Heine Erlebnisse im 9.Lothr.Inf.=Regiment 173. Tut wohl denen, die euch hassen. gelunden, namlich den Verkauf von Glassplittern der Fenstermalereien der Kathedrale. Die Fenster der Kirche sind durchweg durch den gewaltigen Luftdruck zersplittert worden. Sie waren nicht besonders wertvoll und erstim vorigen Jahrhundert entstanden.Die Kinder Mechelns brauchen auch nicht zu fürchten, dass ihnen ihr Handelsartikel so bald ausgehen wird. Man schatzt ja. dass durch das Bombardement die Halfte aller Scheiben in Mecheln zersplittert worden sind. Wer aber den Einwand erheben wollte, dass das aber doch nicht Ardenken an St. Romuald seien,der mag sich mit dein Gedanken trosten, dass es bei solchen Reliquien herkömmlicherweise weniger auf die Echtheit als auf den Glauben an die Echtheit ankommt. Eins unserer Bilder zeigt den machtigen Turm der Kirche aus dem Gasschen ohne Ende (Het Straatje zonder einde) gesehen nach einem Aquarell von Allard. Dieses stille Gasschen ist der bevorzugte Platz für alle die, die dem Meisterspiel Jef Denijns aut dem herrlichen Glockenspiel des Turmes ich verweise auf den Aufsatz über Glockenspiele in dieser Nr ungestört lauschen wollen. s. Vormarsch zur Maas. Anprallten die de,utschen und welschen Schwadronen. Das krachte, als splitterten Eichenkronen. Nun in Fernen vertobt der Kampf mit Staubgewirbel und dumpfem Gestampf. Beieinander liegen zwei wackere Streiter ein welscher Kurassier und ein deutscher Reiter. Den Deutschen traf es am Schenkel schwer der Franzose sieht den Abend nicht rnehr. (Fortsetzung). Der Morgen des 29. August bricht sengend heiss heran, die /Compagnie macht sich marschbereit. Sie hat den Befehl, sich andern Tags dem Bataillon anzuschliessen. Punkt 9 Uhr wird angetreten. Noch im Dorfe, da, wo die Strasse sich breitet, lasst unser Hauptmann die /Compagnie mit „Augen rechts" an sich vorbeimarschieren. Hei, wie das klappt etwa 100 gefangene Franzosen mit ihren Offizieren sind Zuschauer. Auf der Chaussee liegt fusshoher Staub, welcher sich in die Nase, Augen und Ohren setzt. Ab und zu kommt ein Auto angefalrren, die Rompagnie minutenlang in Staubwolken begrabend wie ein weisser Mehlwurm zieht sie über die Strasse. Links und rechts derselben liegen die vom Feinde verlassenen Schützengraben, oben in den Baum- wipfeln seine verlassenen Ausgucksnester. Es ist etwa 8 Uhr abends, 40 Kilometer haben wir hinter uns. Bi- wak wird bezogen, Stroh ist keins vorhandendie Nacht ist feucht und kalt. Andern Tags urn 7 Uhr morgens ist der Anschluss erreicht. Rechts von der Strasse hinter dem Dorfe Damvillers wird //alt geniacht. Auch dieser Tag gibt dem vorhergehenden an Hitze nichts nach, bringt uns aber insofern eine Erquickung, als wir uns in zurFroschkultur angelegten Teichen baden können es ist eine Wohltat für Mann und Pferd. Es dunkelt schon, Biwak wird aufgeschlagen, dann gibt's Wein mit Wasser verdünnt ,,eine ganz besondere Vergünstigung", wie der Hauptmann sagt. Es ist ein herrlicher Sommerabend mit der langsam aus Osten heranschleichenden Nacht, ohne Gewehr- und Aanonendonner, ohne Schaden an Menschen und Out. Der 31. August bringt uns den Weitermarsch zur Maas. Die Trup- pen, die inzwischen wohl bis zur Brigade angewachsen sind, brechen urn 9 Uhr morgens auf. Schlangenförmig Ziehen sie hinter und neben einander her. Immer rnehr werden es. Es geht bergauf, wir folgen nicht der Chaussee. Wieder muss die Mannschaft den Pferden die Wagen inittels langer Taue heraufziehen helfen. Es ist 5 Uhr nachmit., wir kommen in einen Wald mit dichtem Unter. holz. Der //aupttrupp macht Halt, die 10. /Compagnie hat die Spitze übernommen und marichiert weiter. Jetzt geht's im Gansemarsch berg auf, bergab über einen 1 2m breiten mit dichtem Unterholz ilberhangenen Waldpfad. Gegen 8 Uhr abends machen wir am jenseitigen Waldrande Rast. So gul wie es die Nacht des Waldes erlaubt, wird in Zügen an getreten. Durstig und müde legt sich jeder mit Gewehr im Arm nieder. Nach kauni 10 Minuten, die Augenlider haben sich schon geschlossen, heisst es: ,,Herr Leutnant rückt mit dem 3.Zuge in's nachste Dorf, nimmt die Einwohner gefangen und sperrt sie in die /Cirche ein". Trotz grosser Müdigkeit sind wir vom 3. Zugefroh, diesen Auftrag erhalten zu haben, ist uns doch auch Gelegenheit geboten, unsern Durst stillen zu können. Ausgeschwarmt überschreiten wir eine Wiesenflache und ge- langen dann gleich in's Dorf. Vorsichtig durchsuchen wir mit auf- gepflanztein Seitengewehr die Hauser vom Keiler bis zum Boden. Viel Arbeit gibt's nicht rnehr, denn unsre Ulanen haben das Gröbste schon getan. In einem Hanse treffen wir noch zwei Brauen und einen Mann, sie hatten sich versteekt gehalten. Sie bieten uns zu trinken ander Mann muss vortrinken, dann erst trinken wir, danach teilen sie das Los ihrer Mitbürger. Nachdem wir zurückgekehrt sind, wird der Zug noch- mals in's Dorf geschickt zum Wasserholen. Der tiefstehende Mond geht in flachem Bogen über den Horizont, er wirft kaum ein schwaches Licht in die Dunkelheit des Waldes, als unser //auptmann die Rompagnie antreten, die Gewehre entladen und die gerauschmachenden Ausrüstungsstücke verpacken lasst. Die notwendige Aufklarung wird uns gegeben, dann geht's weiter der Maas zu. Wir wissen, der Feind liegt uns nah gegenüber, grösste Vorsicht ist geboten. Die Befehls werden im Flüstertone gegeben. Gespannt schauen und horchen wir nach dem uns gegenüberliegenden vom Monde heil be- schieuenen Berge, lm Tale vor uns liegt die Maas. Wir marschieren wieder im Gansemarsch bergab an dem Waldrande entlang. Vom nahen Berge blitzt plötzlich das Licht dreier Scheinwerfer aufwir werfen uns auf den Boden. Tastend sucht es das Gelande ab, jetzt ruht es auf uns, 12 Minuten lang. Die Nerven sind auf's höchste angespannt. Lang sam verzieht sich ein Licht nach dem andern. Die Augen sind noch ge- blendet, lautlos erheben wir uns, und kaum sind wir einige hundert Schritte weiter, so sind sie auch schon wieder da, die feurigen Augen. Jeder weiss, was er zu tun hatwer den Moment zum Hinlegen verpassb, bleibt stehen wie eine Bildsaule und rührt sich nicht. Wieder ruht das Licht 12 Minuten auf uns, wieder verschwindet eins nach dem andern, so geht es weiter, bis dass wir nach schwerem Marsche auf eine unsre bisherige Richtung quer durchschneidende Chaussee kommen. Vor uns liegt ein Sagewerk, links daran anschliessend die dazu ge horige Gartenanlage. Auf einen Augenblick ist die Fabrik und ihre Um- gebung in taghelles Licht getaucht, über uns steht eine Lichtrakete mit ihrem intensiven Licht. Rasch werfen wir uns in den Chausseegraben j und verhalten uns still, dann geht's im Laufschritt iiber die Chaussee bis zum gegenüberliegenden Rand. Wir trauen kaum unseren Augen, das Herz schlagt höher: „Die Maas, die Maas!" geht's von Mund zu Mund. Fast senkrecht, 56 m tiefer als die Strasse, j schlangelt sich das silberne Band des Flusses. Die Sterne spie gein sich in seinem Silberglanze. Irgendwoher aus der Nahe i schlagt eine Uhr, sie meldet die 12 te Stunde, es ist Mitternacht. Eilig geht's an's Schaufeln. Wir sind weit ausgeschwarmt, und jeder wirft seine Deckung nach bestem Können. Ich liege mit noch einigen Kameraden in dem Garten des Mühlenbesitzers und freue mich, weichen Boden zum Auswerfen meiner Deckung zu haben. Wieder kommt das Licht der Scheinwerfer heraiwe- i schlichen und ruht minutenlang auf uns; wir werfen uns wieder platt auf den Boden und stellen uns wie tot. Kaum sind sie ab- geblendet, so geht's umso eifriger ans Schaufeln. Im Tale vor uns, jenseits der Maas, sind die franz. Vorposten. Ab und zu sen- den sie uns ihre Grüsse heriiber. Es ist 4 Uhr morgens. Der Hauptmann überzeugt sich, ob jeder seine Deckung gut ausgebaut hat, dann gibt er Befehl zum Schlafenlegen. Ich kann nicht schlafen. Wie schön ist doch dieses Tal, umgeben von kleinen Waldungen. Blühende Dörfer lugen aus dem Griin der Obstbaume hervor. Vor uns, ziemlich in der Mitte des Tales, lauft eine Eisenbahn, sie soli von den Franzosen besetzt sein. Noch hat dieses Tal die Grauel des Krieges nicht erfahren. Wie wird es morgen aussehen? Vor- laufig ist alles still und friedlich. Eine Stunde ist verronnen, plötz.'ich höre ich direkt unter mir auf der Maas ein Platschern und Gemurmel. Gespannt biege ich das Holundergestrauch vor mir auseinander: Unsere Pioniere sind's mit ihren Kahnen, sie wollen uns übersetzen. (Fortsetzung folgt.) Gefr. Chr Franz. Landst. Batl. IV Metzi. Comp.

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Landsturm | 1916 | | pagina 4