Spionage in Belgien.
Felde will gewiss mit seinem stillen Heldentum eneichen, j
dass die Seinen zu Hause von Gefahren,Not und Entbehrun-
gen verschont bleiben, wie er sie oft erduldet aber will
er etwa audi, dass sie dem Ernst der Zeit überhaupt nicht
Rechnung tragen Viele haben das ja gewiss getan hatten
es gleich alle getan, dann würen uns zweifellos manche
unangenehmen Erfahrungen des zweiten Kriegsjahres erspart
geblieben. Es hat doch recht vielfach an dem notigen Weit-
blick gefehlt. Der Mangel an Futtermitteln erschwerte und
verteuerte die Viehhaltung, auch fehlten Arbeitskrafte auf
dem Lande. Die Abschlachtung von Schweinen schien not-
wendig, weil es nicht möglich war, über die Kartoffelvonate
die nötige Klarheit zu erlangen. So stiegen, nachdem die
Regierung der Verteuerung des Brotes durch Getreidebe-
schlagnahme und Brotkarten Einhalt geboten hatte, die
Preise für Eleisch und Fett betrachtlich, was wieder auf die
Butter-, Milch- und Eierpreise einwirkte. Auch die Kartoffeln
wurden teurer, obwohl die Ernte gut war, die jetzt freilich
hier und da unter dem friihen Frost gelitten hat.
Hatte somit die völkerrechtswidrige und brutale See-
kriegsfiihrung unserer Feinde eine gewisse natürliche Teue
rung herbeiführen mlissen, so sprangen noch in den letzten
Monaten die Preise mancher Lebensmittel in einem Masse in
die Höhe, das sich durch die tatsachlich vorhandenen
Schwierigkeiten allein nicht rechtfertigen liess. Eine berech-
tjgte Besorgnis darüber, wie sich bei solchen Preisen die
breiten Volksmassen noch genügend ernahren sollten, und
ein berechtiger Unwille über die teilweise unberechtigte
Preissteigerung brach im deutschen Volke aus. Dass es dabei
zu manchen ungerechten Verdammungsurteilen kam, ist nur
natürlich. Aber es ware zugleich gefahrlich, wenn ein Streit
zwischen den Erwerbsstanden die schone Einigkeit, die uns
der Krieg gebracht hat, nachhaltig storen würde. Darum
ziemt Besonnenheit im Urteil jetzt jedem Deutschen. Tat
sachlich ist es ausserordentlich sclnver, die Ursachen einer
Teuerung im Einzelnen festzustellen. Wir verweisen zum
Beweise hierfiir einerseits darauf, dass die landwirtschaft-
lichen Organisationen schon langst Höchstpreise verlangt
hatten, die nur den gesteigerten Produktionskosten Rech
nung tragen sollten andererseits aber auch darauf, dass
zahlreiche Gewerbetreibende und zumal Fleischer, wahrend
des Krieges Konkurs gemacht haben. Wir erinnern endlich
daran, dass nicht nur einzelne Landwirte sondern auch ein-
zelne'Gross- und Kleinhandler des Lebensmittelwuchers
überführt worden sind.
Es ist daher falsch, Vorwürfe gegen ganze Erwerbs-
stande zu erheben. Selbstverstandlich ist aber gegen die
wirklichen Wucherer mit Lebensmitteln kein Wort scharf
genug. Das hat schon der Kanzler im Reichstag gesagt, und
die deutschen Gerichte haben manches empfindliche Urteil
gesprochen. Die allgemeine Teuerung konnte unter den
gegebenen Umstanden wohl nur durch einschneidende
Massnahmen der Regierung bekampft werden. Diese sind
inzwischen erfolgt oder stehen unmittelbar bevor. Nach lan-
geren Beratungen,deren Dauer sich im Wesentlichen aus den
ungeheuren Schwierigkeiten solcher durchgreifenden Verord-
nungen erklart, wurden Höchstpreise für Butter, Kartoffeln
und Schweinefleisch festgesetzt, fleisch- und fettlose Tage
eingeführt u. s. w. Höchstpreise für Milch, Fische und Wild
sowie Milchkarten sind zu erwarten. Mit alledem ist denn
auch bereits ein sehr grosser Teil der dringendsten Sorgen
von unserer Bevölkerung genommen. Auch bei noch weiter-
gehenden Regierungsmassregeln kann aber ein wirklich
befriedigender Zustand selbstverstandlich nur dann erreicht
werden, wenn zugleich jede deutsche Familie sich den Not-
wendigkeiten des Krieges verstandig und willig anpasst. Die
Not der wirklich Bedürftigen soli hier nicht verkleinert wer
den. Es gibt aber leider auch manche, die durch Umlernen
noch vieles für sich und die Volksgesamtheit ersparen könn-
ten. Sie immer wieder zu belehren und zu ermahnen, ist eine
wichtige Aufgabe, an der mitzuarbeiten auch die Soldaten im
Felde auf grund ihrer eigenen Erfahrungen berufen sind.
Manner, Frauen und Kinder kampfen gemeinsam diesen
gewaltigen Blut- und Wirtschaftskrieg, der nicht seinesglei-
chen in der Weltgeschichte hat. Gemeinsam mussen und
werden sie siegen. P- A. B.
Weil Belgien dank den grossen Erfolgen der deutschen
Waffen seit über einem Jahre aus dem Kriele ausgeschieden
und der deutschen Verwaltung unterstellt ist, und weil seit
der Löwener Revolte keinerlei grössere Unruhen.mehr statt-
fandën, scheint die ausserdeutsche Welt zu glauben, in
Belgien hatten nun Frieden und Friedensrecfit zu gelten.
Belgien ist heute vor allen Dingen Zufahrtsstrasse des deut
schen militarischen Nachschubs für die Heere an der West
front, darum haben sich unsere Feinde auf nichts so sehr
als auf die Eisenbahnspionage geworfen. Es war
daher doppelt gefahrlich, dass sich die Spionagetatigkeit
und die Sprengattentate gerade in den Tagen vor der fran-
zösischen September-Offensive ins Vielfache steigerten. So
wurde in Maastricht von der hollandischen Polizei anfangs
September ein Schiff mit 1100 für Lüttich bestimmten
Bomben aufgehalten. Zur gleichen Zeit fasste die hollan-
dische Polizei an der Limburger Grenze zahlreiche mit
Sprengstoffen versehene belgische Soldaten ab. An verschie-
denen anderen Stellen gelangen den deutschen Behörden
gleiche Verhaftungen, und schliesslich führte die Verneh-
mung der Attentater zur Entlarvung und Verhaftung des
höheren belgischen Polizeibeamten Poels in
Brüssel, in dessen Wohnung ein ganzes Lager
von Sprengstoffen gefunden wurde.
1st das Frieden oder Krieg?
Wahrend der ganzen Okkupation waren besondere ge
heime Verbande mit der standigen Ueberwachung der Trup-
pentransporte beschaftigt. Bei allen diesen Gesellschaften
waren es Frauen, die die wichtigsten ..Rollen spieltgn,
seT'es, weii TiFwèriïgé r beargwöhnt werden, sei es, weil sie
durch ihr Geschlecht vor den schwersten Strafen sich
gesichert glaubten. In den bisher verhandelten Prozessen
sind 44 Frauen verurteilt worden. Ware es nicht Wahnsinn
gewesen, diese Frauen, die sich selbst in die Reihen der
Kampfenden gedrangt haben, aus wahrhaftig nicht hierher
gehörenden Gefühlen von den schwersten Strafen auszuneh-
men Wer ist für die Verurteilung solcher Frauen verant-
wortlich Wir, die die Selbsterhaltung zum Gegenschlag
zwang, oder die anderen, die diese Frauen zu Kriegszwecken
missbrauchten Aber, schreiben unsere Feinde, Frauen
gehören vor ein Zivilgericht, und ihre Erschiessung ist
Barbarei. Im Kriege werden Kriegsverbrechen vor einem
Kriegsgerichte abgeurteilt. Aber nicht einmal das Kriegsge-
richt ist notwendig. Wir brauchen den Apparat eines aussei-
ordentlichen militarischen Gerichts gar nicht in Bewegung zu
setzen, sondern konnten für das Kriegsgebiet Belgien ein-
fach das Standrecht verkondigen. Aber wir haben auf
das Recht v e r z i c h t e t. Die Verbrechen gegen die
deutsche Armee werden in einem Verfahren abgeurteilt, das
durchaus die Formen und v/ie viele Freisprechungen be-
weisen die Objektivitat -von Friedensgerichten
hat, nur dass sein Gesetz nicht das des
Fr'iedens, sondern das weit strengere, den militarischen
Bedürfnissen angepasste des Krieges ist. Dieses Gesetz aber