11 e r, Miin-
c h e n Preis geh. 3-M. geb. 4-M.