Des Kaisers Bild. Der Kaiser im Weltkriege. O Kaiser, wie ist dein Haarsograu? Als ich sah, wie die lieben Freunde mein Tückisch brachen ins Haus mir ein, Wie die Blüten an meinem Friedensbaum Starben mit meinem schönsten Traum, Wie durch deutsche Lande schlich der Tod Und ins deutsche Heim zog Schmerz und Not Da ward mir das Haar so grau O K a i s e r, wasward deinGesicht so schmal? Als ich sah, wie die Vettern über dem Meer Mobilisierten ihr Lügen-Heer, Wie meine Schande die Welt durchschallt' Und der Teufel ich wurde in Menschengestalt, Wie mein Volk dies Volk so gross und gut Für sie zur Horde ward, gebadet in Blut Da ward mein Gesicht so schmal OKaiser, was blieb doch dein Aug'so heil? Als ich sah, wie jeder begrub sein Leid, Wie wir wurden ein Mann im Waffenkleid, Wie singend sie zogen froh in die Schlacht Und lachten der schreckenden Uebermacht, Wie Mutter und Gattin in Tranen gestand Er starb, damit lebe das Vaterland Da blieb mir das Aug' so hell Henry F. Urban. Als Wilhelm II. im Juni igi3 sein lünfundzwan- zigjahriges Regierungsjubilaum als Deutscher Kaiser feierte, schrieb ich in einer deutschen Zeitung u. a. folgende Worte über ihn, die zum grossen Teil bereits in Erfiillung gegangen sind Durch seine starke und machtige Persönlichkeit driickt Wilhelm II. dem Zeitalter, dem er angehört, sein Geprage auf. Bisher geschah dies im Zeichen des Friedens. Was die Zukunft im Schosèe tragt. weiss niemand, aber soviel wissen wir, dass keine fremde Macht Deutschlands Ehre und Sicherheit zu nahe treten darf. Und wenn unfreund- liche Götter einmal blutige Runen an seinen Himmel schreiben, dann wird der Kaiser tatig und impulsivwie in den 'l age des Friedens seine Legionen ins Feuer führen, und die goldenen Adler seines Helms werden ihnen den Weg zu neuen Siegen zeigen. Es wird wohl auch fiir alle Zeiten in der Ge- schichte als unerschütterliches' Faktum bestehen blei ben. dass Kaiser Wilhelm im Lauf eines Vierteljahr- hunderts sein Möglichstes tat, um die Unwetter des Krieges von Deutschlands Grenzen ternzuhalten. Mehr als einmal hat der Ausbruch eines Krieges an einem Haar gehangen, und alle sind darin einig, dass des Kaisers persönliches Eingreifen eine Katastrophe abgewendet hat. Noch vor nicht langer Zeit war der Weltkrieg naher, als die Mitwelt ahnte auch damals gab die Friedensliebe des Kaisers den Ausschlag. Viele tadelten ihn deswegen und nannten seine Haltung unentschlossen und nachgicbig j*Aber auch hier wird das Urteil der Geschichtezu seinen Gunsten ausfallen. Wahrenddessen rüstete sich Deutschland für die bluti- gen Ereignisse. an deren bevorstehendem Ausbruch kein klarsehender Mensch zweifeln konnte. Auf die Dauer war der Kampt für die Erhaltung des Friedens hoffnungslos. Das sah niemand deutlicher als der Kaiser selbst, und deshalb hat er wahrend seiner gan zen Regierungszeit daran gearbeitet, die Streitkratt des Reiches zu Wasser und zu Land zu starken. In dieser Stunde schwimmt die Flotte wie eingigantisches Monument auf dem Meere, ein Monument der klugen und klaren Voraussicht ihres Urhebers. Punkt i Uhr wird die Tür des Vestibüls geöffnet, und Kaiser Wilhelm tritt mit festen, ruhigen Schritten herein. Aller Augen richten sich auf die mittelgrosse, kraftvoll gebaute Gestalt. Es wird voll- kommene Stille, man fühlt eine grosse Persönlichkeit ist ins Zimmer getreten. Der ganze sonst so anspruchs- lose Raum hat eine unerhörte Bedeutung erhalten. Hier ist die Achse, um die sich die Weltereignisse drehen Hier ist das Beratungszimmer, von dem aus der Krieg geleitet wird. Deutschland soli zermalmt werden, sagen seine Feinde. Magst ruhig sein, sagt das deutsche Heerzuseinem Vaterland. Und hier steht in unserer Mitte sein oberster Kriegsherr,ein Bild der Mannhaftigkeit, Entschlossenheit und offenen Ehrlichkeit. Ihn umkreisen die Gedanken der ganzen Welt er ist Gegenstand der Liebe, blinden Vertrauens, der Bewunderung, aber auch der Furcht, des Hasses und der Verleumdung. Ihn. der den Frieden liebt, j umrast der grösste Krieg der Geschichte, und um seinen Namen tobt der Kampt. Ein Mann, der in einem stammverwandten Reiche einen so unsinnigen Hass und so schandlicheSchmahungen hat erweckenkönnen, muss in Wahrheit ein sehr bedeutender Mann sein, denn sonst würden ihn seine Verleumder in Frieden lassen und die Schalen ihres Zornes über einen andern ausleeren, der mehr zu fürchten ist. Aber alles, was Verleumdung, Feigheit und Weiberklatsch ausdenken kann, ergiesst sich über sein Haupt. Seine Absichten werden verdreht, seine Worte missdeutet, seine Hand- lungen zu Verbrechen gestempelt. Aber in ganz Deutschland, im ganzen deutschen Heer erklingt sein Lob. Bei den Feldgottesdiensten und in allen Kirchen Deutschlands, an Wochen- und Feiertagen wird brün- stig für sein Wohlergehen gebetet. Magst ruhig sein könn'en die Soldaten ihrem Kaiser sagen und sie ihrerseits wissen, dass er niemals seine Pflicht ver- saumt, und dass er nie zuriickweichen wird, ehe Deutschlands Zukunit gesichert ist. Es ist kein Kaiser Karl V., kein Imperator, der in die Kanzlei tritt. Es ist ein Offizier in der denkbar einlachsten Uniform, einem kurzen, graublauen Waf- fenrock mit doppelten Knopfreihen, dunklen Beinklei- dern und gelben Feldstiefeln. Nicht einmal das kleine schwarzweisse Band des Eisernen Kreuzes schmückt ihn. Aber es ist eine fesselnde und gewinnende Per sönlichkeit, ein höflicher und freundlicher Weltmann. Seine scharfe Autfassung und sein glanzendes Charak- terisierungsvermögen verraten den Beobachter und Künstler, sein kluges Sprechen den Staatsmann, seine energische Haltung. seine ausdrucksvöllen Bewegun- gen und prachtigen Schlachtenschilderungen den Feld- herrn, sein verbmdliches Wesen Bescheidenheit und Menschenfreundlichkeit und seine mannlichen, befeh- lenden Worte den Herrscher, der an Gehorsam ge- wöhnt ist. Glücklich das Volk, das besonders in unruhigen Zeiten einen Herrscher besitzt, der das Vertrauen aller geniesst, und an dessen Beruf niemand zweifelt. Aber es ist auch ein Paar Augen, die eine wunder- bar magnetische Kraft haben und alle iesseln, sobald der Kaiser hereintritt. Es ist, als würde der ganze

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Landsturm | 1916 | | pagina 2