Verordnungen und Bekanntmachungen j ftir die besetzten Gebiete. I zu entkommen. Nun stand vordem Feldgericht ein anderes Mitglied dieser Organisation, die Daktylographin Margue rite Blanckaert. Da ihr nachgewiesen werden konnte, dass sie nicht nur durch Weitergabe von Adressen wehrfaehiger Belgier mitgewirkt, sondern auch insgesamt etwa 200 Leute ohne jede Mithilfe selbst auf den Weg nach Holland ge bracht und teilweise auch mit Reisegeld versorgt hat, wurde sie zu lebenslaenglicher Zuchthausstrafe verurteilt. Von der Verhaengung der Todesstrafe wurde Abstand ge- nommen,weiles sich um eine hysterische, fanatisch exaltier- te Person handelt, die sich der Folgen ihrer Handlungsweise nicht voll hewusst war. Ebenfalls wurden einige Helfeshelfer, die hauptsaech- licli durch Ausstellung von falschen Personalausweisen mitgewirkt hatten, zur Verantwortung gezogen und mit 2 Jahren Zuchthaus bezw. 10 Monaten Gefaengnis bestraft. Die Genter Universitat. In einem Schreiben war der General Gouverneur von einer Anzahl belgischer Persoen- lichkeiten gebeten worden, von der Einrichtung einer vlae- mischen Universitaet in Gent abzusehen. Nun hat der General Gouverneur den betr. Herren eine Antwort zukommen lassen, der wir folgendes entnehmen Er koenne nicht die Verantwortung dafuer ueberneh- men, dass die .Tugend des besetzten Landes noch laenger ohne hoeheren Unterricht gelassen werde. Die Vervlamung der Genter Hochschule sei eine alte gerechte Forderung des vlaemischen Volkes, die er nun als Inhaher der obersten Landesgewalt nach Recht und Gesetz, ueberdies aus Gruen- den der Gerechtigkeit, vollziehe. Unrichtig sei, dass es sich hierbei um innerbelgische Angelegenheiten handele, in die die besetzende Macht nicht eingreifen duerfe. Waehrend in Friedenszeiten sich Deutschland im Gegensatz zu Frankreich der Einmischung in diese Dinge enthalten habe, koenne es sich nunmehr die Regierungs- und Verwal- tungsrechte, die ilim auch inbezug auf das Hochschulwesen zukaemen, nicht beeintraechtigen lassen. Scharf wendet sich der General-Gouverneur gegen die Auffassung der Schreiber, dass diejenigen Belgier, die bei der Einrichtung der vlaemischenHochschule in Gent mitwir- ken, gleichsam eine Illoyalitaet gegen ihren Staat oder gar gegen das vlaemische Volk begingen. Was Sie und Ihre Freunde frueher oft genug ausge- sprochen haben",ruft er ihnen zu, ,,dass naemlich die moeg- lichst baldige Einrichtung einer vlaemischen Universitaet in Gent eine unerlaessliche Vor beding ung fuer die geistige und wirtschaftliche Entwik- kelung und Besserstellung d e s v 1 aemischen V o 1 k s t e i 1 s sei, trifft auch unter den heutigen Um- staenden in vollem Umfange zu. Wer sich also der von mir angeordneten Umgestaltung widersetzt, schaedigt ein Lebensinteresse des niederlaendischen Volksstammes in Belgien, ohne dem belgischen Staate das Geringste damit zu nuetzen. Diese Erkenntnis herrscht, wie Ihnen wohl bekannt ist, in weiten vlaemischen Kreisen. Sie denken nicht daran, den von Ihnen eingenommenen Standpunkt zu billigen. Ich vermag daher Ihnen und den Mitunterzeichnern Ihrer Ein- gabe keine Berechtigung zuzuerkennen, schlechthin als Wortfuehrer des ganzen Vlamentums aufzutreten Mit aller Deutlichkeit und Schaerfe warnt der General- Gouverneur zum Schluss, die in der Eingabe niedergelegte feindselige Stimmung propagandistisch zu betaetigen. Er werde insbesondere jedem Versuch, Hochschullehrer oder Studenten von der Mitwirkung oder Teilnahme an ■diesem Werke abzuhalten, aufs entschiedenste entgegen- treten. Der Verlust einer Ausweiskarte oder die widerrecht- liche Benutzung einer solchen wird nach einer Verordnung der Etappen-Inspektion mit 1000 Mark Busse oder 6 Wochen Haft bestraft. Die Aus- und Durchfuhr von Geldmünzen gleichviel oh es in- oder auslaendische Gold-, Silber-, Nickel-,Zink-, oder Kupfermuenzen sind, wird fuer ganz Belgien verboten. Im Reiseverkehr wird das Mitnohmen von Silbermuenzen bis zu 20 Mark und von Nickel- Zink- und Kupfermuenzen his I insgesamt zu 2 Mark erlaubt. Zum zweitenmal bestraft. Die Gemeinde Lovendeghem wurde am 1. Febr. ds. J. mit einer Geldbusse von 5000 M belegt, weil auf ihrem Grundgebiet ein Telefondraht-Dieb- stahl veruebt wurde, ohne dass es gelang, den Taeter zu entdecken. Jetzt wurden dort wieder 45 kg Kupferdraht aus der Leitung herausgeschnitten und entwendet, und wieder hat man keine Spur von dem Taeter. Da sich also die Massregeln, die die Gemeinde getroffen hat, um solchem Unfug zu begegnen, als nicht ausreichend erwiesen haben, auch in letzter Zeit mutwillige Stoerungen von Telefonleitungen sich vermehren, hat das A. O. K. IV die Gemeinde Lovendeghem abermals mit einer Zwangsauflage von 5000 M gestraft. Zur Kartoffelversorgung. Der Herr General-Gouver neur erlaesst folgende Bekanntmachung Wie mir berichtet wurde,ist der Versuch gemacht wor den, die Bevoelkerung glauben zu machen, dass grosse Bestaende von Kartoffeln aus Belgien nach Deutschland abgefoerdert worden seien und dass deshalb die Versorgung der Zivilbevoelkerung auf Schwierigkeiten stosse. Alle derartigen Behauptungen laufen der Wahrheit zuwider. Es sind insgesamt nur 150 Ts. Kartoffeln und diese nur aus- hilfsweise nach Westdeutschland und ausserdem 5500 Ton nen Kartoffeln nach Frankreich abgegeben worden, eine Menge, die bei einer mittleren Erzeugung von 1 700 000 Ts im Gebiete des Generalgouvernements ueberhaupt kaum in Betracht kommen kann Die Abminderung der Kartoffel- vorraete ist lediglich die Folge des gesteigerten Verbrauchs fuer die Ernaehrung der Menschen und die Fuetterung der Tiere. Ich warne ausdruecklich vor der Verbreitung falscher Geruechte ueber die Gruende der bestehenden Kartoffel- knappheit und werde gegen die Schuldigen mit allerstrenge vorgehen. Die Vorraete des Landes an Kartoffeln werden bis auf Weiteres insbesondere bis zur Aufdeckung der aller Wahr- scheinlichkeit nach noch vorhandenen versteckten Bestaen de, so weit moeglich, vorzugsweise den arbeitenden und beduerftigen Klassen zugefuehrt werden, deren Lebenshal- tung hauptsaechlich auf die Kartoffel eingestellt ist. Ein Gleiches soil mit den Kartoffeln geschehen, die aus dem Auslande eingefuehrt werden koennen. Von den wohlha- benderen Schichten der Bevoelkerung erwarte ich, dass sie in richtiger Erkenntnis ihrer sozialen Pflicht unter den gegenwaertigen Verhaeltnissen zur Befriedigung ihres Naehrbedarfs tunlichst auf andere, den Minderbemitttelten nicht zugaengliche Nahrungsmittel zurueckgreifen. Ebenso erwarte ich, dass die belgischen Gemeindebe- hoerden mich beider Durchfuehrung meiner im ausschliess- lichen Interesse der belgischen Bevoelkerung getroffenen Massnahmen zur Regelung und Sicherstellung der Verpfle- gung gewissenhaft und nachdruecklich unterstuetzen.

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Landsturm | 1916 | | pagina 7