BEGÏNEN BEI DER ARBEIT. dorrt und abgefallen, so standen schon mehrere andere in neuer Blüte, und wieviele harrten noch in der Knospe Französische und englische Zeitungen, die trotz aller Ver- bote und scharfer Grenzkontrolle ihren Weg ins Land fanden, nahrten diese Hoffnungen. Dumnie, unverantwortiiche Hetzer waren standig an der Arbeit. Geheimschriften gingen von Hand zu Hand. Flieger waren übers Land geflogen und hatten Aufrufe herunter geworfen, die zum Ausharren ermahnten. In Wirklichkeit waren diese Zettel im Lande gedruckt und von Agenten verbreitet worden. Welcher alberne Blödsinn auf diese Weise unter das Volk gebracht wurde, möge folgendes Machwerk, das Ende Marz bei Aalst vom Himmel hernieder fiel zeigen. (Es war in französi- scher Sprache abgefasst.) „Dem belgischen Volk Mut und Hoff- n u n g. Das Gestirn des Königs von Preussen fangt an zu erbleichen, er fiihlt sich schon verloren, und die höheren Offiziere erklaren es offen Mehr als '2/.-5 der preussiscnen Truppen sind kampfunfahig, und es sind nur die kleinen Bundesstaaten, die das Joch des Wilhelm tragendunter den Drohungen ihrer preussischen Meister den Verbündeten noch die Stirne bieten. Wie weit ist er nicht von seinem militarischen Spaziergang durch Frankreich entferntSein KriegsgeschreiNach Paris hat sich in den Verzwei- flungsrufHélas Paris verwandelt. Den Belgiern also Mut und Hoffnung Wenn Eure reichen Ackerbau und Industrie treibenden Gegenden verwüstet sind, wenn Eure friedlichen Bürger feige gemordet, Eure Mütter, Schwestern, Töchter fürchter- lich geschandet und verstümmelt werden, wenn Eure Solda ten als Kriegsgefangene (mit ihren Unglücksgefahrten aus den Reichen der Verbündeten) langsam dahinsterben infolge der raffiniert schlechten Behandlung in den höllischen Lagern von Soltau u. s. w., wenn Preussen, diese grosse Pharisaerin, ihre Hande in den Chaos von Ruinen, zu dem Europa jetzt geworden ist, waschen und England, das doch ohne Armee war, und dem kleinen Belgien, das Ver- brechen, dessen es selbst beschuldigt wird, zuschieben will Preussens Regierung wird bald ein Ende nehmen Der(folgt ein Schimpfwort auf unseren Kaiser) kann Aus- spruch machen auf die Devise seines Lehrers Bismarck Wenn wir Schurken sein müssen, seien wir ganz Schurken und daraus den Schluss Ziehen, dass die Regie- rung eines Schurken nicht von langer Dauersein wird. Druck L'Yser. Albert, Joffre, French. Man vertröstete sich gegenseitig im Winter auf den Frühling, im Frühüng auf den Sommer. Ganz harmiosen Ereignissen legte man eine für Belgien giinstige Bedeutung bei. Uebungsschiessen der deutschen Artillerie auf den bel gischen Schiesspiatzen verkündete das Herannahen der Alliirten, ein günstiger Wind, der den Kanonendonner vom Meer od^der Front naher trug,oder eine heftigere Kanonade erweckten denselben Glauben. Wurden die Landsturmbatail- lone, wie das von Zeit zu Zeit (im Winter haufiger) geschah, verlegt, so strahlten die Gesichter vor Freude. Nicht etwa deshalb, weil sie mit den Landsturmleuten auf einem schlechten Fuss gestanden hatten ill bewahre im Gegenteil aber jetzt begann doch der deutsche Rückzug. Als im Dezember eine wohl aus der Front zurtickgezogene Artilleriekolonne in etwas schnellerem Tempo durch die Strassen von Melle, einer Vorstadt von Gent, fuhr, war es für die Bewohner ausgemachte Sache, dass die Abteilung sich auf der Flucht befand, und die Bezeugung der Freude nahm bei ihnen einen so drohenden Charakter an, dass der dort garnisonierende Landsturm mit den Waffen einschrei- ten musste. Das ist nur ein Beispiel, jedes Landsturm-Batail- lon könnte eine Menge liefern. Wir haben bald eingesehen, dass es vergebliche Liebesmühe sei, das Volk aufklaren zu wollen. Es hatte nun mal eine förmliche Scheu vor der rauhen Sprache der Tatsachen und wiegte sich lieber, wie die Vlamische Post im Juni schrieb, in den süssen Illusionen der geheimen Schriften und falschen Gerüchte. In diesem Zusammenhang sei auch jene Aeusserung eines geschaftskundigen Belgiers erw;ihnt,die Freiherr von Bissing in seinem Buche Belgien unter deutscher Verwaltung mitteilt. Bekanntlich wurde den neun Provinzen Belgiens eine Kontribution von 480 Millionen Franken auferlegt, die in monatlichen Raten von je 40 Millionen zu zahlen war (Dagegen verpflichtete sich die deutsche Behörde bei pünktlicher Zahlung keine Requisitionen ohne baare Bezah- lung vorzunehmen). Jener Belgier meinte nun: „Die Deut- /^V

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Landsturm | 1915 | | pagina 3