Flucht und Riickkehr. Die Arbeiten wurden vielfach mit der Berufung auf belgische Gesetze und internationale Vertrage ab- gelehnt. Die Zulassigkeit der Arbeit wird in Zukunft ausschliesslich durch den militarischen Befehlshaber beurteilt 1 Abs. 3 der Verordnung. Der Artikel 52 der Haager Konvention vom 18./10. 1907 bestimmt, dass nicht solche Arbeit ver langt werden dürfe, die für die Bevölkerung einen Zwang einschliessen w.ür- de, an den Operationen ge- gen ihr Vaterland teilzu- nehmen. Diese Konvention ist freilich nur für den Fall verbindiich, dass siimtliche kriegsfiihrenden Staaten sie unterzeichnet haben, was bekanntlich nicht der Fall ist. Doch heischt der Rechtsgedanke des Art. 52 auch ohne Unterzeichnung Anerkennung. Immerhin wird eine allzu angstliche Auslegung nicht Platz zu greifen brauchen. Oft wird ein Fingerzeig dadurch gegeben sein, dass die Arbeiter in anderen Stadten sich ohne Widerstreben der gleichen Arbeit unterzogen haben. Rechtsanwalt Dr. Grundmann z. Zt. Utffz. 1. Comp. Ldst. Batl. Essen. Blatter aus der Kriegsgeschichte der Stadt Aalst. 2. Die grosse Flucht. Die sechs Ulanen, die am 21. August in die Stadt ein- ritten (Nr. 10 ds. BI.), waren die ersten deutschen Soldaten, die die Bewohner von Aalst in ihren Strassen erblickten. Wie nachhaltig der Eindruck ihrer Erscheinung war, kann man heute noch immer horen, und die Laternenanzünder werden wohl für immer den für sie vom Volksmunde gepragten Namen Ulhanen te voet (Ulanen zu Fuss) behalten. Sie tragen seitdem ihre langen Stangen noch einmal so wiirdevoll. Nun waren deutsche Soldaten keine Seltenheit mehr, tagtaglich kamen grössere und kleinere Trupps und dann ein langer Durchzug, der einen ganzen Tag dauerte. Sie vernichteten endgültig die törichten Anschauungen die eine hetzende Presse in die Seelen der Bevölkerung gepflanzt hatte, dass namlich die Deutschen demoralisiert seien und nur gezwungen ins Feld zogen, dass sie schlecht bewaffnet und noch schlechter gekleidet seien insbesondere war im mer auf das jammerlich schlechte Schuhwerk hingewiesen worden. Nein, nein, diese kraftstrotzenden Gestalten, die aufs beste ausgerüstet waren, deren fester Schritt die Stras sen drohend durchhallte und deren Lieder so hell undsieges- freudig zum Himmel sich emporschwangen, sie waren ganz, ganz anders, als sie geschildert worden waren. Onze arme jongens Wie oft hat es ein wundes Mutterherz bei dem Anblick dieser Scharen, die kein Ende nehmen wollten, ge- sprochen. Als wir Ihre Soldaten sahen hat mir mancher Belgier erkiart, da wussten wir, dass unser Heer ihnen nicht widerstehen wiirde. Das Verhaltnis zwischen Solda ten und der Bevölkerung war ein durchaus gutes, sie drangen Kontrollversammlung in Audenarde. ja auch nicht erhitzt vom gerade vorausgegangenen Kampf in eine eroberte Stadt, sondern waren glücklich, nach an- strengendem Marsch einmal wieder unter Dach, vielleicht sogar in einem Bett, schlafen zu können. Sie zogen alle in der Richtung nach Südwesten gegen Frankreich zu ab. Nun wurde es stiller in Aalst. Belgische Truppen, die ja noch den Westen und Nordwesten des Landes besetzt hielten, wagten sich wieder vor und kamen in die Stadt, die ziemlich an der Grenze des von den Deut schen gehaltenen Gebiets lag. Bald waren deutsche Patrouil- len da, bald belgische,oft wechselte die Stadt innerhalb eines Tages mehrmalsden Besitser, es kam zu kleineren Strassen- gefechten, die hin und wieder ein Opfer forderten. Einmal wurde eine kleine deutsche Wagenkolonne überfallen, sie musste einen Wagen, der mit Tornistern beladen war, im Stiche lassen. Schnell hatten sich die belgischen Kinder der Tornister bemachtigt und schleppten sie als Beute nach Hause. lm Triumph brachte man den Wagen vor das Rat- haus. Aber der Bürgermeister war vernünftig. Er wusste, dass hinter diesen Plankeleien keine starke belgische Macht stand und befürchtete mit Recht für ein solches Eingreifen der Bürger in die Kriegsangelegenheiten die Strafe der Deut schen, die ja durchaus keinen Spass vertrugen. Alles, was entwendet worden war, wurde wieder zusammengesucht und der Wagen genau auf die Stelle gebracht, wo er verlassen worden war. Am 26. September kamen 600 Mann belgische Kavalle- rie und eine Batterie Artillerie, die in der Nahe des Fried- hofes Aufsteliung nahm, in die Stadt. Aber auch grössere deutsche Truppenabteilungen waren nicht mehr fern, sie hatten Dendermonde genommen und wollten sich nun bei ihrem weiteren Vorgehen auf Antwerpen den Rücken decken. Es gab ein Geplankel am Denderfluss. Der auf der linken Seite liegende kleinere Teil der Stadt war in der Hand der Deutschen, seine Bewohner flüchteten tiber den Fluss. Aber auch dort verliessen schon viele Hab und Gut. Am folgenden Tag, einem Sonntag, wurde es bitterer Ernst. Vom Dorfe Moorsel her feuerte die deutsche Artillerie in die Stadt hin- ein; gerade als die Frühmesse begann, fielen die ersten Schüsse. Die Belgier erwiderten das Feuer. Die Einwohner

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Landsturm | 1915 | | pagina 4