Die Jagd im U-Boote.
Ich werde Schafer.
Einer vom Fach schreibt in Velhagen Klasings
Monatsheften
Das Lauern auf Beute stellt an die Nerven von Fi'threr
und Mannschaft die höchsten Anforderungen.
Endlich ein Gegner Edelwild Bester Art
Höchste Fahrt lauft der Feind, man sieht es durch das
Sehrohr deutlich an der Bugweile, oder soilte etwa die Bug-
welle, von einem geschickten Dekorationsmaler mit schwe-
rem Spatel in weisser Oelfarbe auf den Bug künstlich auf-
getragen sein und nur Geschwindigkeit vortauschen Das
Auge nur wenige Dezimeter über der endlosen auf und ab
wogenden Wasserflache. Der Kurs des Gegners liegt gut
der beste Tiefensteurer ist am Ruder, alles auf den Gefechts-
stationen. Alle Rohre klar zum Schuss, so schleicht das Boot
unter Wasser.
Der Gegner scheint etwas zu ahnen, er lauft wirklich
hohe Fahrt und steuert nicht geradeaus, sondern Zickzack-
kurse, urn die gefahrlich dünkende Stelle zu passieren. Das
U-boot verschwindet völlig, nichts, nicht einmal das Sehrohr
ist über Wasser, nur in gewissen Zeitabstanden für Sekun-
den taucht das Sehrohr auf der Feind kommt gut Der
ausserst komplizierte Zielapparat wird eingestellt, jedes
einzelne kurze Auftauchen des Sehrohres bildet eine Kon-
trolle, gibt eine kleine Verbesserung. Im Boot eisiges
Schweigen, tiefste Stille, eine Stecknadel könnte man fallen
horen. Auf dem grossen Schiff ist die Halfte der Besatzung
auf Posten, viele Dutzend scharfster Doppelglaser, grosse
Entfernungsmessgerate suchen die Wasserflache ab.
Krauselt sich die See etwa ungewöhnlich Bricht ein
weisses Schaumköpfchen vielleicht wie Brandung auf dem
Rücken eines Untergetauchten Zeigen Oelflecke auf dem
Wasser etwas Besonderes an Nichts ist erkennbar Auch
hier tiefstes Schweigen.
Alle Rohre fertig
Sind fertig
Die Hand auf den Taster der elektrischen Abzüge, das
Auge fest ans Sehrohr gepresst, den Atem angehalten. Höch
ste Spannung Der erste, der zweite Kontaktknopf wird
langsam heruntergedrückt, ein scharfer Ruck, ein zweiter
lasst das Boot erschüttern. Zwei Torpedos laufen. Die
anderen bleiben als Reserve klar, doch werden die abge-
schossenen Rohre sofort neu geladen.
Plötzlich drüben auf dem Gegner Bewegung. Das Ruder
fliegt herum, die Maschinen rasen mit ausserster Kraft man
hat zwei gerade Schaumstreifen wie feine, helle Linien auf
dem Wasser gesehen. Wird es gelingen, auszuweichen
Die Geschütze krachen auf den Punkt, von dem die
Schaumstreifen ausgegangen zu sein scheinen, doch ist dort
nichts mehr zu sehen das Boot ist spurlos untergetaucht, es
braucht seinen Erfolg zunachst nicht zu schauen, sondern
nur zu hören.
Ein dumpfer Krach Getroffen Freudiger Stolz in
den Gesichtern der U-Bootsleute unter Wasser. Eiserne
Mienen auf dem getroffenen Schiff, denn dort beginnt der
Kampf gegen das unerbittliche Element. Noch ein Treffer
gabe hoffnungslos den Rest. Nur eine U-Bootssicherung
durch eigene Torpedoboote, die in fliegender Hast den
Umkreis des schwergetroffenen Schiffes abjagen und jedes
Auftauchen des Sehrohrs unmöglich machen, gibt neben
eigener Tüchtigkeit im Lecksicherungsdienst schwache Aus-
sicht, dastodwunde Schiff schwimmfahig zu erhalten.
Die Spannung im U-Boot ist gewichen. Ruhe, aber keine
Erschlaffung tritt ein. Noch liegt viel Arbeit, noch der ge-
Fantasie desMenschen ist nicht imstande, dieses Schlachtenbild auch nur
annahernd richtig zu schildern. Zu Dutzenden liegen und sitzen Tote
und Verwundete zusammen, überall brennende Hauser, links und rechts
tote Pferdekadaver, die Strassen und Felder von Qranatlöchern durch-
wdhlt. Wo das Auge hinschweift, liegen fortgeworfene Ausróstungsstücke,
auf den Strassen Ziehen die sich sammelnden Truppen, dazwischen das aus
den Stallen unter furchtbarem Brüllen und Schreien losgerissene Stall-
vieh. Mein Nebenmann springt zurSeite, ein etwa 2-3Zentnerschweres
Schwein renntwie rasend durch die Strasse, der Rücken ist ihm von vorne
bis hinten verbrannt. Ein Offizier gibt ihm den Gnadenschuss. Die
Artillerie fahrt im Galopp vorbei, nimmt Aufstellung und feuert auf den
abziehenden Feind.
Hammelfleisch ist nicht zu verachten, dachte wohl unser Bataillons-
kommandeur, als er die zu Dutzenden herrenlos herumlaufenden Schafe
sah. „Was sind Sie von Beruf?" fragt er mich als Nachststehenden.
„Buchdrucker," antworte ich. „Können Sie Schafe treiben?" Ich be-
jahe. Er mag wohl Zweifel ob meines Konnens haben, schon schweifen
seine Augen im Kreise herum, dann abersagter: „Nagut, versuchenSie es,
sammeln Sie so viel Schafe, als Sie können und folgen Sie dainit dem
Bataillon 1" Das „Zu Befehl. Herr Major," ist noch nicht ganz meinem
Munde entflohen, als ich links und rechts urn mich greife und zwei fette
Hammei dem Major prasentiere. Freudig ziehe ich mit meiner Beute
hinter die Artilleriestellung.
„Dieses war der erste Streich," denke ich, und binde meine Schafe
mit dem Wischstrick an einen Gartenzaun, urn zu neuem Fang auszu-
gehen. Unmittelbar hinter der Artilleriestellung, da, wo die Bespannungs-
tnannschaft steht, grast ein Rudel Hammei. Ich gehe hin. Durch sein
dreistes Auftreten und durch den Umstand, dass alle anderen Schafe ihm
nachlaufen, erkenne ich den Leithammel. Gierig lesen die Tiere Brot-
krummen und Speckschwarten usw. auf. Dies bemerkend, gehe ich noch
eifriger als sie an's Auflesen der Abfallreste. In kurzer Zeit ist der Brot-
beutel gespiekt. Jetzt greife ich mir den Leitbock, schleppe ihn herunter
zu dem Gartenzaun, an welchen die zwei anderen Schafe angebunden
waren „waren", sage ich, denn sie sind verschwunden. Ein Zettel
ziert den Pfahl, darauf steht zu lesen: „Sei nicht böse, es hat nicht
sollen sein Schnell zöhle ich die H jupter meiner Lieben und ich sehe,
es sind noch 53 geblieben. Meine Schafe sind schon ganz zutraulich
geworden. Müde lege ich mich zum Schlafen nieder.
Die Sonne hat ihren höchsten Stand erreicht, als ich erwache. Kein
Mensch weit und breit, der Leithammel zieht gerade die letzte Speck-
schwarte aus meinem Brotbeutel. Aus weiter Feme höre ich den Donner
der Geschütze. Dann wird es still. Mir ist so feierlich zu Mute. Mir
ist, als höre ich die Stimmen der Baume, Steine, Felder, Walder und
Wiesen. Lachend winkt mir ein goldigschimmernder Mirabellenbaum.
Ich raffe mich auf, urn mir davon zu nehmen. Sitklatsch, klingt es
einmal, zweimal dicht an mir vorbei. Ich werfe mich hin, krieche be-
hutsam hinter eine Hecke und spóhe, woher geschossen wird. Links,
etwa 500 m von mir, liegt ein Tannenwóldchen, dort sehe ich Gestalten,
die sich entfernen, ob es Franzosen sind oder Deutsche, ich kann sie
nicht erkennen; oder sollte aus den noch brennenden Hóusern geschossen
worden sein? Ich Iaufe zu meinem Gepóck, das Gewehr entsichert
in beiden Hónden, treibe ich meine Herde an einer Hecke entlang der
Chaussee zu. Sie folgen schnell und willig bis auf ein junges, welches
lahmt. Da es mir beim Vorwórtskommen hinderiich ist, will ich's zurück-
lassen. „Möh, inah!" ruft es: die Mutter bleibt stehen, bis dass das
arme Ding bei ihr ist. Dies wiederholt sich zwei-, auch dreimal. Ich weiss
mir nicht zu helfen. Ich setze mich in den Chausseegraben, urn die Tiere
ausruhen zu lassen, da sehe ich von feme einen Menschen, der sich an
einen Baum lehnt; er humpelt bis zum andern flaum und lehnt sich
wieder an, so macht er es weiter, bis dass er bei mir ist. Es ist ein franz.
Artillerist, dem der linke Fuss zerschossen ist. Ich lade ihn zum Sitzen
ein und bin ihm dabei behülflich. Meine Feldflasche ist voll Wein, ich
reiche sie ihm, er trinkt, trinkt bis dass sie leer ist.
Die niedergehende Sonne mahnt uns zum Weitergehen wir
nehmen Abschied. Plötzlich greift der Franzose mit beiden Hónden
meinen Kopf und küsst mich auf beide Wangen. Er spricht etwas, ich
kann es nicht verstehen, aber ich weiss, wass es bedeutet. Noch ein
herzhafter Hóndedruck, ein kurzes Auge in Auge schauen, und wir schei
den: er gen Osten, ich gen Westen.
Das kleine Schaf, es lahmt immer noch, es bleibt mir keine andre
Wahl, ich nehme es auf dieSchulter und so komme ich schnell vorwörts.
Vom nahen /Grchturm schlagt es 9 Uhr, ich sperre meine Herde in eine
rechts an der Strasse liegende Scheune ein, urn mich auf die Suche nach
meinem Bataillon zu begeben. (Forts, folgt.) C. F.