Militarstiefeln, vorbei an Feldbefestigungen, an grossen Viehlagern u. sonstigen Kriegszeichen zurück nach Metz zum neuen Quartier der Artilleriekaserne im Fort Mosel Zwei freie Tage folgten, die eifrig zur Ausbesserung und Vervollstandigung der Ausrüstung und zu den beiden einzi- gen Kompagnie-Exerzierübungen benutzt wurden, die die I. Kompagnie seit Kriegsbeginn zusammen sah. In diesen Tagen verliess uns unser erster lieber Bataillonskomman- deur, um das Kommando eines Landwehrbataillons zu über- nehmen. Schon am 3. Sept. kam neuer Marschbefehl, er riss das II. Landst. Batl. Metz auseinander, ohne dass es sich je wieder zusammen gefunden hatte. Zwei Kompagnien, die 3. u. 4. kamen in den Festungsabschnitt III und lagen bis Januar 1915 rechts der Mosel an der französischen Grenze, teils im Vorposten-, teils im Bahnschutzdienst. Die beiden anderen Kompagnien 1. u. 2. kamen zum Abschnitt II, wo sie gemeinsam bis Anfang November verblieben. Wahrend die 2. Kompagnie teils auf Fort Alvensleben die Besatzung steilte, teils Bahnschutz auf der Strecke nach Amanweiler (Reichsgrenze nach Verdun) zu übernahm, fand die 1. Komp. ein anderes und interessanteres Wirkungsfeld. Zunachst übernahm sie den Bahnschutz von Ars bis zur Reichsgrenze bei Noveant mit dem Standort in Noveant, sowie die Bewachung einer Reihe sonstiger militarisch wichtiger Punkte. Dann aber schob sie am 5. Sept. ihre Wachen und Posten über die Grenze ins Feindesland vor und besetzte an der Linie nach Nancy die Bahnhöfe Pagny und Arnaville, sowie an der Seitenstrecke nach Chambly diejenigen von Onville und Waville und den grossen Viadukt bei letzterem Ort. Das war ein erhebender Augenblick als die Kompagnie mit einem Zuge unter Leutnant Siebert die französische Grenze mit lautem Hurrah überschritt. 100 km bis zur Reichsgrenze hatte ein lustiger Kopf auf den nach Frank- reich zu gerichteten Wegweiser geschrieben So sicher und verhaltnismassig bequem, wie heute in Belgien, war damals allerdings der Wachtdienst in Frank- reich nicht. Schon das Unterkommen in den verwüsteten und fensterlosen Bahnhöfen war nicht leicht und nicht all- zubehaglich die Wache am Viadukt von Waville lag zum Teil gar ohne Schutz unter freiem Himmel, zum Teil in einem grossen mit Tuch überspannten Kasten. Sie war dafür wanzenfrei, was nicht alle anderen Wachen sagen konnten. Noch weniger behaglich war die Nahe des Feindes, der mit seinen Patrouillen durch den Wald bis an die Bahnlinie vorging und zuweilen Kompagnieführer, Zugführer und Landsturmleute auf ihren Patrouillengangen beschoss. Auf den Bahnhof von Pagny warfen die Franzosen gar haufig ihre Granaten und des Nachts fuhr man auf der Strasse dorthin am besten und sichersten ohne Licht. Mehr komisch als tragisch war's, dass deutscher Landwehr die blauen Litewken einzelner unserer Landstürmer französisch vorkamen und sie auf dieselben ebenfalls ein Gott sei Dank erfolgloses Feuer eröffneten. Einmal gar wurde unsere Wache in Waville von einem preussischen Major zu schleu- nigem Riickzug aufgefordert, da sie links seitlich von den Franzosen schon überflügelt sei. Auch sonst war man vom belgischen Garnisonleben weit entfernt und merkte den Krieg aus nachster Nahe. In Noveant und Arnaville arbeiteten die Feldbackereien, lange Kolonnenbiwaks zogen sich langs der Strassen dahin Trap pen über Truppen, die nach vorwarts und nach riickwarts durchwogten. Es waren nicht mehr dieselben, wie wir sie in Maizières gesehen hatten, es waren keine Soldaten, die elastischen Schritts in den ersten, frischen Kampf hinein- zogen, es waren die Sieger aus der Lothringer Schlacht und die Kampfer vom Priesterwalde, die da vorbeimarschierten. Die schmucken, feldgrauen Uniformen waren lehmig gelb, blutbefleckt und zerrissen, die Gesichter mager und hager. Aber gleich war wie damals der entschlossene Siegesmut und der trotzige Kampfgesang. Mit den Truppen wechselten die langen Kolonnen aller Art dazwischen schoben sich grössere und kleinere Gefangenentrupps, requirierte Pferde- und Rinderherden. Und dann, was am ernstesten stimmte, die Verwundeten, die in Autos und Wagen von der nahen Front kamen Die meisten allerdings kamen nachts per Eisenbahn durch Noveant, je nach der Heftigkeit der Kampfe da vorne, in einem oder mehreren Zügen. Da sassen die leicht verwundeten in Personenwagen und die schwerver- wundeten lagen in Gtiterwagen und wenn das Herz be klommen war vor so vielem Elend, so wurde es wieder frei und froh, wenn man sah, wie mannhaft und stolz diese Manner ihre Leiden trugen da war kein Jammern und Klagen nein froher Mut und zarte Rücksichtnahme auf die schwerer verwundeten Kameraden. Wir kommen wieder zurück nach vorne sagten die Meisten. Da lernte man das deutsche Volk bis zu seinen einfachsten und geringsten Söhnen achten und lieben und fiihlte mit Stolz, dass man auch den deutschen Namen trug. Wir hatten mit freiwilligen Beitragen einen Hilfsdienst eingerichtet, an dem auch viele Frauen von Noveant und das Bahnpersonal sich beteiligten. Und so mancher verwun- dete, brave Held, der durstig und hungrig, durch Noveant fuhr, wurde von uns Metzer Landstürmern gelabt und be schenkt das war unser freiwilliger Nachtdienst Dabei kam der Tagesdienst auch nicht zu kurz. Sogar für Uebun- gen im Scharfschiessen wurde Zeit gefunden sie fanden in einem eigens von uns hergerichteten Gelande zwischen Noveant und Gorze statt und ergaben so erfreuliche Resul- tate, dass dem Kompagnieführer, der für das Erreichen von 50 Ringen den glücklichen Schützen je einen Taler verspro- chen hatte, fast angst und bange wurde. Zwei heimkehrende deutsche Flieger aber verkannten unseren Eifer und liessen eiligst zur Warnung ihre silbernen Kugeln fallen, weil sie sich für unsere Ziele hielten. Daneben exerzierte die wacht- freie Mannschaft (es war nie mehr als ein Halbzug) auf einer Grenzwiese, wahrend das Dröhnen der Kanonen von hüben und drüben die Marschmusik machte. Die Artilleriekampfe lieferten überhaupt manch inter essante Stunde. Besonders gegen Abend kletterte man oft auf den nahen Berg zum Telefonposten und Scherenfernrohr und verfolgte oft mit blossem Auge das Einschlagen der feindlichen Granaten und das Abfeuern unserer schweren Batterien vorne auf Pont-a-Mousson zu oder lauschte dem donnerahnlichen Dröhnen, mit dem die schweren Geschosse der Fortsartillerie durch die Berge dahin fuhren. Wir waren übrigens auch nicht ohne direkteren Zusammenhang mit diesen Artilleriekampfen. Langere Zeit versah namlich die Compagnie auch die Geschafte einer Bahnhofskommandan- tur in Noveant und hatte für die Beaufsichtigung und Aus- gabe der ankommenden grossen Munitionsmengen zu sor- gen, was wiederum manch lebhaften direkten Verkehr mit dem A. O. K. brachte. Am Spatabend des 12. Nov., als die Kanonade so stark war, dass die Fenster klirrten, kam das Telegramm, das uns die Marschbereitschaft für den nachsten Morgen weiter nach Frankreich hinein befahl. Das was der Abschied vom scho nen Moselthal, von seinem köstlichen, aber nicht immer wohltatigen Wein, der Abschied auch aus dem Verbande

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Landsturm | 1915 | | pagina 3