Aus unseren Tagen. S Das Eiserne Kreuz. Kriegsriistung, die durch anschraubbare Stücke fur das Turnier verstarkt werden konnte. Im zweiten Stockwerk sehen wir moderne Uni formen und Rüstungen, unter ihnen auch, zu unserer Freude eine Anzahl schönster preussischer Pickel- helme, die nun so verhasst in Belgien geworden sind. Doch nun nach dieser kleinen Unterbrechung des Spaziergangs die man aber jedem Kameraden recht empfehlen kann weiter im lachenden Sonnenschein liber den Boulevard de Waterloo. Ueber die Hauser zu unserer Linken ragt die patinabedeckte, goldglit- zernde Riesenkrone des Justizpalastes empor und schliesslich liegt das machtige Gebaude ganz vor uns. Ich kann mir nicht helfen, was auch die Archi- tekten und Kunstgelehrten an dem Gebaude mögen auszuset^en haben, ich kann mich der hinreissenden Gewalt des Massenhaften die von diesem Bauwerk ausgeht, niemals entziehen. Wir kreuzen die Avenue Louise und weiter die Porte de Namur, die von tausenden Menschen belebt sind, die alle nach dem beliebtesten Briisseler Aus- flugsort dem Bois de la Cambre lahren und wan- dern. Nun sind wir am Boulevard du Regent ange- langt. Vor dem Palais des Académies dran- gen sich die Menschen. Er ist als Lazarett eingerichtet und beherbergt neben deutschen Verwundeten auch belgische und iranzösische, die sich nun in sauberer Lazarettkleidung im Garten ergehen natürlich in weiter Entfernung vom Publikum, das neugierig durch die Gitterstabe schaut. Ein Schneemann, den sie auf den Rasen aufgepflanzt haben, verliert seinen letzten mannlichen Halt vor den Strahlen der Frühlingssonne, undbunte Crokus schauen verwundert dem Spiel zu.— Im Palais du Roi (Königspalast) werden von rein belgischem Personal schwer verletzte belgische Soldaten gepflegt, die nicht wieder kriegsverwen- dungsfahig werden können. Nurein deutscher Wach- posten steht am Tore. Wer von den Insassen als geheilt entlassen werden kann, mag in seine Heimat ziehen, wahrend die aus dem Palais des Akadémies in ein Gefangenenlager nach Deutschland wandern müssen. Geht man nun am Pare entlang auf der Rue Royale fort, so kommt man zum Botanischen Garten", der gleichzeitig (mit dem angegliederten Forstmuseum) als wissenschaftliches Institut, wie als Lustgarten, vor allem für die Kinder, dient. Heute ist er iibervoll, die Banke reichen schon lange nicht aus und alt und jung macht es sich auf den Treppen bequem, lasst sich die Sonne in den Hals scheinen und horcht mit angenehmem Gruseln auf das unaufhörliche dumpfe Grollen, das von der fernen Front matt her- übertönt. Einst gab es eine Zeit, da lauschte man ge- spannt, ob sich der Schall verstarkt habe, ob die Deutschen also riickwarts gingen und endlich die Befreier kamen. Die tijd is lang voorbij Heute ist man iiberzeugt davon, dass die deutsche Mauer nicht zerbröckeln wird und ist zufrieden damit, denn man weiss auch, dass die deutschen Truppen jeden Schritt des eroberten Bodens hartnackig verteidigen wiirden und dass die ersten Schrecken des Krieges nichts waren, gegen das, was dann das Land zu ertragen hatte. h liljp Qiiphpn alle alteren Nr. unserer Zeitung (insbeson- flll oUbMCII dere 2 und 3) zu hohen Preisen zu kaufen. Schriftleitung. Der Ortsgeistliche hat einen Brief mit der Feld- post bekommen. Eine Weile halt er ihn in der Hand, ehe er ihn öffnet. Er weiss schon, das ist wieder eine Nachricht, die er weitergeben soil. Aus Russland kommt sie, und etwas Hartes ist in dem Briefe, ein. letztes Andenken, das einer schickt, der sein Leben gelassen hat da draussen. Wen mag es treffen diesmal Eltern, die ihren Sohn verlieren, eine Frau, die Witwe wird, eine Braut, die den Liebsten hergeben muss Er öffnet und halt ein Eisernes Kreuz in der Hand. Und bei der amtlichen Benachrichtigung, dass der Gefreite Johannes Möntenich im Lazarettan den Fol- gen einer schweren Verwundung gestorben ist, den Brief einer Schwester. Er liest ihn. und liesst ihn noch einmal. Und weiss - er braucht nun keine Eltern. zu trosten, keine Witwe, keine Braut. Der, der dies Kreuz bekam, hat niemand auf der Welt. Nicht Vater und Mutter, mcht Schwester und. Bruder, nicht Frau oder Liebste. Einen Vater hat er nicht gekannt, seine Mutter liess ihr Leben für seines. Von fremden Leuten aufgezogen, ass er Gemeindebrot.. Es gibt kein harteres. Bettelbrot hat er geges- sensagen die Bauern verac.htlich Kein Madchen, das etwas auf sich halt, heiratet so einen. Er muss- immer abseit stehen, immer ist er gezeichnet. Grausam hart ist der Bauer da, es ist die grösste Schande, von der Gemaand unterhalten zu sein. Der Hanni Möntenich ist ein strammer Junge ge worden. fleissig und ordentlich, aber verschlossen und störrisch. Und er hat nur auf seine Grossjahrigkeit gewartet, um fortzugehen in die weite Welt. Dann ist seine Militarzeit gekommen, bei der Garde ist er gezo den worden. Und ist fort aus dem Dorf mit einem frohern Gesicht als sonst. Er hat dann an den Pastor geschrieben, sie müssen das alle. seine Piarrkinder, einen kurzen Brief, dass es- ihm gut gefallt beim Militar, dass es ihm gar nicht schwer fallt, dass er froh ist, fort zu sein Und dass er nicht wiederkommen will. Nun kommt er nie wieder. Und niemand weint um ihn. Der Pfarrer liesst noch einmal den Brief. N oeff keiner ist so leicht gestorben als dieser, heisst es darin. Zwei Tage hat er gelitten, aber man hat doch geglaubt, dass er wieder gesund würde. Darum hat auch die Schwester nichts zu bestellen an seine Angehörigen. Aber kurz ehe er gestorben ist, hat er die Hand der Schwester ergriffen und gesagt Ich habe nicht ge- wusst, dass es so schön ist, ein Vaterland zu haben. Und sein Eisernes Kreuz hat er in der Hand behalten, bis er sich gestreckt hat und zufrieden gestorben ist. Der Pfarrer nickt vor sich hin. Er weiss, was in -der Seele des Hanni Möntenich vorgegangen ist, er weiss, warum der Gezeichnete und Ausgestossene sein Ehrenzeichen festgehalten hat bis zum Tode, und warum er leicht gestorben ist. Und er sagt es auch. Am Sonntag von der Kanzel herunter. Sagt, dass ein wackerer Soldat und braver Junge hinübergegangen ist in ein besseres Leben, froh und getröstet durch das Zeichen der Ehre und Tapfer- keit. In ein besseres Jenseit, in dem es keinen Maket O

Digitaal krantenarchief - Stadsarchief Aalst

Landsturm | 1916 | | pagina 6