Nr. 10 1. Novemb. 1915 Der Fahnentrager. Zu Kriegsbeginn in einer belgischen Stadt. Schriftltg Gefr. W. NEUHAUS, i. Comp. Ldst. Bad. Hersfeld z. Zt. Aalst (Belgien) Die Zeitung erscheint am i. u. und 21. jeden Monats. Bezugsbedingungen Bei Sammelbestellungen (mindestens 10 Stiick) durch die Kompagnien Preis 10 Pfg f. d. Nummer. Abrechnung monatlich. Bei Einzelbezug 15 Pfg, der Betrag fiir die gewiinschte Zahl von Nummern ist im voraus einzusenden. AALST (Belgien). Als wir nach Frankreich zogen, Wir waren unser drei Ein Schütze und ein Jager Und ich, der Fahnentrager Der schweren Reiterei. Drei Briider und drei Herzen, Der Trommel folgten sie. Zu Liittich auf dem Plane, Da fliisterte die Fahne Herr Jesus und Marie Und als wir weiterzogen, Wir waren unser zwei Ein BückeburgerJager Und ich, der Fahnentrager Der schweren Reiterei. Zwei Briider und zwei Herzen Begrüssten Tau und Tag, Bis abends purpurfarben Bei Longwy in den Oarben Die Fahne Amen "sprach. Und als sie Amen sagte, Riss noch ein Herz entzwei. Ade, mein lieber Jager, Dich griisst der Fahnentrager Der schweren Reiterei. Ach, Mutter, liebe Mutter, Nur test auf Gott gebaut. Noch tut die Fahne schweben, Die mir auf Tod und Leben Der Kaiser anvertraut. Und fliistert sie ganz leise Nun gilt es dir, Gesell, Gem folgt der Fahnentrager Dem grossen Trommelschlager Zum himmlischen Appell. Joseph von^Lauff. (Aus einem Tagebuch) v-"" (Schluss) 1 5. A u g u s tDie jahrliche Maria-Prozession wird diesesmal verandert in eine Buss-Prozession. Kein Gesang und keine Musik, keine Blumen und Fahnen. Allein das Allerheiligste wurde im Zuge getragen und tausende von Menschen, den Rosenkranz in der Hand, zogen bittend durch die Strassen. Noch niemals sah man so etwas zu Aalst. Schon die ganze Woche werden die HeiligtiimeT in der Umgegend Tag und Nacht durch stets neue Scharen von Wallfahrern besucht, je grosser die Gefahr wird, umso gros ser wird der Geist des Glaubens. 20. August. Diese Nacht sind zahlreiche Mann- schaften der Burgerwacht von Brussel hierher gekommen. Es scheint, dass das deutsche Heer infolge seiner zahlen- massigen Ueberlegenheit unsere Linie zwischen Liittich und Antwerpen durchbrochen hat und nun auf die Hauptstadt in machtigen Scharen anriickt. Urn nutzloses Blutvergies- sen zu vermeiden, hat man die Biirgerwacht, die mit der Verteidigung Brüssels betraut war, entwaffnet. Die Regie- rung hat auch schon seit mehreren Tagen ihren Sitz nach Antwerpen verlegt. Viele französische Soldaten und Officiere sieht man heute Morgen in unserer Stadt, auch ist eine starke Abteilung von berittenen belgischen Gendarmen angekommen. Plötz- lich hört man in der Luft das Rattern eines Motors es ist eine deutsche Fliegmaschine. Die Biirgerwacht-Posten vor den Toren beschiessen sie, der Flieger halt sich jedoch ausser Schussweite. Den ganzen Vormittag herrscht ein reger Verkehr. Auf einmal kommt der Befehl, dass die Bur gerwacht ihren Dienst einstellen und die Waffen abliefern soil. Abends gegen 9 Uhr, als gerade die Gendarmen sich auf dem Grossen Markt zum Abmarsch bereit machen, entsteht eine unbeschreibliche Panik Die Brandglocke wird mit aller Gewalt gelautet, man schreit Die Deutschen kom men Sofort wird befohlen, dass die Landesfahnen, die seit ein paar Tagen an alien Hausern flattern, verschwinden miissen. Ein Auto fahrt herum, urn dieses iiberall mitzuteilen. Die erschreckten Bewohner schliessen die Fenster und Laden, alte Fensterladen die bisher unbenutzt in der Ecke standen, werden hervorgeholt. Wo noch eine Fahne hangen geblieben ist, da trommelt die geangstigte Menge gegen die Tiiren, bis sie eingezogen ist. 1st der Hausbesitzer abwesend, so ruht man nicht eher, bis er herangeholt worden ist und die unglücksselige Flagge entfernt hat. Ein banges Warten liegt über der Stadt aber die

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Landsturm | 1915 | | pagina 1