In Brüssel. Gegen Ende September lallt das Thermometer rascb vom 29. September bis 29. Oktober sinkt es um 5,6° Leichter Reif bedeckt die Wiesen vor Sonnenauf- gang, und von Mitte Oktober an kann man früh mor gens schon dünne Eisbliittchen auf den Pfiitzen beo- bachten Immer zahlreicher werden die Vogelzüge. War der Sommer heiss und trocken, so beginnen man che Baume schon jetzt ihre Blatter abzuwerfen. Das ist das erste Zeichen der absterbenden Natur. Stop- pellelder, Altweibersommer und herbstlich. gefarbtes Laub auf den Baumen kennzeichnen den Herbst. Die Sonne scheint manchmal noch heisa, hinab, besonders in den Ardennen gibt es heisse MiLtagsstunden im Herbst aber nach dem i5. Oktober bleibt das Ther mometer dauernd unter i5°. Mit dem November setzen auch die ersten Winter- stürme ein, die die Baume entlauben dichter Nebel hüllt die Natur an windstillen Tagen in seinen trübse- ligen Mantel. Es ist der Hore- oder Nevel-maand der alten Germanen. In der zweiten Halfte des November fallt oft schon Schnee. und das Thermometer sinkt bisweilen auf5° und darunter. Im Dezember und Januar halt die Natur ihren Winterschlaf; nur in Flandern sieht man noch hier und da einen Bauern, der seine Stoppelrüben vom Felde holt oder an einem warmen Tage sein Feld umgrabt und Roggen sat. Das Kaiser-Panorama. Man braucht sich in Brüssel nicht zu langweilen. Die Stadt ist reich an schonen Anlagen, Denkmalern, prachtigen Gebauden, malerischen Platzen, und eine grosse Anzahl von Museen birgt eine Fülle von Schat- zen aus den Gebieten der bildenden Kunst, Geschichte, Naturgeschichte, Völker- und Erdkunde. Seit Dezember v. J. aber ist noch eine Statte ent standen, in welcher unsere Soldaten ein Stündchen ihrer freien Zeit angenehm und nutzbringend zu brin- gen können, das Kaiser-Panorama. Es verdankt sein Entstehen der unermüdlich arbeitenden Bildungs-Zentrale, die es verstanden hat, die Liebestatigkeit der Heimat auch für diese Sache zu erwarmen. In der ehemaligen Bar des Grand Hotel in der Bischoopstraat (Rue de l'Evêque) an der Ecke des Boulevard Anspach, die nun zu einem gemütlichen Raum umgewandelt worden ist, hat der Rundbau des Panoramas Aufstellung gefunden. Auf bequemem Stuhl sitzend.kann man hier, durch die Glaser schauend, farbenprachtige Bilder aus aller Welt, aber auch Zeit und Kriegsereignisse in naturgetreuer, körperlicher Darstellung an sich vorüberziehen lassen. Jede Woche wechselt das Programm. Im behaglichen Warte- und Nebenraum, in dem auch Schreibgelegenheit geschaffen worden ist, liegen die besten deutschen Zeitschriften aus. Ein Konversa- tions-Lexikon, ein grosser Handatlas und Globus stehen zur Vertügung. Künstlersteinzeichnungen und Kunstmappen sind ausgelegt. Alles Liebesgaben der Verleger. So finden wir hier, mitten im Strudel der Gross- stadt und der glanzvoll ausgestatteten Theater, Kon- .zertlokale und Kinos, eine bescheidene deutsche Bildungsstatte. Aber gerade die hat vielen von uns dort bisher gelehlt. Gar mancher sucht im Ernst der Zeit Ein Platzchen, still sich zu erbauen, Entrückt dem Druck der Wirklichkeit, Um Edles, Schönes anzuschauen. Hier im Kaiser Panorama findet er es, und die vielen tausend, die es monatlich besuchen, beweisen, wie gern es die feldgrauen Besucher und Kriegsgaste der Stadt aufsuchen. Ausserordentlich stark war der Andrang gerade in der letzten Woche, wurde doch in prachtigen Bildern das Kamplgebiet bei Ypern und das Leben und Trei- ben unserer Soldaten in und unmittelbar hinter dei- Front vorgeführt. Ein Boulevard-Sonntags-Bummel. Die linden Lüite sind er wacht Nach langen Re- gentagen endlich kösthche warme Frühlingssonne. Aut dem Boulevard du Midi, den sie so recht mit vollen Strahlen trefleu kann, ein Strom von Menschen, der dem Licht und der Lenzluft entgegenflutet Noch alles in dunkier Winterkleidung, das bisschen Feldgrau verschwindet darunter. und nur ab und zu gibt ein Frühlingshut ein Tüpfelchen Farbe. Die eine Seite des Boulevard ist von spielenden Burschen und Mannern eingenommen. Alle Tage kann man sie hier und in allen Teilen der Stadt stundenlang mit Biillen und grosseren und kleineren Steinkugeln sich beschaftigen sehen. Was sollen sie auch beginnen? Arbeit können sie beim besten Willen nicht bekommen, und das Spiel in frischer Lust ist doch dem Karten- spiel in der engen Stube und dem Sitzen im Wirtshaus vorzuziehen. Fordert der Krieg von den Söhnen der kampfenden Staaten höcbste Tatkraft und Ausdauer bis zur Erschöpfung, die des besetzten Belgiens inur ein geringer Prozentsatz steht an dem Yser) hat er zu mondenlanger Arbeits- und Tatenlosigkeit, zu einem resigniert geführten Kampf gegen die Langeweile ver- dammt. Wir sind am P o r t e de Hal" dem Halle- schen Tor angelangt, ein Stück der am Ende des 14. Jahrh. vollendeten Stadbelestigung. Friiher diente es als Gefangnis, nun ist es in ein Wafienmuseum um gewandelt worden. Es ist recht reichhaltig und gerade in dieser Zeit zumal für die den Soldaten doppelt interessant, der Eintritt ist frei.Indendem Turn umge- benden Anlagen stehen schwere Geschütze, die aller- dings gegen die heutigen Waisenkinder sind. Im Innern finden wir im unteren Geschoss eine Sammlung Folter- werkzeuge Eisen zum Brandmarken, Richtbeile, Zangen, eine Maske mit spitzem Stachel und was der- gleichen liebliche Dinge mehr sind. Ein grosses Bronze geschütz, La Formidable tragt das Napo- leonische ,,N", es soil 5400 kgschwer sein. Das dünkt uns gar nicht mehr so gewichtig. Hier stehen auch Feldschlangen und Wallbiichsen. Im ersten Stockwerk sind Rüstungen und Wallen aus dem spateren Mittelalter und der Renaissancezeit aufgestellt. Es würde töricht sein, wenn wir auch nur den Versuch einer Aufzahlung der olt sehr wertvollen Stücke der ausserordentlich reichhaltigen Sammlung machten. Insbesondere dürften die mit kostbarer ein- gelegter Arbeit verzierten Wafien interessieren. Viel D«utsches findet sich hier z. B. eine sachsische Kaval- leristen-Standarte (16. Jahrh.) und eine deutsche (A us dem Bericht des Meteorologischen ObserTatoriums in Brüssel 1906).

Digitaal krantenarchief - Stadsarchief Aalst

Landsturm | 1916 | | pagina 5